Reichsbürger scheinen aktuell ja in den Fokus zu rücken. Nicht nur der Behörden, auch die Presse berichtet mehr. Heute in der Tagesschau ein Bericht über die Kinder im Reichsbürgermilieu und speziell im KRD.
(das Transkript steht unten im Spoiler).
Transkript des 11km Podcasts
In Deutschland leben Kinder, die es offiziell gar nicht gibt. Reichsbürger lehnen den Staat und die demokratische Gesellschaft ab. Stattdessen leben sie mit teils kruden Verschwörungserzählungen in einer Parallelwelt und ihre Kinder mit ihnen. Wächst da gerade möglicherweise eine nächste Generation heran? Die BR Journalistin Eva Achänger hat es geschafft, einen tiefen Einblick in die Szene zu bekommen.
Sie hat Reichsbürger Eltern getroffen, die alles dafür tun, ihr Kind von staatlichen Einrichtungen fernzuhalten. Ihr hört, elf KM, der Tagesschau Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Mein Name ist Victoria Kogmann. Heute ist Mittwoch, der zweite Oktober.
Hallo Eva. Hallo. Wir sind in einem kleinen Dorf in Thüringen. Das ist sehr, sehr beschaulich, eine Hauptstraße, schlängelt sich durch links und rechts einfache Häuser und eines dieser Häuser, ein Fachwerkhaus, das schon recht runtergekommen ist mit 'nem großen Garten. Grüß Gott, hallo.
Da haben wir das Mädchen Lena getroffen. Die ist acht Jahre alt und hat uns aus ihrem Freunde Tagebuch, wie sie das nennt, vorgelesen. Die Geschichte, ich fahre ganz Fahrrad. Soll ich dir 'n bisschen nennen? Nein.
Sie heißt eigentlich anders. Wir nennen sie jetzt Lena, sie zu schützen. Ganz gut. Ich glaube, ich brauche noch mal kurz, weil ich hab Ja, länger, ja. Ich war ja schon seit 'n paar Tagen nicht dran.
Ich weiß nicht, warum das besser ist, es in eine Zeile alles zu schreiben, also Und so die Geschichte. Ich spare der Tacho. Lena hat Schwierigkeiten mit dem Lesen, höchstwahrscheinlich auch mit dem Rechnen und dem Schreiben. Das ganz cool. Ich glaube, ich brauche noch mal kurz.
Das liegt daran, dass Lena nicht in die Schule geht und auch noch nie in die Schule gegangen ist. Deswegen liest sie jetzt nicht flüssig und weil das ist Ihre Eltern lehnen diesen Weg für sie ab. Die fühlen sich dem Königreich Deutschland zugehörig. Das ist eine relativ große Reichsbürgerbewegung in Deutschland und lehnen damit auch das staatliche Schulsystem ab. Sie kann lesen, sie kann schreiben, sie kann auch rechnen, aber nicht so wie wie 'n Schulkind.
Ja, das sogenannte Königreich Deutschland, das ist eine relativ große Reichsbürgerbewegung in Deutschland, die die Bundesrepublik und ihre Rechtsordnung ablehnt und das begründet mit teils kruden Verschwörungserzählungen. Und vereinfacht, kann man sagen, geht damit eben einher, dass die Eltern eigentlich alle staatlichen Einrichtungen ablehnen. Mhm. Also alles, was die Bundesrepublik Deutschland so zu bieten hat, alle Gesetze, Einrichtungen, Institutionen werden von den Eltern radikal abgelehnt und somit eben auch die Schule. Also das Königreich Deutschland, so wie wir es verstanden haben und wie sie auch ihre Ideologie präsentieren im Internet und auf ihren Webseiten, das ist vor allem eben der Versuch, ein eine Art Staat im Staat zu schaffen.
Und der Verfassungsschutz nennt es eigentlich eine Art Fantasiestaat. Das Königreich Deutschland distanziert sich von Gewalt, also da spielt Gewalt jetzt keine große Rolle im Vergleich zum Beispiel, davon hatten wir vielleicht auch schon mal gehört, der Reichsbürgergruppe Prinz Reuss zum Beispiel, die einen bewaffneten Umsturz mutmaßlich auf den Bundestag geplant haben. Ja, dazu haben wir übrigens auch eine Folge bei FKM gemacht. Können wir in die Shownotes legen. Und die Eltern von Lena, die sind da schon seit vielen Jahren tief drin und sind davon auch sehr überzeugt.
Und spannend war natürlich dann die Frage, was bedeutet das für 'n Kind, in dieser Szene aufzuwachsen? Ich weißte, warum das besser ist, es in eine Kleider zu schreiben. Also Lena hat für ihre acht Jahre eine ziemlich geringe Lesekompetenz. Das Lesen haben ihre Eltern ihr mehr schlecht als recht zu Hause beigebracht. Sie war nicht im Kindergarten und sie hat noch keine Schule besucht.
Dabei gilt auch in Deutschland die Schulpflicht. Wie kann so was sein? Also bei Lena ging das so lange, weil sie im Prinzip über Jahre offiziell gar nicht existiert hat. Lena ist sozusagen per Hausgeburt auf die Welt gekommen, was ja an sich jetzt noch gar nichts Ungewöhnliches ist. Also in dem Fall haben sie sich auch dafür entschieden, auf jegliche medizinische Hilfe zu verzichten.
Also es war keine Hebamme dabei, sie war in keiner Klinik angemeldet und so weiter. Also die Mutter hat uns erzählt, sie hatte da ein großes Vertrauen, dass das schon gut gehen wird. Es gab auch keine Voruntersuchungen, also die hat nie während der ganzen Schwangerschaft eine einzige Untersuchung oder Vorsorgeuntersuchung gemacht. Und dann kam Lena eben auf die Welt in diesem Fachwerkhaus in Thüringen und es gab sozusagen keine Zeugen. Die Eltern haben dann auch gleich entschieden, na ja, wir wollen ja, dass unsere Tochter frei ist und nicht Teil dieses Systems wird, also haben sie für Lena auch gar keine Geburtsurkunde beantragt und haben sie im Prinzip nicht gemeldet.
Und das ist was, was eigentlich alle Eltern binnen einer Woche machen, dass sie das Kind melden und dann bekommt 'n Kind eine Geburtsurkunde, damit es offiziell existiert. Dieses Kind hat also keine Papiere und wenn man nirgendwo gemeldet ist, dann bringt das ja einiges mit sich, ne. Also zum Beispiel, man kann nicht richtig zum Arzt. Man hat keine Krankenversicherung. Ja.
Also im Prinzip sind wir da jetzt ja auch schon bei dem Thema Kindeswohlgefährdung. Also da geht's natürlich auch die Frage, wenn Kinder so abgeschottet aufwachsen und eben so früh indoktriniert werden, dann macht es ja was mit denen. Die können sich nicht frei entfalten und jeder Mensch hat 'n Recht auf eine freie Persönlichkeitsentwicklung. Das ist eine sehr radikale Einstellung, sie von allem fernzuhalten und sie so unsichtbar zu halten. Was sagen Lenas Eltern dazu, dass die das machen?
Die halten das für den richtigen Weg. Wir hatten uns mit vielen Dingen dann schon beschäftigt, was da hier so alles auch so im Hintergrund läuft und was man eigentlich mit dieser Also im Prinzip kam's uns im Interview so vor, als hätten Sie das Gefühl, Sie haben sozusagen so die die Wahrheit gefunden. Sie Sie gehen den richtigen Weg, damit dieses Mädchen frei leben kann. Wir wollten eigentlich auch einfach mal hiermit sehen, was denn so aus so Menschlein rauskommt, wenn's nicht so geprägt wird. Also nicht so von der Gesellschaft ganz so doll geprägt wird, sagen wir's mal so.
Also das, was die Mutter da sagt, da waren meine Kollegin Christiane Hawaiennek und ich, wir waren wirklich, also ganz kurz, sprachlos, Mhm. Weil das ja irgendwie auch sonen Experimentcharakter hat. Ja, so klingt's, ne, wie 'n Experiment mit 'nem Menschen, wir gucken mal, was passiert. Ja. Ja.
Und wir haben dann auch gefragt, ja, wo geht es hin? Also woher bekommt Lena sozusagen ihren Input? Und dann haben die Eltern so gesagt, ja, manchmal kommt jemand vorbei, da kann die Person vielleicht besonders gut stricken, dann kann Lena da was lernen oder es kommt jemand vorbei, der sich besonders gut auskennt mit Brotbacken. Also das waren so Dinge, wo wir uns auch dachten, ja, das ist ja alles schön und gut, aber Das sind mehr so Alltagssachen, die können andere Kinder auch, die zur Schule gehen, ne. Es ist jetzt weniger eine Alternative als einfach nur 'n sehr kleiner Teil.
Genau und das Problem geht weit über verpasste Schulstunden hinaus, weil Lena ja gar keinen Kontakt zu gleichaltrigen Kindern hat. Das hat sie uns auch bestätigt. Sie hat uns ja dieses Ringbuch gezeigt, aus dem sie vorgelesen hat. Ja. Und da war die Rede von ihren Freunden.
Lady. Haben wir denn mal jetzt? Diesel. Und dann hat sie uns die Namen eben auch vorgelesen und das sind alles Hunde. Du hast das.
Also Lena verbringt den Vormittag vor allem damit, dass sie durchs Dorf tingelt und mit den Hunden Gassi geht von den Anwohner und Anwohnerinnen. Weil die Kinder, die schulpflichtig sind, die sind natürlich alle in der Schule und andere im Kindergarten. Aber wenn da ein Mädchen in dem Alter so allein durchs Dorf läuft, wie lange kann sowas nicht auffallen? Also bei Lena hat's fünf Jahre geklappt und da hat die Mutter auch so gesagt im Interview, ja, das ist so fünf Jahre gut gegangen. Das hat niemand gemerkt und es hat auch niemanden interessiert.
Und dann war es wohl so, dass Nachbarn 'n Anruf beim Jugendamt gemacht haben und auf Lena aufmerksam gemacht haben, dass die ja doch vielleicht schon im schulpflichtigen Alter ist und dass man da doch mal gucken sollte, was mit dem Kind so ist und wie die aufwächst. Mhm. Und was ist dann passiert? Das Jugendamt kam. Und dann ging's halt los mit den Verfahren.
Es gab dann ein Verfahren eben wegen der fehlenden Geburtsurkunde und weil die Meldepflicht verletzt worden ist und zusätzlich gibt's jetzt noch 'n Verfahren wegen der Schulpflichtverweigerung. Also die Eltern sind ihren Pflichten hier nicht nachgekommen. Welche Verantwortung tragen denn hier die Behörden? Ein voranes Jugendamt? Das ist nicht so einfach zu beantworten.
Die Behörden, mit denen wir Kontakt hatten, sind teilweise recht ratlos, weil im Prinzip, sie haben keinen Kontakt mit den Kindern und der Verfassungsschutz, der ja eigentlich die Szene beobachtet oder Teile der Szene, ist auch überhaupt nicht für Kinder verantwortlich und für Kindeswohl. Also es ist 'n bisschen wie son Vakuum, wo niemand so richtig die Verantwortung trägt beziehungsweise sie niemand so richtig tragen kann. Und ich denke, am Ende des Tages ist es dann vielleicht so wie bei Lena total wichtig, dass die Nachbarn und Nachbarinnen aufmerksam sind, dass das soziale Umfeld aufmerksam ist und einfach Meldung macht. Mich hat es total überrascht, dass es möglich ist, über mehrere Jahre die Existenz von 'nem Kind zu verheimlichen in Deutschland und das so zu isolieren. Aber es ist ganz offensichtlich möglich.
Wie viele Kinder betrifft so was? Das war eine der größten Herausforderungen, die wir hatten, das rauszufinden. Also die Reichsbürgerszene, das sind laut Verfassungsschutz so ungefähr dreiundzwanzigtausend Menschen. Mhm. Und da sind natürlich eben auch Familien dabei.
Aber genau zu beziffern, wie viele Kinder in dieser Szene leben und so radikal, sag ich mal, aus dem System genommen werden wie Lena, ist total schwierig. Das heißt, wir haben natürlich alle Verfassungsschutzämter der Länder angefragt und da kamen dann auch immer wieder Hinweise, ja, wir wissen von Reichsbürger Familienthematiken und dass Kinder nicht in die Schule gehen und auch vereinzelt keine Geburtsurkunden haben, aber die haben alle von Einzelfällen gesprochen. Und die andere Herausforderung ist, dass Familiensachen, also falls überhaupt irgendwas zum Familiengericht kommt und beim Jugendamt angezeigt wird, immer nicht öffentlich sind. Das heißt, wir konnten auch Lenas Akten nicht einsehen. Mhm.
Das ist auch aus gutem Grund so, die Kinder eben zu schützen. Wir haben dann ein langes Interview mit 'nem Extremismusexperten aus Thüringen geführt, Felix Steiner heißt der, der sich sehr gut mit der Reichsbürgerszene auskennt und auch beobachtet, wie die sich verändert. Und er hat gesagt, er kann nur Kohle schätzen, aber es können fünfzig Kinder sein, es können aber auch fünfhundert Kinder sein. Jetzt kann man sagen, natürlich ist es ja trotzdem nicht so viel, aber jeder Einzelfall ist natürlich total heftig, weil jedes einzelne dieser Kinder ist so massiv betroffen, dass im Prinzip ja jedes Kind schon eins zu viel ist. Also das hat uns auch der Verfassungsschutzpräsident von Thüringen gesagt, der hat gesagt, also für ihn ist jedes einzelne Kind 'n Problem.
Es gibt also Kinder, die leben in Reichsbürgerfamilien und weder das Jugendamt noch Schule sollen davon wissen oder die Kommune, also der Staat. Und die Eltern, die sie verstecken, die tun ja einiges dafür, dass das so bleibt. Wie seid ihr denn dann darauf gestoßen und vor allem, wie habt ihr rausgefunden, dass es so Fälle gibt wie den von Lena und ihren Reichsbürgereltern? Ja, wir wollten natürlich mehr darüber wissen, wie da argumentiert wird. CMAS ist das Zentrum für Monitoring und Analyse und die schauen sich vor allem, sag ich mal, problematische Bewegungen in sozialen Netzwerken an und da gehört auch die Reichsbürgerbewegung dazu.
Und die haben uns eine lange Excel Tabelle gegeben Mhm. Mit Kanälen und Gruppen, die wir uns genauer angucken können. Und da haben wir zum Beispiel auch mal den Begriff Hausgeburt durchgejagt und geschaut, was kommt da raus? Und das war tatsächlich sehr, sehr spannend. Ich hab dir das mal mitgebracht, Mhm.
Was da so gepostet wird. Ah, das ist 'n Dokument. Hier ist zum Beispiel ein Post von einem Kanal mit immerhin über neunzigtausend Abonnenten und Abonnentinnen. Mhm. Der Post wurde über fünfzigtausend Mal geteilt.
Da geht's eben auch die Hausgeburt und den Handel mit der Geburtsurkunde. Ich les mal vor, der Gag hier ist, dass keine Geburtsurkunde ausgestellt und damit kein Kollateralkonto eingerichtet werden kann. Damit ist das Kind nicht im System. Schulpflicht besteht nur für Systemlinge. Es ist ein freier Mensch.
Durch die Geburtsurkunde geben Papa und Mama ihre Rechte ab. Wenn Geburtsurkunde erzeugt werden, dann sind sie nur noch Erziehungsberechtigte. Das Kind gehört dem sogenannten Staat. Also das ist ja wild. Das ist also 'n Text, den jemand geschrieben hat und das wurde, hier steht dreiundfünfzigtausend Mal geteilt.
Das finde ich eine hohe Zahl dafür, was hier behauptet wird. Das muss man, glaube ich, an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen, das ist totaler Quatsch, ne. Also wenn ein Kind eine Geburtsurkunde hat, dann geben Nicht Eltern ihre Rechte ab und dann gehört das Kind nicht dem Staat. Also es ist ja totaler Unsinn. Es ist totaler Unsinn, aber es passt natürlich perfekt in dieses Weltbild.
Der Staat ist böse, die staatlichen Einrichtungen sind böse und unsere Kinder sollen bitte möglichst weit weg davon aufwachsen und geboren werden. Und das ist auch das, was uns total beeindruckt hat, dass wir gesehen haben, da wird richtig dafür geworben. Also für son Kind wie Lena wird geworben. Die ist da 'n Vorbild in der Szene. Ja, es ist dann auch die Rede an 'nem anderen Post zum Beispiel davon, dass Kinderkrippen und Kindergärten Kinderkonzentrationslager sind.
Also das ist schon eine heftige Rhetorik und wir haben uns da also wirklich über dreihundertsiebzig Kanäle genauer angeschaut. Mhm. Was ich total spannend fand, war zum Beispiel auch eine Hebamme. Die hab ich mir ganz genau angeguckt. Die ist sehr aktiv auf Telegram und bietet weltweit Hausgeburten an und so in ihrer Timeline sind Sachen, die haben mich eigentlich total angesprochen, so guter Kaffee, leckeres Bananenbrot, Baby in der Trage, war alles irgendwie sympathisch, schöne pastellige Fotos.
Also es war irgendwie so so heile Welt und das war so im Vordergrund spielte eben so dieses Thema Geburt und Kinder und dann hat man so genauer ihre Timeline durchleuchtet, auch mal geschaut, was teilt sie eigentlich so und da kamen dann so im zweiten Schritt die extremistischen Botschaften. Mhm. Also so ein Pamplee, siebenundsiebzig Seiten über das Deutsche Reich, das weiter existiert oder dann eben ganz krasse so Antifarma Texte und so weiter. Und das fand ich auch voll interessant, weil ich mir dachte, aha, da wirst Du erst mal angesprochen, so über so 'n bisschen Leichtfüßigeres, Angenehmes Und dann so im zweiten Schritt kommt so dieses Reinziehen in die verschwörungsideologischen Ideen. Wir haben sie dann immer Verschwörungsinfluencerinnen genannt.
Ja. Wir hatten irgendwie vor der Recherche eher so meine Kollegin und ich, das Bild von 'nem, sag ich jetzt mal, Reichsbürger, eher so männlich, mittleren Alters, eben möglicherweise mit Waffenscheinen, was man eben so über die Szene hört und liest. Und während der Recherche haben wir gemerkt, die Szene verändert sich. Und das haben uns auch Experten und Expertinnen bestätigt, dass ganz gezielt immer mehr auch Frauen angesprochen werden, eben mit diesen Themen Gesundheit, Babys, Kinder, so vermeintlich unpolitische Themen, die hier aber son ganz krassen Spin kriegen. Es scheint eben so zu sein, dass die Szene das für sich sozusagen entdeckt, gezielt auch andere Menschen zu rekrutieren, in dem Fall eben auch Frauen und Familien.
Und natürlich, das hat uns der Verfassungsschutz auch erklärt, ist es natürlich so, dass man damit ja im Prinzip schon die nächste Generation heranzzüchtet, wenn ich das jetzt mal so krass ausdrücken darf. Das kennt man auch schon aus der rechtsextremen Szene, dass die Kinder eben sehr abgeschottet in dieser ideologischen Welt leben. Aber bei den Reichsbürgerkindern nenne ich sie jetzt mal, ist es noch extremer, weil sie ja, wenn es so läuft wie bei Lena, gar keine Berührungspunkte mit der demokratisch freiheitlichen Gesellschaft haben. Ja. Von allem kennt sie ja nur das, was ihre Eltern glauben und woran ihre Eltern glauben.
Aber gerade weil sie in soner eigenen Welt lebt, noch mal die Frage, sie hat ja ganz wenig Berührungspunkte mit dem Leben außerhalb ihrer Familie. Wie seid ihr denn dann am Ende auf Lena und ihre Eltern, die Reichsbürger, gekommen? Also reingekommen sind wir in die Welt von Lena, weil wir in diesen Posts einen Link entdeckt haben. Und da ging's die Familie von Lena und dass sie eben so besonders sozusagen aufwächst. Und dann haben wir in einer relativ aufwendigen Recherche auch rausgefunden, wo diese Familie mutmaßlich lebt.
Dann haben wir sie auch erst mal angemeldet über eine E-Mail-Adresse im Königreich Deutschland, da kamen dann aber auf unsere Interviewanfrage nichts zurück und dann haben wir halt irgendwann entschieden, okay, wir müssen da hinfahren. Die standen im Prinzip wie so Orgelpfeifen in der Einfahrt und also Vater, Mutter und Lena und haben auch gleich geschrien, alles aus, alles aus, weil wir hatten unser Mikro in der Hand, ihm auch gleich zu zeigen, wir sind vom Bayerischen Rundfunk und da war das Misstrauen total groß, mit Journalistinnen zu sprechen, die auch noch von den Öffentlich rechtlichen sind, weil wir sind ja quasi auch in der Szene oft die Lügenpresse. Und im Prinzip war dann Lena die Türöffnerin, die hat dann irgendwann gesagt, nach 'nem langen Hin und Her, wollt ihr meine Schafe sehen? Und Christiane und ich dann so, ja klar. Und dann haben die Eltern irgendwie so, ja, genickt und dann sind wir mit dem der Lena hinterher in den Garten.
Wir haben ja vorhin auch schon mal die Eltern gehört, also die haben dann doch auch direkt mit euch gesprochen. Was haben die euch erzählt? Die waren jetzt nicht so feindlich in ihrer Rhetorik. Mhm. Also die hatten nicht so auf der Agenda jetzt alles runterzumachen, sondern eher hervorzuheben, was sie machen, welchen Weg sie gehen und dass der gut ist.
Ja. Aber was zum Beispiel schon bemerkenswert war, war, als wir halt dann eben auf das Thema Jugendamt auch zu sprechen kamen. Die Lena war ja die ganze Zeit dabei, die hat die ganze Zeit zugehört, die lag irgendwann neben uns im Gras. Na ja, es es ist son Entwicklungsweg einfach, wenn man sich so verändert auch und auch son anderen Weg einschlägt, dann kann man das, das passt einfach nicht mehr. Es sind so alte Dinge, wo ich sag, das ist völlig überholt.
Wir waren gute zwei Stunden mit den Eltern im Gespräch und im Prinzip ist der Stand ja jetzt der, dass das Jugendamt jederzeit auch kommen kann und Lena 'n Obhut nehmen kann, weil dieses Verfahren der Schulpflichtverweigerung jetzt halt schon eine ganz schöne Weile geht. Ja, mittlerweile ist ja bekannt, dass es sie gibt. Genau. Und sie ist ja im Prinzip jetzt auch schon seit zwei Jahren schulpflichtig. Und die Eltern haben dann auch gesagt, dass sie ab und zu auch aus Deutschland verschwinden, weil sie eben Sorge haben, dass das Jugendamt kommt und Lena dann vielleicht woanders unterbringt.
Und dann haben wir sie so gefragt, wie es ihnen damit geht, mit diesem Risiko zu leben. Also wenn ich mir als Mutter eben vorstelle, ich nehme dieses Risiko in Kauf Dass dir dein Kind weggenommen wird. Das mein Kind mitgenommen wird. Also da kriege ich echt Gänsehaut. Mhm.
Ja. Und da haben die Eltern gesagt, die Mutter, die war immer sehr, sehr sanft so, die hat gesagt, ja, sie hat schon Momente des Zweifels so, aber sie glaubt eben an diesen Weg und daran, dass man im Königreich gut leben kann. Und der Vater hat dann den Begriff Risiko ganz anders aufgenommen. Kann ja auch sein, dass das 'n gewisses Risiko mit sich bringt, was die anderen Eltern mit ihren Kindern machen. Also ist ja alles eine Sache, Ansichtssache.
Also ich will jetzt nicht, dass mein Kind in in in in in in eine Schule in dem Sinne geht, wo es am Ende Sachen lernt, wo es nicht wirklich braucht. Wie hast Du denn Lena erlebt, als ihr da wart? Also sie war ultraneugierig und interessiert, wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Wie sieht's da aus?
Ah, da gibt's Zehen in der Nähe. Ich kann noch nicht so richtig gut schwimmen. Kann ich mal mitkommen mit euch? Also die war so richtig wir hatten den Eindruck, die war richtig hungrig so. Also die die hat sich gefreut, dass jemand vorbeigekommen ist und die hat wirklich gehorcht wie ein Luchs.
Die war total aufmerksam und das hat mich dann gleichzeitig aber auch irgendwie so berührt, weil ich mir dachte, wow, die die kriegt das ja alles mit, auch dieses Thema mit dem Jugendamt. Also es ist ja nicht nur, dass wir mit der Mutter über dieses Risiko gesprochen haben, dass ihr Kind quasi dann anders untergebracht wird oder woanders untergebracht wird, sondern auch die Tochter kriegt das die ganze Zeit mit. Mhm. Und das muss ja auch was mit dem Kind machen, ne, wenn Du das Gefühl hast, alles außen rum kann son bisschen feindlich sein. Die Eltern haben Zugriff durch das Jugendamt genannt.
Also da hab ich mich echt gefragt, was macht das mit dem Kind? Also es gibt einmal diese extrem beschränkten Sozialkontakte. Es gibt die natürlich sagen kann, ist, dass die Kinder sich nicht frei entfalten können in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Die können unter Umständen verhaltensauffällig werden durch die Isolation, durch die wenigen sozialen Kontakte. Also unterm Strich kann man sagen, dass diese Kinder im Prinzip diverse negative Auswirkungen erleben dadurch, dass sie in der Szene aufwachsen und man da in Einzelfällen natürlich, wenn die geprüft werden von Familiengerichten, schon von der Kindeswohlgefährdung auch ausgehen muss.
Mhm. Also wir haben eben nur Rückmeldungen beispielsweise jetzt von Thüringer Jugendämtern ausgewertet, die gesagt haben, dass es schon Fälle gibt in dem Reichsbürgermilieu, wo Kinder eben in Obhut genommen werden, wo Kinder dann in Pflegefamilien untergebracht werden, weil man eben sagt, hier liegt eine Kindeswohlgefährdung vor. Das Kind nimmt Schaden, wenn es in dieser Familie bleibt. Und die Besonderheit bei den Kindern in der Reichsbürgerszene ist eben, dass da niemand so richtig 'n wachsames Auge drauf haben kann. Also das hat der Steiner auch so gut erklärt, der Extremismusexperte, dass Du ja so in der Schule oder im Kindergarten, da kann ja auch auffallen, wenn's 'nem Kind nicht richtig gut geht.
Mhm. Wenn da vielleicht blaue Flecken sind oder die Kinder sehr zurückgezogen sind, verhaltensauffällig werden. Mhm. Sind, verhaltensauffällig werden. Mhm.
Halte ich jetzt mein Kind von all diesen Einrichtungen fern, dann gibt es irgendwie niemand, der wirklich sagen kann, wie geht's dem Kind eigentlich? Da kommt keiner so richtig ran so von den Einrichtungen, über die wir grad geredet haben, aber es gibt ja trotzdem noch die Gesellschaft, die Nachbarn, Verwandte und so weiter. Und wir sind auf sehr ratlose Behörden gestoßen bei dieser Recherche, aber das war eine Message, die wir von allen Seiten gekriegt haben, die war wirklich Da ist auch einfach die Gesamtverantwortung gefragt. Eva, danke, dass Du davon erzählt hast. Sehr gerne.
Eva Achinger hat diese Geschichte zusammen mit ihrer Kollegin Christiane Havranek recherchiert. Ihr Feature Nachwuchs für Reichsbürger findet ihr natürlich in der ARD Audiothek. Den Link legen wir euch in die Shownotes dieser Folge. Da haben wir auch noch weitere Hörtipps zum Thema Reichsbürger reingepackt. Autor dieser Folge ist Julius Brezel.
Mitgearbeitet haben Marc Hoffmann und Stefan Beuthing. Produktion, Christianecke Häuser Kamp, Christine Frei und Jürgen Kopp. Direktionsleitung Lena Gürtler und Fumico Lip. ElfkM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Mein Name ist Viktoria Koppmann.
Wir hören uns, tschau. Und in unserem Podcasttipp geht's Klimaproteste und die Räumung eines ganzen Dorfes, traumatisierte Menschen wegen des Kriegs in der Ukraine und künstliche Intelligenz. Große Themen, die gerade heiß diskutiert werden, aber bei denen man sich auch fragt, wie wird's damit wohl weitergehen? Im SWR Kulturpodcast, Was geht, was bleibt, gehen Feline, Christine, Pia und Christian dem auf den Grund. Was geht, was bleibt, hört ihr alle zwei Wochen in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
So viele Themen prasseln auf mich ein. Wenn ich irgendwie mein Handy öffne, da ploppt so viel auf. Und ich frag mich da oft, was ist da von übermorgen denn noch wichtig? Genau deswegen machen wir unseren Podcast, Was geht, was bleibt. Und wir laden uns dafür Menschen ein, die mitten im Thema sind.
Wir fragen uns zum Beispiel, warum wählen immer mehr Menschen rechts? Hat die Kultur versagt? Wir sind uns nicht immer einig. Aber wir haben echt viel Redebedarf. Jeden zweiten Freitag, was geht, was bleibt in der ARD Audiothek.