Die "Schwäbische" erklärt, warum man den Bepfitzten erst mal gewähren lässt mit seiner "Gemeinwohlbank".
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Reichsbürger eröffnen „Bank“ in Ulm – warum die Behörden sie gewähren lassen
Sogenannte Reichsbürger, die der Bundesrepublik Deutschland ihre Existenzberechtigung absprechen und die an ein wie auch immer geartetes „Deutsches Reich“ glauben, sind derzeit in aller Munde. In Ulm haben Anhänger dieser kruden Weltsicht nun die Möglichkeit, Geld anzulegen.
Am Dienstag eröffnete die „Gemeinwohlkasse“ an prominenter Stelle eine Filiale. Strippenzieher hinter der „Bank“ ist ein bereits verurteilter Betrüger: Peter Fitzek, der sich selbst als „König von Deutschland“ bezeichnet. Obwohl Fitzek vom Verfassungsschutz beobachtet wird, darf die „Bank“ in Ulm bislang weiter Geschäfte machen.
0,7 Prozent der Wählerstimmen
Mit seriöser Arbeit war Peter Fitzek in seinem Leben bisher nicht wirklich erfolgreich. Gearbeitet haben soll er schon als Koch, Karatelehrer und Videothekar. Was er aber wieder bleiben ließ. Als er 2009 bei der Bundestagswahl das Abgeordneten-Mandat des Wahlkreises Dessau erhalten wollte, gaben ihm lediglich 0,7 Prozent der Wähler ihre Stimme.
Ein wenig berühmt geworden ist der mehrfach verurteilte 55-Jährige trotzdem: als „König von Deutschland“. Gewählt wurde Fitzek in dieses „Amt“ nicht. Er setzte sich die Krone praktischerweise einfach selbst auf.
Auch die Kripo schaut bei der Eröffnung vorbei
Am Dienstag gab sich ihre Hoheit in Ulm die Ehre. In der Neue Straße nahe Ulms Neuer Mitte eröffnete Fitzek die momentan einzige Filiale der „Königlichen Reichsbank“. An seiner Seite: Mario Garro, erster und bislang einziger Mitarbeiter der sogenannten „Gemeinwohlkasse“.
Gäste kurz nach Eröffnung waren auch Beamte der Ulmer Kriminalpolizei. Doch warum ließen sie Fitzek gewähren?
Reichsbürger, die nicht nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland leben möchten und stattdessen einfach eigene „Staaten“ ausgerufen haben, stehen derzeit unter verstärkter Beobachtung der Behörden. Sie treten bei Corona-Demos auf, schwenken alte deutsche Reichsflaggen – und geben sogar eigenes Geld heraus.
Im Falle der Gemeinwohlkasse handelt es sich um die „E-Mark“ – in bewusster Anlehnung an die „gute alte D-Mark“, wie die „Reichsbürger-Bank“ wissen lässt. Zu existieren scheint diese Währung bislang zwar nur virtuell oder in den Köpfen der Untertanen von Fitzek.
Allerdings, so heißt es in einem der vielen im Schaufenster der Gemeinwohlkasse ausgelegten Flyer, sollen auch noch echte Taler folgen. Geprägt werden sollen Münzen im Wert von einer, zwei, fünf und zehn „E-Mark“.
Unter ihnen: Rechtsextremisten und Antisemiten
Dass es sich bei Reichsbürgern bisweilen nicht nur um widerspenstige, aber friedliche „Spinner“ handelt, hat auch die Politik erkannt. Laut deutschem Verfassungsschutz tummeln sich unter Reichsbürgern auch Rechtsextremisten und Antisemiten.
Und wenn es drauf ankomme, dann könnte es sein, so der Verfassungsschutz, dass Reichsbürger ihr Territorium, oder das, was sie dafür halten, auch mit Gewalt verteidigen.
Gäste, die die Ulmer Gemeinwohlkasse betreten, werden zunächst freundlich empfangen. Filialleiter Mario Garro erklärt der „Schwäbischen Zeitung“ die Ziele der „Bank“. Die im genauen Sinne aber gar keine Bank sei, so der Günzburger weiter.
Er erklärt: Um sich „Bank“ nennen und dementsprechende Finanzgeschäfte tätigen zu dürfen, bedürfe es einer Genehmigung der Bafin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Eine solche könne man leider nicht vorweisen.
Schon einmal verurteilt
Es ist nicht die erste „Reichsbürger-Bank“, die Peter Fitzek für sich und seine Getreuen aus der Taufe gehoben hat (Geschäfte dort darf nur tätigen, wer sich auch seinem „Staat“ anschließt).
2017 wurde Fitzek wegen des Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz verurteilt, er saß auch im Gefängnis. Hinterlassen haben soll Fitzek damals einen Schaden von rund 1,3 Millionen Euro; Gelder, die ihm zuvor rund 600 Menschen anvertraut hatten.
Und so jemand darf nun in Ulm einfach eine neue „Bank“ eröffnen (auch wenn sie als Gemeinwohlkasse firmiert)?
Die zuständigen Ulmer Behörden hätten das Treiben in der Neuen Straße auf dem Schirm, versichert Wolfgang Jürgens, Sprecher des Ulmer Polizeipräsidiums. Bei ihrem Besuch der „Kasse“ kurz nach ihrer Eröffnung hätten die Kripo-Beamten den Verantwortlichen vor Ort deutlich gemacht, dass sie – eben weil die Genehmigung fehlt – keine Finanzgeschäfte entsprechend der Bafin-Richtlinien tätigen dürften. Auch seien Unterlagen mitgenommen worden. Eine weitere Überprüfung laufe, so Jürgens.
In dem Büro herrscht: ein Vermummungsverbot
Wie die Gemeinwohlkasse tickt, erfährt, wer sie betritt. In den Räumlichkeiten herrsche ein Vermummungsverbot, teilt Mario Garro mit. Es ist ein ernst gemeinter Hinweis, den Mundschutz abzusetzen, der eigentlich das Corona-Ansteckungsrisiko senken soll.
Und die Dienstleistungen, die die Einrichtung anbietet? Reichen von der "Kontoeröffnung" bis hin zur "Beratung von Unternehmen".
So wirklich lässt sich Garro aber nicht in die Karten blicken. Er betont jedoch, dass das „Königreich Deutschland“ in friedlicher Mission unterwegs sei. Man sei tolerant. Da überrascht es nicht, dass die Gemeinwohlkasse auch diesen speziellen Umtausch-Service anbietet: Euro-Scheine gegen E-Mark. Sei kein Problem, erklärt Garro. Sein Versprechen: Gelder seien bei der Gemeinwohlkasse „beobachtungsfrei und gut aufgehoben“.