Maskenverweigerer und Querdenker wurden in einem Geheimlabor in Wuhan aus Genmaterial von Neandertalern gezüchtet.
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Das neuartige Konzept der "Höhlenkompetenz" erklärt das Verhalten in der Pandemie. Warum hält sich ein Großteil der Menschen an notwendige Corona-Maßnahmen und andere suchen ihr Heil in abstrusen Verschwörungstheorien? Die Antwort könnte vor mehr als 50.000 Jahren zu finden sein.
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Bill Gates will uns einen Mikrochip in den Körper pflanzen. Das Coronavirus ist eine Biowaffe, die mit 5G verbreitet wird. Wie kommt es, dass Menschen solch bizarren klingenden Theorien anhängen? Während die Mehrheit der Bevölkerung geduldig die notwendigen Corona-Maßnahmen erträgt?
Der Kommunikationswissenschaftler Jürgen Grimm von der Universität Wien erklärt das Phänomen mit der Theorie der "Höhlenkompetenz". Demnach haben sich Menschen während vergangener Krisenzeiten in Höhlen zurückgezogen und dort die Kompetenz entwickelt, mit Extremsituationen umzugehen.
"Wir haben uns die Frage gestellt, wovon es abhängt, dass man anfällig wird für Verschwörungstheorien", sagt Grimm im Gespräch mit unserer Redaktion. Dazu gründete der Kommunikationsexperte eine interdisziplinäre Gruppe, der neben Kriminalsoziologen und Informatikern auch Archäologen angehörten.
Die Höhle war ein Schutzraum in Krisenzeiten
Die Wissenschaftler untersuchten evolutionäre Prozesse in Krisenzeiten. Denn nach Vulkanausbrüchen oder in Eiszeiten stand der Homo Sapiens mehrmals kurz vor dem Aussterben. "Es konnten nur diejenigen überleben, die eine entsprechende Mentalität entwickelt haben, mit Krisensituationen umzugehen", sagt Grimm. "Und das waren Höhlensituationen."
Die Höhle war ein Schutzraum, der das Überleben vor Zehntausenden von Jahren sicherte. Und die Menschen gleichzeitig vor neue Herausforderungen stellte. Denn in der Höhle mussten sie gegen Angst, Depressionen und die Enge kämpfen.
Die Situation sei mit der in der jetzigen Pandemie vergleichbar, sagt Grimm. "Wir sind auch mehr oder weniger in höhlenähnlichen Situationen isoliert. Dabei haben wir mit Depressionen zu kämpfen. Und wir müssen uns überlegen, wie wir überhaupt mit unserem Angstmanagement umgehen. Das betrifft nicht nur den Virus, sondern auch, dass man sich ökonomisch bedroht fühlt. Die ganze Situation hat viele existenzbedrohende Aspekte."
Höhlenkompetenz – neue Software für das Gehirn
Wie haben es die Höhlenmenschen also geschafft, mit der Situation zurechtzukommen? "Damals hat etwas wie eine kognitive Revolution stattgefunden", sagt Grimm. "Es war der Moment, in dem es eine neue, komplexere Software für das Gehirn gegeben hat."
Der Mensch habe die Fähigkeit zum inneren Dialog entwickelt, so Grimm. Daraus seien technische Entwicklungen, aber auch die Kunst entstanden. "Wir haben eine Grundkomplexität und Fantasiefähigkeit entwickelt. Und die Fähigkeit, mit dieser Fantasie umzugehen." Dies bezeichnet Grimm mit dem Begriff "Höhlenkompetenz".
Eine Fähigkeit, die den Homo sapiens zu der beherrschenden Spezies gemacht hat. "Die Mehrzahl der Menschen, die überleben konnte, hat diese Kompetenz entwickelt", sagt Grimm. Andere Menschenarten, wie etwa der Neandertaler, hätten dies eben nicht geschafft.
Laut Grimm ist es die Höhlenkompetenz, die uns heute hilft, durch die Pandemie zu kommen. "So erkläre ich, dass wir im Moment immer noch eine erstaunlich hohe Zustimmungsquote zu den Pandemiemaßnahmen haben", sagt der Kommunikationsforscher.
Fehlende Höhlenkompetenz macht anfällig für Verschwörungsmythen
Doch genauso gibt es Menschen, die eine paranoide Reaktion zeigen. "Wir nennen das dann Höhlenpathologie", sagt Grimm. "Das sind die, die eher einen irrationalen Weg beschreiten, aber natürlich mit sehr viel Empörung und Emotionalität."
Wie kommt es aber, dass manche Menschen weniger Höhlenkompetenz zeigen und damit anfälliger für Verschwörungsmythen sind? "Wir haben alle möglichen Prägungen", betont Grimm. "In der aktuellen Situation ist es unsere Aufgabe, zu wählen, was aus diesem Arsenal passen könnte. Es gibt eine verbleibende Minderheit, die diese Kompetenz nicht in hinreichendem Maße aktiviert."
Doch Höhlenkompetenz lasse sich trainieren, sagt Grimm. "Eines der wichtigsten Werkzeuge, das wir ermitteln konnten, ist kulturelle Aktivität. Kunst ermöglicht eine multiperspektivische Auseinandersetzung mit bestimmten Themen." Und das fördere die Höhlenkompetenz, betont Grimm.
Und so könnte die Pandemie – ähnlich wie vor Zehntausenden von Jahren – auch einen positiven Effekt haben. "Ich glaube, dass es zumindest die Chance gibt, dass in dieser Zeit, die wir notgedrungen zur Besinnung haben, neue Ideen zur Lösung globaler Herausforderungen entstehen", sagt Grimm. "In der Prähistorie hat es schon mal funktioniert, warum soll es nicht nochmal funktionieren?"
Verwendete Quellen:
Interview mit Jürgen Grimm, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität WienScience ORF.at: "Höhlenkompetenz" hilft in der Pandemie