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GÖRLITZ
12.03.2022
11:00
Wollten Reichsbürger den Reichenbacher Hof kaufen?
Eine seltsame Kaufanfrage verunsicherte die Stadt Reichenbach. Die Spur führte zu einer verfassungsfeindlichen Gruppierung.
Von Constanze Junghanß
4 Min.
Reichenbacher Hof im Dornröschenschlaf
© Constanze Junghanß / SZ-Archiv
Der Interessent für das Reichenbacher Ringhotel kam Bürgermeisterin Carina Dittrich nicht ganz geheuer vor. Er wollte, so erzählt sie, wegen der Verschuldung der Stadt „eine eigene Währung und eigene Krankenversicherung für Reichenbach anbieten“, wenn er das leerstehende Hotel neben dem Freibad kaufen kann. Das sei vor wenigen Tagen so passiert, als der Interessent bei ihr im Büro auftauchte.
Ein typisches Vorgehen der Reichsbürger-Gruppierung „Königreich Deutschland“. Sächsische.de berichtete vor wenigen Tagen, dass der Verfassungsschutz davor warnt, dass die Gruppe auf Suche nach Grundstücken für eigene Siedlungen sei und es bereits Immobilienerwerb im Landkreis Görlitz und dem Erzgebirgskreis gegeben hat. Auch die Stadt Reichenbach habe eine Warnung des Freistaates per E-Mail erhalten, dass die Kommunen vorsichtig bei Immobilien- und Grundstücksgeschäften wegen der Reichsbürgerbewegung sein sollen, so Dittrich. Kopf der Bewegung und des Fantasiestaates ist Peter Fitzek aus Halle. Die Reichsbürgerbewegung leugnet die Rechts- und Verfassungsordnung der BRD.
Carina Dittrich konnte zuerst nicht genau sagen, wer bei ihr im Rathaus wegen des Reichenbacher Hofs und der „eigenen Währung“ vorgesprochen hatte. Mittlerweile weiß sie nach Recherchen: „Das war Peter Fitzek.“ Zuvor soll sich ein Strohmann der Reichsbürgergruppe bei Norbert Döring vom Gedes-Verein Mengelsdorf gemeldet und ebenfalls Kaufinteresse am Hotel bekundet haben, wie Döring erzählt. Der Verein Gedes ist in das geplante Projekt für den Reichenbacher Hof eingebunden. Da soll ein Forschungs- und Weiterbildungszentrum entstehen. Partner sind unter anderem zwei Abteilungen des Fraunhofer-Institutes Dresden und Hochschule Zittau/Görlitz.
Die Crux dabei: Der Kauf des Objekts ist noch nicht über die Bühne gegangen, Eigentümer ist eine Privatperson. Norbert Dörings Verein hat die Fäden im Hintergrund mit gezogen, dass dieses Projekt, bei dem 50 Arbeitsplätze entstehen sollen, auf den Weg gebracht wird. Deshalb ist er als einer der Ansprechpartner bekannt und vermutlich darum meldete sich auch der Strohmann aus Hessen beim Verein. „Von einer Gruppe von bis zu 35 Personen war da die Rede, die irgendetwas mit Lebensraumgestaltung, Wochenendveranstaltungen, Versammlungen anbieten wollen“, sagt er. Dabei sei es erst um ein Kaufinteresse, später um eine Mitnutzung des Hotels gegangen. Auch bei Norbert Döring läuteten die Alarmglocken, dass irgendwas an der Sache nicht stimmen kann und dass die hessische Gruppe etwas mit der Reichsbürgerszene zu tun haben könnte.
Die Stadt befand sich also in einer Art Zwickmühle: Einerseits will sie selbst das Hotel mit den Partnern aus Wissenschaft und Forschung zum Leben erwecken und Reichenbach damit eine wichtige Zukunftsperspektive geben. Andererseits gibt es offenbar Bemühungen einer Reichsbürgergruppierung, das Hotel zu erwerben und da eigene Strukturen aufzubauen. Hoteleigentümer ist ein Ungar, der schon länger Interesse am Verkauf hat.
Hotel ist Inhalt eines Strategiepapiers
Alles sollte jetzt schnell gehen, denn die Zeit lief ab: Am Mittwoch bei der Stadtratssitzung informierte Carina Dittrich, dass das Vorkaufsrecht der Stadt nur bis zum nächsten Tag gelte und wenn die Stadträte einem Kauf des Hotels nicht zustimmen, dort möglicherweise Reichsbürgerstrukturen Einzug halten. Außerdem ist das Hotel so oder so Inhalt eines Strategiepapiers zur Bewältigung des demografischen Wandels. Als eines der wesentlichen Entwicklungsziele ist da der Reichenbacher Hof mit einem Areal für Forschung, Lernen und Arbeit dargestellt.
Partner wollen unter anderem die Hochschule und das Fraunhoferinstitut mit den Abteilungen keramische Technologiesysteme und dem Institut für integrierte Schaltkreise sein, es geht ebenso um Ausbildungsrichtungen in den Sparten Elektrotechnik, IT und Mechatronik. Die Bürgermeisterin informierte die Räte, dass 97,5 Prozent Infrastrukturfördermittel in Aussicht stünden. Sanierung und Umbau würden rund 8 Millionen Euro kosten. Damit alles Weitere angeschoben werden kann, musste sich der Stadtrat entscheiden. Er beauftragte – nicht ohne Diskussionen über die Vorgehensweise – die Gesellschafterversammlung der Bauen und Wohnen GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Stadt, dem Kauf des Hotels zuzustimmen.
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Das passierte, wenngleich die Entscheidung nicht von allen Räten aufgrund der kurzen Entscheidungszeit mitgetragen wurde. Es gab zwei Gegenstimmen und drei Stimmenthaltungen.