Attolf hat neue "Freunde".
Spoiler
In Charlottenburg gibt es alles: den Herrenfriseur „Troja“, die „Japanische Buchhandlung“, ein Geschäft namens „Konsolenwelt“, das Café „Ballet“, nicht zu vergessen den „Verein für alkoholfreies Leben“ und den „Hospizladen“. Wie eine Achse führt die Fußgängerzone der Wilmersdorfer Straße mitten durch diese städtische Mixtur. Eine Straße, in der Currywurst und Dönergrill dominieren. In der Schillerstraße 71, ganz nahe an der Achse, liegt Attila Hildmanns veganes Restaurant. Seit Hildmann, der Koch, zu Kundgebungen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung aufrief, seit fünf Monaten, ist sein Restaurant auch ein Treffpunkt für Gleichgesinnte geworden.
„Oft im Anschluss an diese Kundgebungen versammeln sich da schon viele Leute, da ist dann wirklich die Straße oder der Abschnitt wirklich voll irgendwie mit Leuten, die dann wahrscheinlich da im Anschluss einfach hinkommen. Also da merkt man es dann schon.“
Markus Reinefeld, Leiter des Kant-Kinos, stören die 100 bis 150 Sympathisanten Hildmanns, die sich samstags vor dessen Restaurant mitten in Charlottenburg treffen. Sie passten nicht in die Charlottenburger Welt, findet er. Tatsächlich präsentiert sich Hildmann als Antisemit und Rechtsextremist.
„Hitler war ein Segen im Vergleich zur Kommunistin Merkel, denn sie plant mit Gates einen globalen Völkermord von sieben Milliarden Menschen.“
Wegen dieser und ähnlicher Aussagen ermittelt der Staatsschutz gegen den Muskelmann im Kapuzenhemd.
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Kino-Chef Markus Reinefeld stören die Sympathisanten, die sich vor Hildmanns Restaurant treffen (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
Hildmann: „Mein Auftrag ist und wird immer sein, dass Deutschland wieder souverän wird und Deutschland befreit wird und Deutschland wieder stark, mächtig und in all seiner Herrlichkeit glänzt.“
Sätze wie diesen verbreitet Attila Hildmann permanent, in diesem Fall am 4. September auf Youtube. In Charlottenburg verschreckt er damit viele, wie zum Beispiel diesen Gastwirt eines vietnamesischen Restaurants. Er möchte anonym bleiben.
„Das ist so, wirklich: Da habe ich Angst, ja, habe ich Angst. Aber ich glaube, wir haben Behörden, wir haben eine Regierung. Wenn irgendwie etwas passiert ist, muss man schnell reagieren.“
Der Mann lebt seit 38 Jahren in Berlin, hat seit zwei Jahrzehnten einen deutschen Pass und betreibt mit Erfolg seine Gaststätte. Seit Attila Hildmann sich als künftiger Reichskanzler Deutschlands präsentiert, ist er verunsichert.
„Mit den Nazis die Geschichte, das ist für mich, nicht nur für mich, für meine Familie und für alle, für diese Welt sehr sehr furchtbar, wenn das noch mal so passiert.“
Charlottenburger Geschäftsleute machen mobil
Deshalb hat sich der Gastwirt mit 85 anderen Charlottenburger Geschäften, Vereinen und Initiativen zusammengetan. In einem Aufruf heißt es, man wolle kein „rechtsextremes Geschäft“ in der „vielfältigen Nachbarschaft“ haben. Kino-Chef Markus Reinefeld macht auch mit.
„Diese rechtsradikalen Ansichten, die machen mir dann schon irgendwie Sorgen. Und das zieht ja dann auch entsprechende Leute an.“
„Dieses Rechtsradikale, Adolf-Hitler-Vergötternde, das ist schon irgendwas, was man nicht tolerieren kann und eben auch Leute mit diesen Gesinnungen irgendwo mit anzieht, die man eigentlich in der unmittelbaren Nachbarschaft jetzt nicht haben will.“
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Johanna Hahn, die Geschäftsführerin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Landesverband Berlin, will nicht von einem öffentlichen BOykotts HIldmanns sprechen (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
Die Idee, sich zusammenzuschließen, hatte die „Feministische Antifaschistische Jugendorganisation Charlottenburg“ – eine von vielen antifaschistischen Gruppierungen in Berlin. Immer wieder haben sie zu Gegendemonstrationen gegen Hildmann und andere Verschwörungsmythologen aufgerufen.
„Mit denen mich jetzt hier immer in eine Reihe zu stellen, würde mir jetzt auch nicht so gefallen. Eigentlich fände ich es schön, wenn so diese Unterzeichner dieses Aufrufs, die Gewerbetreibenden, eben auch noch mal unabhängig von so antifaschistischen Geschichten noch mal irgendwie eine eigene Aktion machen oder weiter aufklären, so in der Form.“
Noch hält das Bündnis von Geschäftsbesitzern und antifaschistischen Gruppen. Sie schreiben in ihrem Aufruf, dass einige Supermärkte und Handelsketten Hildmanns Produkte aus dem Sortiment genommen haben – und dass Buchhandlungen seine Kochbücher nicht mehr verkaufen. Ein Aufruf zum Boykott? Nein, sagt Johanna Hahn, die Geschäftsführerin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Landesverband Berlin. Auch der Verband hat gegen Hildmann unterzeichnet.
„Ich habe das nicht als Aufruf zum Boykott gelesen, weil das ja einfach Entwicklungen auf dem Markt zeigt. Also zumindest das, was ich gelesen habe, gibt es einige Ketten, Supermarktketten, die tatsächlich diese Produkte von Herrn Hildmann aus dem Sortiment nehmen. Und es gibt natürlich auch Buchhandlungen, die sagen: Nee, diese Bücher wollen wir nicht verkaufen.“
Die Angst geht um
Abends fährt Hildmann manchmal mit seinem Porsche vor und diskutiert im veganen Restaurant mit Gästen. Die Angst vor dem martialisch auftretenden Koch und seinen rechtsextremistischen Anhängern geht um in Charlottenburg. Sie ist so groß, dass viele der 85 Unterzeichner des Aufrufs weder Gesicht zeigen noch ein Interview geben wollen. Der vietnamesische Gastwirt spricht immerhin. Er wünscht sich einfach nur gute Nachbarschaft im Kiez – möglichst ohne Attila.
„Das ist so sehr recht freundlich, immer hilfsbereit, gegenseitig. Ich habe nie Probleme mit den Nachbarn. Ich bin immer recht freundlich mit den Nachbarn und hilfsbereit, und gegenseitig bekomme ich auch von unseren Nachbarn immer so Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, wenn ich irgendwie Probleme habe.“