Die SZ widmet dem Peterle einen laangen Artikel.
Mit „psychologisches Problem“ ist vermutlich ein psychisches Problem gemeint, weil
Sind auch schöne Bilderchens drin.
Spoiler
„Es handelt sich nicht um harmlose Nostalgiker“, sagt der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstagmorgen vor Journalisten. Da sitzt „König“ Peter I. bereits in Haft, und in etlichen Wohnungen und Büroräumen landauf, landab sammeln Beamte noch Papiere ein, suchen nach Computern, packen Kisten, wickeln USB-Sticks in Plastiktüten. Es ist die erste Razzia, die Dobrindt als Minister angeordnet hat, jedenfalls indirekt, durch seine Unterschrift unter ein Vereinsverbot. Gegen den Verein „Königreich Deutschland“, inklusive seiner Untergruppen.
„Die Mitglieder dieser Vereinigung haben einen ‚Gegenstaat‘ in unserem Land geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut“, das ist die Botschaft, die der CSU-Mann am Dienstagmorgen setzt. Die Kampfansage soll niemand überhören. Die ideologische Abneigung auch nicht. Klare Kante, darum geht es jetzt. Die Mitglieder des „Königreichs Deutschland“ unterliefen die Rechtsordnung und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik, „das kann in unserem Rechtsstaat nicht geduldet werden“.
Die Kampfansage soll niemand überhören. Die ideologische Abneigung auch nicht
Die Razzia, das muss man dazu sagen, ist nicht Dobrindts Idee gewesen. Ein solches Vereinsverbot braucht Monate der Vorbereitung. Noch unter Alexander Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser von der SPD ist dafür das Fundament gelegt worden. Aber Dobrindt zeigt jetzt Entschlossenheit – und setzt dem jahrelangen Zögern und Zaudern der Sicherheitsbehörden im Umgang mit dem Reichsbürgermilieu zumindest symbolisch nun ein kraftvolles Ende.
Denn lang ist es so gewesen, dass man diese Rechten tatsächlich eher als „harmlose Nostalgiker“ behandelte, warum auch nicht, dachte auch mancher Sicherheitsfachmann. Und Leute wie Peter Fitzek taten gern das Ihre, um nicht mit Gewalt aufzufallen. Sondern eher mit Spleens, mit Extravaganzen nach Art einer Sekte, die sich indessen eher glanzlos im Industriegebiet traf.
Fitzek hat dieses Spiel 2012 begonnen, als er sein Reich in Sachsen-Anhalt gründete. Wer dem selbsternannten „König von Deutschland“ auf eines seiner Anwesen folgte, musste dort zunächst eine Grenzkontrolle passieren. Man musste also so tun, als würde man das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik verlassen, um in die Scheinwelt eines Mannes zu gelangen, in der ganz eigene Gesetze gelten sollten, eigene Währung, eigene Krankenkasse, eigenes Rentensystem. Das war die Idee:
Wer das Reich von Fitzek betrat, sollte einwilligen, dass er nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehe.
Für zehn Euro stellten seine „Beamten“ ein scheckkartengroßes „Tagesvisum“ aus, mit dem sich eine „temporäre Staatsangehörigkeit zum Königreich Deutschland“ erwerben ließ. Ein dünnes Stück Papier mit Stempel und einem religiös angehauchten Wappenspruch, der lautete, kein Witz: „Dein ist das Reich“. Das genügte, um sich bei einem der vielen Tage der offenen Tür umzusehen. Auf einem Fabrikhof am Rand von Wittenberg zum Beispiel, bis vor wenigen Jahren Fitzeks Zentrale. Ein Komplex aus heruntergekommenen, niedrigen Räumen hinter einem Rolltor aus Flecktarn, gleich neben dem Werksverkauf einer Fleisch- und Wurstwarenmanufaktur.
„Dein ist das Reich“: Hier empfing er Interessenten aus ganz Deutschland, bot ihnen Seminare zum Systemausstieg an und Reichsbürger-Merchandise. Für tausend Euro gab es seine „Reichsverfassung“ und Fitzeks Biografie. Es gab natürlich auch das rechte Compact-Magazin und Esoterik-Bücher zur richtigen Ernährung. Außerdem Naturkosmetik und Handtücher und Hemden mit dem Königreich-Logo. In einem Extraraum war auf Stellwänden die ausgedruckte Berichterstattung zu Fitzek zu lesen. Das Publikum: eine Mischung aus Querdenkern und Orientierungslosen auf der Suche nach Sinn und Gemeinschaft. Einige wenige junge Frauen mit Kind waren auch darunter. Aber vor allem Ältere.
Lang konnte Fitzek von Wittenberg aus auch seinen Bank- und Versicherungsgeschäften nachgehen, er lockte seine Anhänger vor allem mit dem Versprechen eines steuerfreien Wirtschaftssystems, inklusive Fantasiewährung. Mitten in der Fußgängerzone von Wittenberg betrieb er eine sogenannte Gemeinwohlkasse – natürlich nur für Angehörige seines Fantasiereichs, die dort Geld anlegen sollten. Mehrfach untersagte ihm die Aufsichtsbehörde Bafin das Betreiben dieser und ähnlicher Kassen, sperrte Konten und setzte Abwickler ein. Doch Fitzek machte immer weiter, wechselte Immobilien und, wenn nötig, auch mal das Bundesland.
Das Publikum: Querdenker und Orientierungslose auf der Suche nach Sinn und Gemeinschaft
Dabei hätten seine Opfer gewarnt sein können. Schon 2017 hatte ihn das Landgericht Halle wegen Untreue und unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Im Prozess dröselte die Staatsanwaltschaft seinerzeit auf, dass zwischen 2010 und 2013 knapp 500 Anleger insgesamt 2,4 Millionen Euro in Fitzeks System gezahlt hatten, das er damals noch Kooperationskasse nannte. Viele verloren beträchtliche Summen. Doch selbst unter denen wandten sich nicht alle von ihm ab.
Fitzek profitierte davon, dass der Bundesgerichtshof dieses Urteil 2018 aufhob, weil er das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften „nicht rechtsfehlerfrei belegt“ sah. Das Verfahren wurde schließlich im November 2018 auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt, weil die zu erwartende Strafe zu gering für einen neuen Prozess erschien. Das war eine entscheidende Niederlage für die Justiz, die Fitzek danach als eine Art Gütesiegel für sein Finanzgebaren zu nutzen wusste. Er stellte es fortan so dar, als habe der BGH entschieden, dass die Bafin gar nicht zuständig sei. „Die Schreiben dieser Organisation haben keinerlei Einfluss auf gemeinwohlorientierte Aktivitäten. Herzliche Grüße aus dem Gemeinwohlstaat“, ließ er der Süddeutschen Zeitung noch im Jahr 2022 ausrichten.
Diese profitorientierte Ausrichtung sieht das Bundesinnenministerium denn auch als „wesensprägend für das ‚Königreich Deutschland‘“ an. Die Seminare zum Systemausstieg, die unerlaubten Bank- und Versicherungsgeschäfte, die Anhänger, die Fitzek den Kauf oder die Pacht von Grundstücken ermöglichten – am Ende ging es dem 59-Jährigen immer auch um Geld. Mit dem Verbot wird nun auch das Vereinsvermögen beschlagnahmt, „um sicherzustellen, dass keine weiteren finanziellen Mittel für extremistische Zwecke genutzt werden können“, sagt das Bundesinnenministerium.
Fitzek hatte die Finanzgeschäfte vor ein paar Jahren dafür genutzt, um von Wittenberg aus zu expandieren und über Strohmänner Güter in Sachsen zu pachten. Das Landesamt für Verfassungsschutz warnte damals alle Kommunen und Landkreise eindringlich davor, Fitzek oder seinen Helfern Immobilien zu vermieten oder zu verkaufen. Das diene nur dem Ziel, pseudostaatliche Parallelstrukturen in Form sektenähnlicher Siedlungsgemeinschaften aufzubauen.
Verhindern konnten die Verfassungsschützer die Expansion zunächst trotzdem nicht. Doch die Behörden setzten Fitzek immer weiter zu, zwei Immobilien im Erzgebirge und bei Görlitz wurden schon vor längerer Zeit versiegelt, auch am letzten Standort in Halsbrücke gab es immer wieder Ärger und Kontrollen. Dabei sollte Halsbrücke nach Fitzeks Plänen ein „Erlebnis- und Veranstaltungs-Bauernhof“ auf 120 Hektar werden. Eigenwerbung: „das große Selbstversorgungs- und Autarkie-Projekt mit Erlebnis-Gastronomie und Hof-Kaffee“. Doch zuletzt musste er die Produktion von Käse einstellen und Rinder verkaufen. Die Kontrolle durch staatliche Behörden stellte der 59-Jährige immer als politische Verfolgung dar.
Genau wie seine jüngste Verurteilung zu einer Haftstrafe wegen Körperverletzung und Beleidigung, die erst im März rechtskräftig wurde. Er hatte 2022 eine Mitarbeiterin des Landratsamts Wittenberg im Streit gegen eine Wand gestoßen und getreten und zwei Bundeswehrsoldaten, die der Frau zu Hilfe kamen, als „Faschistenschweine“ beschimpft. Das ließ die Behörden noch mal auf ganz neue Weise aufhorchen.
Der Verfassungsschutz wiegelte lang ab. Und wusste nur wenig über das bizarre Milieu
Dass der Kontakt mit Reichsbürgern im Zweifelsfall auch tödlich enden kann, zeigte sich schon 2016. Da erschoss im fränkischen Georgensgmünd ein 49 Jahre alter Mann, der über seinem Grundstück eine selbstgestaltete Flagge mit altertümlichem Wappen gehisst hatte, einen Polizisten, der ihm die Waffen abnehmen sollte. Politiker waren damals verblüfft, dass der Verfassungsschutz ihnen kaum etwas sagen konnten über dieses so bizarre Milieu. Der Grund: Man hatte gar nicht hingeschaut.
Viele der Verfassungsschutz-Agenten, vorneweg der Bundesamt-Chef Hans-Georg Maaßen, der einst von CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich ernannt worden war, hatten auch danach noch wenig Lust, dieses Milieu ins Visier zu nehmen. Sie wiegelten auch in der Öffentlichkeit ab. Wenn jemand glauben möchte, dass Echsenmenschen die Welt regieren oder dass die Alliierten des Zweiten Weltkriegs weiterhin am Drücker sind hierzulande, oder dass das Deutsche Reich von 1871 fortbesteht oder die Bundesrepublik eine bloße Sinnestäuschung ist ... dann sei das grundsätzlich erlaubt.
Wie soll man das überhaupt nennen, rechtsradikal, rechtsextrem oder einfach nur esoterisch? Darüber konnten die Verfassungsschützer lange Zeit keine gemeinsame Linie finden, selbst als ihnen schon klar war, wer in diesem Verschwörungsdenken, das auch im „Königreich Deutschland“ die Geschäftsgrundlage bildete, diejenigen waren, von denen angeblich alles Böse ausging: die Fremden.
Das heißt, Ausländer. Aber nicht nur die.
Die Bundesregierung bestand letztlich darauf, dass der Verfassungsschutz den Auftrag übernimmt, von 2017 an mussten die Verfassungsschützer dieses Milieu unter der Kategorie Rechtsextremismus mit aufführen, auch wenn viele weiter eher von einem ausgingen. So erzählten es Beamte im Gespräch: Das seien meist arme Teufel, die sich in selbstgebaute Luftschlösser flüchteten, Menschen – meist Männer –, die von der Realität überfordert seien, von Mahnbescheiden, Unterhaltszahlungen.
„Je mehr Arbeitslose es in einer Region gibt, desto mehr Könige“, so fasste es ein Nachrichtendienstler damals zusammen. Mit anderen Worten, wer sich im echten Leben erniedrigt fühle, der suche halt zumindest in Gedanken Glanz und Größe.
Dass es aber kaum nur um Fantasie und Rollenspiele geht, sondern um ein Milieu, das sich zunehmend aggressiv zeigt, auch zunehmend bewaffnet, um aus seiner vermeintlichen Opferrolle ausbrechen und endlich zur Gegenwehr ansetzen zu können – das ist dann spätestens in den Corona-Jahren unübersehbar geworden. Fantasieflaggen der diversen Königreiche und Kaiserreiche wehten da auf Demonstrationen an der Seite von Neonazis, auch beim Versuch eines gewaltsamen Sturms auf den Reichstag, an einem Samstag im August 2020. Das war ein Ereignis, das die Sicherheitsbehörden unvorbereitet traf.
Da wurden sogar schon Ministerposten in der künftigen Regierung verteilt
Im Sommer 2022 dann führte eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD, Birgit Malsack-Winkemann, einige ihrer Bekanntschaften aus dieser Szene durch das Berliner Regierungsviertel, es war eine Reisegruppe aus sechs Leuten. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft war da schon klar: Gemeinsam mit Dutzenden anderen verfolgte sie den Plan, gewaltsam die Regierung zu stürzen. Sogar die Ministerposten in der künftigen Regierung, genannt „Rat“, wurden schon verteilt, alles in einem eigentümlich altdeutschen Duktus.
Seit dem vergangenen Jahr laufen an drei Gerichten Prozesse gegen 26 Angeklagte dieser Gruppe, in deren Zentrum der Frankfurter Heinrich XIII. Prinz Reuß steht, der seine Besitztümer im Jahr 2020 für „selbständig“ erklärt hat, also selbständig von der Bundesrepublik; außerdem eine Hausärztin, ein Koch, ein Sänger, einige verkrachte alte Bundeswehrleute. Menschen, die an Horoskope glauben und daran, dass unter der Erdoberfläche Kinder in Verliesen gefangen gehalten werden. Menschen, die aber auch in abgehörten Telefonaten besprochen haben sollen, man müsse Politiker von SPD und Union „an die Wand stellen“. Das „Zionistenpack“ des „Judenstaates“ Bundesrepublik werde bald verschwunden sein. Homosexuelle müssten „endlich vernichtet“ werden. Und: „Wer nicht deutsch ist, kommt weg.“
Als die Behörden die Gruppe Reuß festsetzten – bei einer großen, bundesweiten Razzia im Dezember 2022, noch größer als jetzt der Schlag gegen das „Königreich Deutschland“ –, schoss ein Reichsbürger in Reutlingen mit einer großkalibrigen Waffe auf die Beamten des Spezialeinsatzkommandos, das ihn aus der Wohnung holen wollte, und verletzte einen Beamten am Unterarm, bevor er sich ergab. Dass es an dem Tag keine Toten gab, war pures Glück.
Solche Gewalt hat dem „Königreich Deutschland“ noch niemand vorgeworfen, bei „König“ Peter I. sind dem Vernehmen nach bei der Razzia am Dienstag auch keine Waffenlager gefunden worden, Putschpläne schon gar nicht. Dass sich die neue, harte Linie der Sicherheitsbehörden jetzt aber auch gegen das Finanzgebaren, das Sektenhafte, das Verschwörungserzählerische dieses Milieus richtet, zeigt, wie sehr sich die Haltung des Staates verschärft hat. Das ist die Ansage, die nun von Alexander Dobrindt ausgeht. Die Zeit des Zusehens ist vorbei.
Was allerdings, Stand Dienstagnachmittag, noch nicht gelungen ist: auch die Website des „Königreichs“ offline zu nehmen. Noch immer kann man dort mit einem Formular um die Staatszugehörigkeit nachsuchen, Seminare buchen oder sich auf Stellenausschreibungen bewerben. Aktuell werden unter der Rubrik Führungskräfte unter anderem gesucht: Expansionsmanager, Bereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit und Bereichsleiter Bank- und Finanzwesen.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurde Heinrich VIII. Prinz Reuß genannt. Das trifft nicht zu. Richtig ist, dass es sich um Heinrich XIII. Prinz Reuß handelt. Die Textstelle wurde korrigiert.
Text: Iris Mayer, Ronen Steinke; Digitales Storytelling: Karin Steinberger; Bildredaktion: Mark Siaulys Pfeiffer; Schlussredaktion: Florian Kaindl
Aber ich krieg das schon noch raus mit dem Kalifat ...