Zudem auch im abendländischen Bereich die Talionsstrafe (also die ausgleichende Strafe, bei der der Täter das erleidet, was er dem Opfer angetan hat) durchaus üblich war, etwa bei den Römern. Was das germanische Recht anbetrifft, muss man sich zunächst vor Augen halten, dass es um
vorstaatliches "Recht" geht, also vor der Monopolisierung der Gewaltanwendung. Das schließt Talionsstrafen aus, da es hierfür einer Obrigkeit bedarf. Randnotiz: Es sind nicht die Christen schuld, sondern das Vordringen staatlicher Organisation; "Auge um Auge" ist auch z.B. bei Babyloniern und Sumerern (beides Kulturen mit einem vergleichsweise hohen "staatlichen" Organisationsgrad) nachweisbar.
Über das germanische Recht selbst ist wenig zu finden und
Tacitus ist aus bekannten Gründen ein nicht uneingeschränkt glaubwürdiger Chronist. Jedoch darf man wohl davon ausgehen, dass zu Zeiten germanischer Stämme Straftaten als "private" Angelegenheiten betrachtet wurden, die eben auch privat geregelt wurden. Mit anderen Worten: Der eine Stamm gegen den anderen. Insbesondere aus dem skandinavischen Rechtskreis (der mit dem germanischen durchaus Parallelen aufweisen dürfte) sind Quellen überliefert, die von Tötungsrechten gegenüber der Familie(!) des Übeltäters sprechen. Das spätere Wergeld kann also durchaus Folge einer Sühneleistung sein, die die Fehde ("Feindschaft", Tacitus) zum Nutzen aller beendet. Was wiederum sehr für den privatrechtlich geprägten Charakter des frühgermanischen (Straf-)Rechts spricht: Man streitet sich so lange (und rächt sich blutig), bis man sich vergleicht.
Der Gedanke der Rache ist also nicht erst durch das Christentum in diese Längen- und Breitengrade gekommen.
Quelle für meine historischen Behauptungen: Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte: Gerichtsbarkeit und Verfahren, Köln 2015, S. 34 ff.
Ich empfehle das Buch immer gern, weil es einen so schön staatsrechtlich-geprägten Zugang bietet. Die Print-Ausgabe scheint bei utb vergriffen zu sein; das PDF gibt es für 9€.
Zurück zum Thema: Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass Attila eine Haftstrafe blüht. Warum ich das zu behaupten wage? Ganz einfach: Er hat jetzt schon bestimmt ein dutzend Mal gegen Juden gehetzt und anders als bei Holocaustleugnung (§ 130 Abs. 3 StGB) fängt der Strafrahmen der "regulären" Volksverhetzung in § 130 Abs. 1 StGB bei drei Monaten Haft an. Selbst wenn er für jede Tat nur die Mindeststrafe von 3 Monaten kassiert, ist in der Gesamtstrafenbildung sogar schon die "unbedingte" (ich mag diesen Austriazismus einfach!) Haftstrafe im Bereich des Möglichen. Ich halte es nach wie vor für möglich, dass er mit Bewährung davon kommen wird (wenngleich mir das mit jeder neuen Tat unwahrscheinlicher erscheint). Aber sein blaues Auge wird er nicht am Konto, sondern an der Freiheit (ob nun unmittelbar mit Haft oder mittelbar mit Angst vor der Haft) spüren.
Was man vielleicht auch noch bedenken sollte: Bei dem Mann läuft sehr offensichtlich nicht alles rund im Oberstübchen. Als Tatrichter würde ich zumindest über die forensische Begutachtung mal nachdenken und in der konkreten Frage an den Gutachter auch das Wort "Psychose" fallen lassen. Möglicherweise ist bereits die drohende Haft als Kollision mit der Realität hart genug, dass er wieder mit dem Nachdenken anfängt und wieder etwas klarer im Kopf wird. Zu wünschen wäre es ihm.