Faschismus!
Wie ich sie hasse diese Begriffserweiterungen, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts um sich gegriffen haben und von Ikonen der Antifa-Bewegungen so weit ausgedehnt wurden, bis sie auf der linken Seite wieder auftauchten.
Für den Historiker gibt (gab) es Faschisten nur in Italien, allenfalls noch in Spanien. Die hatten jedoch schon gänzlich andere soziologische Voraussetzungen und staatliche Ausprägungen als der Nationalsozialismus, der schon früh dem zunächst nur mäßig erweiterten Faschismusbegriff zugeschlagen wurde.
Später nahm man eine - möglicherweise die wichtigste - Komponente, den Totalitarismus heraus und setzte ihn mit dem Faschismus gleich. So kommt man dann zu der Aussage, dass China ein faschistischer Staat sei.
Ich würde mich ja beruhigen lassen, wenn man faschistoid sagen würde, aber faschistisch wird schließlich zu einem Totschlagsargument, mit dem man undifferenziert einfach nur noch "böse, böse, böse" sagen will.
Eine ähnliche Dekadenz hat der Begriff "Rassismus" durchgemacht. Wenn jemand auch nur auf die realen Probleme aufmerksam macht, welche die Zuwanderung ausländischer Menschen verursacht, ist man "Rassist"; die semantische Bedeutungskette schwingt immer mit: Sorge über Ausländer -> Fremdenfeindlichkeit -> Rassismus -> Nationalssozialismus -> grundsätzlich und undiskutierbar böse.
Das ist undifferenziertes Denken.
Immer langsam und eins nach dem anderen.
Zunächst zum Faschismus:
Ich bin kein Historiker. Meine Auseinandersetzung mit Faschismus ist keine historische Analyse, sondern eine soziokulturelle. Wobei es Analyse nicht ganz trifft, immerhin sind meine Ergüsse hier nur plump hingeschrieben und keinesfalls wissenschaftlich erarbeitet.
Ich verstehe, dass man im Nachhinein den Faschismus in Europa als Historisch als einzigartig einordnen will, da es viel Arbeit erleichtert. Denn dann hat man
den Faschismus.
Nun ist es aber unbestritten, dass der Faschismus in seiner ausgelebten Form bestimmte Merkmale hat.
Zitat aus Wikipedia:
1932 legte er die Ideologie seines Staatssystems schriftlich vor (La dottrina del fascismo): Merkmale waren ein extremer Nationalismus, eine durch Krieg angestrebte Großmachtstellung für Italien im Mittelmeerraum, die Betonung des „Willens zur Macht“ (Friedrich Nietzsche), des autoritären Führerprinzips (Vilfredo Pareto), der „direkten Aktion“ als „schöpferischem Gestaltungsprinzip“ (Georges Sorel) und einer totalitären, von einer Geheimpolizei überwachten Verschmelzung von Staat und alleinregierender Partei.
Anhand dieser Punkte erdreiste ich mir, ein System als faschistisch zu bezeichnen oder nicht. Du hast recht - um Missverständnisse zu vermeiden könnte man es als faschistoid bezeichnen. Das kann und sollte man machen, wenn man sich mit Historikern unterhält und deshalb eher ihren Jargon benutzt.
Aber, wie gesagt, das hier ist keine historische Diskussion. Und selbst wenn ich Systeme aufzähle, die passé sind, heißt das nicht, dass es zu einer historischen Diskussion wird. Denn das Thema ist Faschismus, bzw. Neofaschismus oder Kryptofaschismus. Wenn ich Staaten wie die Sowjetunion oder China aufzähle, dann tue ich das nicht, um sie als faschistische Staaten anstatt als totalitäre Diktaturen darzustellen, sondern, um die faschistischen oder faschistoiden Merkmale von ihnen in Bezug auf die Links-Rechts-Debatte aufzuzeigen. Die Übergänge der Merkmale zwischen totalitärer Diktatur und Faschismus sind fließend. Der Nationalsozialismus ist bestes Beispiel dafür.
Wenn man im soziokulturellen Zusammenhang das Wort "Faschismus" benutzt, dann bezieht man sich vor allem auf die Art und Weise der Machtergreifung. Denn Faschismus ist die andere Seite einer bürgerlichen Demokratie. Das ist dann die Trennlinie zwischen Italien, Deutschland etc. und China, da geb ich Dir recht.
Ich stimme Dir zu, dass "faschistisch" von etwaigen politischen Aktivisten zu freizüngig benutzt wird. Aber da muss man sich eben eine Hornhaut diesbezüglich wachsen lassen. Wer war das, der sich über die Anwendung von "verstrahlt" echauffierte? Müllmann glaube ich. Ist halt so. Oder Quantensprung. Oder Leute die Star Wars falsch zitieren "Luke, ich bin Dein Vater" - wird nie so gesagt. Oder Leute die "man" statt "Mann" in Sätzen wie "Reiß Dich zusammen, Mann!" schreiben. Oder oder oder.
Bei dieser Palette von Beispielen ist die hiesige Verwendung von Faschismus noch die korrekteste.
Zum Rassismus:
Rassismus fängt schon recht früh an - wenn man anfängt, Menschen in Rassen zu kategorisieren, bzw. wenn man ihnen aufgrund ihrer Ethnizität bestimmte Merkmale zuweist. Wenn ich also sage, dass Schwarze gut Basketball spielen können, bin ich Rassist. Dessen muss man sich bewusst sein, denn nur so kann man sein vorurteilbehaftetes Denken, dass bei
jedem Menschen vorliegt, lockern. Dieses Denken ermöglicht uns erst den Alltag, problematisch wird es erst dadurch, wenn wir aufgrund dieses Denkens politische Forderungen formulieren, wenn sich dieses Denken also im gemeinsamen Kulturraum etablieren kann. Und das ist auch das Problem bei der Zuwanderungsdebatte. Klar - es gibt zweifelhafte Geschöpfe unter Zuwanderern. Die gibt es aber eben überall. Wieso ist es notwendig, es explizit unter der Note der Zuwanderung anzusprechen? Weil man insgeheim annimmt, das Problem sei unter Zuwanderern akuter. Und das ist, so leid mir es tut, rassistisch. Da kann man drehen und wenden wie man will.
Natürlich ist es nicht das gleiche, wie wenn jemand Inder zusammenschlägt, weil sie Inder sind. Das hat mit Undifferenziertheit nichts zu tun. Es ist einer eine extremere Form von Rassismus, die letztlich aber die gleichen Ursprünge hat, wie die leichte Form. Sich selbst einzureden, man sei kein Rassist und jede Kritik an seinem eigenen, persönlichen Rassismus sei undifferenzierter Müll ist unreflektiertes Verhalten, welches die Auswüchse von Rassismus begünstigen.
Wenn man jemanden aufgrund seines rassistischen Verhaltens kritisiert und dann gleich zur Nazikeule greift, dann ist das undifferenziert, das stimmt. Es wird den Gräueltaten der NS-Verbrecher in keinster Weise gerecht. Aber wenn das geschieht, wenn es nicht aus 2-dimensionalen Schwarz-Weiß-Kampfdenken heraus geschieht, dann, weil die Übergänge so fließend sind. Man sollte sich nicht scheuen, Vergleiche mit der NS-Zeit zu ziehen, weil die NS-Zeit nichts von oben herab war. Sie entsprach dem damaligen Zeitgeist. Sie war ein voll und ganz menschliches Phänomen. Sie kann wiederkommen.