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Kolpingwerk: Keine Zensur, wenn keine Waffen eingesetzt werden
Damit ist die südhessische Stadt zum zweiten Mal in nur wenigen Monaten Veranstaltungsort eines prominenten Verschwörungsideologen. Doch anders als Anfang des Jahres, als der umstrittene Historiker Daniele Ganser mehrfach im Bürgerhaus auftrat, hat die Stadt nach hr-Informationen diesmal einen Riegel vorgeschoben: Sie hat dafür gesorgt, dass Soufi-Siavash keinen Mietvertrag für das Bürgerhaus bekam. Eine entsprechende Anfrage von Soufi-Siavashs Managements hatte der Pächter nach Rücksprache mit der Stadt abgewiesen.
Stattdessen tritt der Verschwörungsideologe am Mittwoch im Adolph-Kolping-Saal des Kolpinghauses auf, dort finden mehr als 250 Zuhörer Platz. Das Kolpingwerk ist ein katholischer Sozialverband, nach eigenen Angaben eine Glaubens- und Bildungsgemeinschaft, die solidarisches Handeln fördern will. Den Auftritt von Soufi-Siavash verteidigte der Vorstand des Kolpingwerks Bensheim, Josef Roesch, gegenüber dem hr als Meinungsfreiheit. Er sei gegen "Zensur" - solange niemand Waffen einsetze oder Saalschlachten abhalte.
Er habe zwar bei der Anmietung nicht gewusst, wer der Redner ist, aber jeder, der "ordentlich" auftrete, dürfe seine Meinung sagen. Die Frage, ob zur Meinungsfreiheit auch Antisemitismus zähle, beantwortete Roesch mit dem Hinweis, Antisemitismus gebe es schon seit 200 Jahren, und wenn jemand etwas dagegen habe, könne er am Mittwoch zur Veranstaltung und etwas dagegen sagen. Gäste, die sich derart engagieren wollen, müssten dann aber auch den Ticketpreis zahlen, der bei 27 Euro liegt und eine "Tagesfördermitgliedschaft" in einem Verein von Soufi-Siavash beinhaltet.
Mieterin von der Partei "Die Basis"
Um eine Anmietung der Räume in Bensheim für den Vortrag von Soufi-Siavash hat sich Vesna Ludwig gekümmert, sie ist im Vorstand der Partei "Die Basis" im Kreisverband Bergstraße. Die Partei steht der Querdenkerbewegung nahe. Ludwig bestätigt dem hr auf Anfrage, dass sie sich um die Anmietung der Räumlichkeiten in Bensheim gekümmert hat. Wo genau die Veranstaltung stattfindet, will sie "aus Datenschutzgründen" nicht sagen. Sie bestätigte aber, dass am kommenden Freitag auch "Die Basis" das Kolpinghaus für eine Parteiveranstaltung gemietet habe.
Soufi-Siavash ist als RBB-Radiomoderator unter dem Namen Ken Jebsen bekannt geworden und hatte seine eigene Sendung, KenFM. 2011 wurde er entlassen und bewegte sich seitdem immer stärker in verschwörungsideologischen Zirkeln. Weil er Falschinformationen zur Corona-Pandemie verbreitete, sperrte Youtube seinen Kanal im Herbst 2020. Im Jahr 2021 wurde der Kanal KenFM vom Berliner Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft.
Kolping Diözesenverband Mainz reagiert entrüstet
Am Dienstagnachmittag reagierte der Kolping Diözesanverband Mainz auf den hr-Bericht über die Veranstaltung in Bensheim: Mit Erschrecken habe man vom Auftritt von Soufi-Siavash erfahren, schreibt der Vorsitzende des Verbandes Thomas Isser.
"Wir lehnen diese Vermietung an einen deutschlandweit bekannten Antisemiten und Corona-Leugner vehement ab", heißt es in der Stellungnahme. Der Namensgeber Adolph Kolping stehe für einen respektvollen Umgang, in dem weder Religion noch sexuelle Orientierung oder die Nationalität eine Rolle spiele. In der Kolpingsfamilie könne aber jeder Diözesanverband seine Räume selbstständig vermieten, daher habe der Verband Mainz keine Handhabe im Fall von Bensheim.
Isser kritisiert auch die Vermietung an die Partei "Die Basis" und appelliert an die Verantwortlichen, "sich des Ausmaßes der Vermietung für den gesamten Verband bewusst zu sein". Er betont, "antisemitisches Gedankengut hat und wird niemals innerhalb des Kolpingwerks seinen Platz finden".
Karriere in der Verschwörungsszene
Was Soufi-Siavash alias Ken Jebsen in den vergangenen Jahren verbreitet, sei eindeutig demokratiegefährdend, heißt es von der Regionalstelle Süd des Beratungsnetzwerks Hessen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
"Er vertritt antisemitische, transfeindliche und verschwörungsideologische Positionen", und das seit mehr als zehn Jahren, heißt es vom Beratungsnetzwerk. Er sei außerdem eine prominente Figur bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen gewesen und habe dort Verschwörungsideologien zu Bill Gates und klassische antisemitische Ideen verbreitet.
Kritik an Kolpingwerk
Dass Soufi-Siavash jetzt in den Räumen des Kolpingwerks reden könne, das sich einem humanistischen Weltbild verpflichtet sieht, sei problematisch. Man erhoffe sich von Häusern und Trägern, dass sie sich auch bei Vermietungen deutlich gegen Demokratiefeinde und Verschwörungsideologen positionieren, sagt das Beratungsnetzwerk dem hr. Allerdings gäbe es in letzter Zeit immer wieder die Schwierigkeit, dass Räumlichkeiten von öffentlichen Trägern an Personen aus der Szene vermietet würden.
Oft sei Unwissenheit der Vermieter ein Grund dafür, die Räume würden meist durch Dritte angemietet: "Entweder sind diese vor Ort bekannt und gelten dadurch als vertrauenswürdig oder sind Teil von Organisationen oder Parteien, die Anrecht auf öffentliche Räumlichkeiten haben."
Salome Saremi-Strogusch vom Bensheimer Verein "Fabian Salars Erbe – Für Toleranz und Zivilcourage" sagt, dass es sich der Vorstand des Kolpingwerks zu leicht mache, wenn er Nachfragen zu der Veranstaltung mit Zensur in Verbindung bringt: "Damit übernimmt er Erklärungsmodelle, wie sie von Verschwörungsideologen wie Soufi-Siavash verbreitet werden, statt sich mit ihrer zersetzenden Wirkung auf die Gesellschaft auseinanderzusetzen."
Mit der Aufforderung, dass Kritiker zu der Veranstaltung kommen sollen, werde die Verantwortung abgeschoben: "Statt selbst Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, werden so andere in die Pflicht genommen, sich mit demokratiefeindlichen Positionen auseinanderzusetzen", sagt Saremi-Strogusch.
Kayvan Soufi-Siavash alias Ken Jebsen
Kayvan Soufi-Siavashs Karriere startete als Radiomoderator und Journalist, bekannt wurde er beim RBB mit der Sendung KenFM, wo ihm nach Antisemitismusvorwürfen gekündigt wurde. Soufi-Siavash, der sich damals Ken Jebsen nannte, wurde daraufhin mit seinen Verschwörungsideologien zum erfolgreichen Youtuber. Er bediente dabei klassische Narrative der Szene zum Terroranschlag am 11.September, zu Israel und zum Finanzmarkt. Während der Corona-Pandemie sprach er bei Querdenker-Demonstrationen und hetzte unter anderem gegen Bill Gates, der unter Querdenkern zum Symbol einer angeblichen Corona-Verschwörung geworden war. Nach eigenen Angaben ist Soufi-Siavashs Vater aus dem Iran.
Im ARD-Podcast "Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?" wird die Geschichte erzählt, wie Soufi-Siavash zum wohl einflussreichsten Verschwörungsideologen Deutschlands wurde.