Und hier der Volltext des LTO-Artikels (Link zur Quelle im Eintrag von 17.17).
Spoiler
Reich oder Rechtsschutz?
Reichsbürgergruppe wehrt sich vor dem (echten) Bundesverwaltungsgericht
von Simon Gauseweg 03.07.2025
Gegen das Verbot des "Königreich Deutschland" wird nun beim BVerwG geklagt – vor einem Gericht des Staates, den "Reichsbürger"-Anhänger abschaffen wollen. Ein Widerspruch? Simon Gauseweg erklärt die szenetypische Strategie des Hütchenspielens.
In Berichten über sie darf er nicht fehlen: Der Satz, dass Reichsbürger weder die Bundesrepublik Deutschland anerkennen, noch ihre Organe, erst recht nicht ihre Gerichte. Vor diesem Hintergrund mag es erst einmal verwundern, dass gegen das Verbot des Phantasiestaates "Königreich Deutschland" (KRD) nun Klage ausgerechnet vor dem (echten) Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erhoben wurde (Az. 6 A 5.25). Damit will die Gruppierung sich gegen die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) im Mai erlassene Verbotsverfügung der "größten Vereinigung der sogenannten Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene in Deutschland" wehren.
Mehr noch: Den Vorsitzenden der rechtsextremen Kleinpartei "Freie Sachsen" Martin Kohlmann, der die Klage vertritt, darf man wohl einen "Szeneanwalt" nennen. Seine Anwaltszulassung aber ist echt – vergeben von einer Rechtsanwaltskammer, immerhin einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Einer Stelle, die der Staat mit Staatsaufgaben beauftragt hat.
Was auf den ersten Blick lächerlich inkonsequent klingt, ist Teil eines Verwirrspiels, auf dem einige sogenannte "Reichsbürger" – so auch Peter Fitzek mit seinem "Königreich Deutschland"" – ihre Geschäftsmodelle aufbauen.
"Reichsbürger" und (echte) Gerichte: Ein zwiespältiges Verhältnis
Die Beziehung zwischen "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" und den realen Gerichten der Bundesrepublik Deutschland ist schwierig. Für nicht wenige Souveränisten, wie man die durchaus heterogene Strömung aus dem rechtsextremen Spektrum treffender bezeichnet, ist die Ablehnung bestimmter gerichtlicher Entscheidungen Ursprung und Kern ihrer Abkehr vom deutschen Staat. Ob Souveränisten dann als "Reichsbürger" oder "Selbstverwalter" in Erscheinung treten, bemisst sich danach, ob sie sich mit ihrer eigenen Weltsicht auf ein historisches (oder imaginiertes) Deutsches Reich beziehen ("Reichsbürger") oder ihre "Alternative" zum Staat anders begründen wollen ("Selbstverwalter").
Gemeinsames Merkmal vieler Biographien von Souveränisten ist ein tiefgreifender Bruch im privaten, beruflichen oder sozialen Leben. Dazu gesellen sich häufig justizielle Schwierigkeiten. Ob Räumungsklage, Sorgerechtsstreit, Bußgeld, strafrechtliche Verurteilung oder (Steuer-)Schulden – Souveränisten sehen sich häufig mit gerichtlichen Entscheidungen konfrontiert, die sie als zutiefst ungerecht empfinden. So ungerecht, dass nur die Abkehr vom Staat und seinen Institutionen und die Flucht in eine (juristische) Phantasiewelt das empfundene Unrecht "korrigieren" bzw. erträglich erscheinen lassen können.
Gleichzeitig greifen Souveränisten durchaus häufig auf Gerichte (und Verwaltungen) zurück. Einerseits, weil der verhasste Staat diese Möglichkeit des Rechtsschutzes bietet. Andererseits, weil sie sich Leistungen erhoffen. Mag man die Steuerpflicht noch unter Verweis auf die vermeintliche Nichtexistenz des Staates vehement bestritten haben – Geld stinkt auch dann nicht, wenn es aus der Staatskasse stammt. Der Souveränist mittlerer Art und Güte nimmt es gern. Und wenn er es nicht bekommt, dann klagt er vor einem Gericht, das er selbst nicht anerkennen mag, dessen Urteil das verhasste Gegenüber Staat aber akzeptieren wird.
Im Fall der "Vielschreiber" kann das durchaus zu einer Art Sport werden und Verwaltungen und Justiz belasten. Neben die monetäre Motivation tritt in solchen Fällen auch die Erkenntnis, dass ein aus der Perspektive des Gegenübers gültiges Argument diesem besonders einleuchtet. Nicht wenige dürften so versuchen, die Behörden und Gerichte tatsächlich von der Richtigkeit ihres Vorbringens zu überzeugen.
Genauso wie man Souveränisten also entgegenrufen kann: "Nach Deiner eigenen Argumentation, nach der es den Staat nicht gäbe, dürftest Du seine Institutionen nicht benutzen!", genauso will der Souveränist entgegnen: "Selbst nach Deinen eigenen Regeln musst Du meine Forderungen anerkennen!" Mit anderen Worten: Das Vertreten von wirren Theorien um die angebliche Nichtexistenz Deutschlands hindert nicht, zu verstehen, wie ein Erst-Recht-Schluss funktioniert.
Das "Königreich Deutschland": argumentative Inkohärenz als Strategie
Im Fall von Peter Fitzek und seinem "Königreich Deutschland" kommt hinzu, dass er aus diesem scheinbaren Einlassen auf eine Position des Gegenübers eine Strategie gemacht hat. Es ist Teil seiner Masche, dass er sich stets scheinbar auf die Position seines Gegenübers einlässt, um von dort aus die Richtigkeit seiner eigenen, mit dieser Position unvereinbaren Ansicht zu behaupten.
Dass er damit regelmäßig zwei miteinander unvereinbare Behauptungen gleichzeitig als wahr vertritt, stört ihn keineswegs. Im Gegenteil dient ihm diese Inkohärenz der eigenen Argumentation als mächtige Waffe. Einerseits, da sie seine Gegner verwirrt. Andererseits kann er seinen Anhängern immer genau die Aussage bieten, die diese gerade hören wollen. Wer gleichzeitig zwei entgegengesetzte Positionen vertritt, kann am Ende des Tages immer behaupten, richtig gelegen zu haben. Diese unmögliche Dialektik des "sowohl als auch" hat Fitzek, der aus seinem bisherigen Leben vor allem Straftaten vorweisen kann, zur Perfektion gebracht.
Daran ist auch das letzte große Strafverfahren, das gegen ihn wegen seiner Umtriebe als "Milieumanager" der Souveränistenszene betrieben wurde, gescheitert. Fitzek hatte Gelder von der Allgemeinheit auf "Sparkonten" angenommen und damit nach Sicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau verbotene Bankgeschäfte getätigt.
Fitzek selbst hatte die "Kapitalüberlassungsverträge" AGB-rechtlich mindestens fragwürdig derart ausgestaltet, dass die unbedingte Rückzahlbarkeit der Gelder, eine Voraussetzung eines Einlagengeschäfts, nicht gegeben war. Hiervon wichen aber sowohl Werbung als auch Übung seiner "Königlichen Reichsbank" ab. Seine Machenschaften sollten also sowohl im Verhältnis zu seinen "Untertanen" Bankgeschäfte sein, als auch bankenaufsichtsrechtlich gerade keine Bankgeschäfte. Hier vermisste der Bundesgerichtshof (BGH) in der Revision tatsächliche Feststellungen des Landgerichts (LG) Dessau-Roßlau und hob eine empfindliche Verurteilung auf. Die Staatsanwaltschaft stellte daraufhin das Verfahren ein und entließ Fitzek aus der Untersuchungshaft.
Hütchenspielen vor Gericht
Zwar entspräche es also der souveränistischen Position, ein fiktives Reichsgericht oder – was wohl am Ehesten Fitzeks "Verfassung" entspräche, könnte man sie denn im Ansatz ernst nehmen – das Verbot schlicht durch "königliches Dekret" für nichtig zu erklären. Dass stattdessen Klage vor dem BVerwG erhoben wurde, fügt sich jedoch in Peter Fitzeks Hütchenspiel. Bereits im erwähnten Strafverfahren behauptete Fitzek sowohl, dass er es selbst provoziert habe, um die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen gerichtlich feststellen zu lassen, als auch, dass er als Oberhaupt eines der Bundesrepublik Deutschland fremden Staates völkerrechtliche Immunität genieße.
In einer Erklärung zu Prozessbeginn hatte er sich im Grandeur des Herrschers dazu herabgelassen, sowohl die Jurisdiktion des Landgerichts "freiwillig" zu akzeptieren, als auch in Bezug auf eine mögliche Strafe seine angebliche Immunität geltend gemacht. Die Verfahrenseinstellung hatte er schließlich sowohl zum Freispruch umgedeutet, als auch als Beweis für den Niedergang und das Systemunrecht des deutschen Staates propagiert.
Er wird wohl versuchen, mit diesem Hütchenspiel vom "sowohl als auch" in den anstehenden Prozessen in seiner eigenen Strafsache als auch im Verbotsverfahren vor dem BVerwG Verwirrung zu stiften. Ausgehend von bisherigen Äußerungen dürfte er behaupten, die Prozesse sollten sowohl seine Unschuld beweisen und "das System" entlarven, als auch Schauprozesse eben jenes "Systems" sein. Ganz, wie er es gerade benötigt und wem er es erzählt.
Am Ende: Wer hat sich auf wen einzulassen?
Doch wie nun umgehen mit einem Kläger, der einerseits behauptet, der Staat existiere nicht, andererseits aber vor den Gerichten eben jenes Staates Rechtsschutz sucht? Rechts blinken, links abbiegen – hierfür bietet das Fachlatein das venire contra factum proprium als altsprachliche Formel für widersprüchliches Vorverhalten. Der Gedanke an Rechtsmissbrauch und fehlendes Rechtsschutzbedürfnis liegt nicht eben fern.
Angesichts des Prinzips effektiven Rechtsschutzes, das in Deutschland nicht umsonst von Grundrechtsrang ist, ist das mindestens fragwürdig. Und auch die Behauptung, die Bundesrepublik existiere nicht, habe aber hilfsweise für den bestrittenen Fall ihrer Existenz gleichwohl vorliegend ihre Befugnisse überschritten, ist schlüssiges Klagevorbringen. Ein deutsches Gericht kann nicht urteilen, der Staat, auf den es seine Legitimität stützt, existiere nicht; das wäre in sich widersprüchlich. Lediglich deswegen aber reale Streitfragen zu ignorieren, hieße, sich auf das Niveau derjenigen herabzubegeben, die den Staat erst angreifen. Ihre "Argumentation" würde, nähme man sie ernst, aufgewertet. Souveränisten wollen in erster Linie: eine ganz besondere Behandlung.
Darauf sollte sich der Staat nicht einlassen, sondern, ganz im Sinne Justitias, blind für die Person und ihre sonstigen Ideen, Sachen entscheiden, die zulässig vorgebracht wurden. Denn am Ende muss sich eben doch der Kläger auf den (und im) Prozess einlassen, der ihn angestrengt hat und nicht der Staat auf Ideen, die nur ihn zu Fall bringen sollen. Immerhin sucht vergebens, wer in Deutschland ein Reich sucht. Rechtsschutz aber sollte jeder finden.