Atlas Initiative – Teil 1
Mai 12, 2020
AfD / Faschismus, Allgemein, Artikel (Klassismus), Artikel (Sozialphilosophie), Elite, Klassengesellschaft, Nationalismus, Umverteilung, Vermögen Andreas Kemper
Das Frankfurter Netzwerk
In diesem Artikel trage ich weitere Recherche-Ergebnisse zur Atlas-Initiative zusammen. Die Atlas-Initiative ist dem Anschein nach ein Projekt des Hauptgeschäftsführers von Degussa Goldhandel, Markus Krall. Ich verweise auf den vorangegangenen Artikel zu Degussa Goldhandel. Ziel der Atlas-Initiative ist der Sturz der Regierung, wozu aktuell die Proteste in der Corona-Krise genutzt werden sollen, um sozialstaatliche Maßnahmen und das Allgemeine Wahlrecht abzuschaffen.
Finanzierte der 90jährige Milliardär August von Finck in der Vergangenheit rechtspopulistische Partei wie Bund Freier Bürger oder neoliberale Kampagnen wie die vom BürgerKonvent mit Millionenbeträgen, hat er nun Ideologen wie Thorsten Polleit (Mises-Institut) und Markus Krall (Atlas-Initiative) als Führungskräfte in seinem Unternehmen Degussa Goldhandel eingstellt.
In diesem Teil gehe ich auf das Netzwerk der Atlas-Initiative in Frankfurt am Main ein. Der zweite Teil wird sich geschichtlich mit dem rechten Rand der FDP befassen und August von Fincks politische Einflussnahmen.
Überblick
Verbindungen der Atlas-Initiative
Erste Erkenntnisse lassen auf drei Standbeine der Atlas-Initiative in Frankfurt am Main schließen. Aufgefallen sind mir:
das Ceros-Haus
mit dem Erfinder der „Projekt 18“-Kampagne der FDP, Fritz Goergen. Goergen erfand die FDP unter Möllemann als populistische Protestpartei neu. Er schreibt für Tichys Einblick (mehrere Hundert Kolumnenbeiträge, als Autor direkt neben Roland Tichy abgebildet)
mit dem Geschäftsführer Markus Ross (Artikel bei Tichys Einblick; Atlas-Mitglied); die Ceros-GmbH hat auch Kunst in ihren Beratungsleistungen und über Ross Kontakt zur Punzmann-Gallerie)
die Punzmann-Gallerie
Thomas Punzmann ist Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desisderius-Erasmus-Stiftung; er holte nach dem Skandal in Leipzig die Bilder des Malers Axel Krause (ebenfalls Kuratoriumsmitglied) nach Frankfurt a.M..
die Videos der Atllas-Initiative werden in der Punzmann-Gallerie gedreht, Punzmann lud sie im März unter seinem Namen hoch
ehem. AfD-Funktionäre wie Hanns-Christian Salger und Wolfgang Hübner („Salga-Liste“ der AfD Hessen)
Prof. Salger lehrt an einem juristischen Institut der Uni Frankfurt; aktuell befüllt er die Videos der Atlas Initiative mit juristischen Beiträgen; im Machtkampf der AfD gab es 2013/14 eine nach ihm benannte Namensliste
Wolfgang Hübner ist Ehrenvorsitzender der Bürger für Frankfurt, die er in den 1990er Jahren gründete; er scheint die Facebook-Seite der Atlas-Initiative zu gestalten (dort finden sich fast nur Links auf fremde Artikel (Tichys Einblick, Achse des Guten, …) und einige wenige Originialbeiträge – die sind alle von ihm
Entstehungsgeschichte
Die konkrete Entstehungsgeschichte des Projekts Atlas-Initiative mit diesem Namen beträgt anderthalb Jahre. Die erste von mir gefundene Erwähnung der Atlas-Initiative im bestehenden Kontext ist ein Tweet von Markus Krall am 22. Oktober 2018.
Tweet von Markus Krall am 22.10.2018
Nach außen hin blieb es dann für einige Monate ruhig. Hinter den Kulissen wird es zu Kooperationen mit Fritz Goergen und Markus Ross (adpunktum / Bockenheimer Landstraße 101 in Frankfurt a.M.) gekommen sein, deren Strukturen (Newsletter, Website, Adresse, Telefonnummer) die logistische Basis für die Atlas-Initiative stellen.
Neben dieser logistischen Basis gibt es spätestens seit September 2019 eine relevante Verbindung zu Degussa Goldhandel von August von Finck, auf die ich im nächsten Teil zu sprechen kommen möchte.
Zunächst zur Bockenheimer Landstraße 101 in Frankfurt a. M. und deren Akteure
Fritz Goergen
Fritz Goergen hatte bereits 1992, als er noch in der Geschäftsführung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung saß, zusammen mit Detmar Doering (bis 2015 Leiter des “Liberalen Instituts“ der Friedrich-Naumann-Stiftung) die Kampagne „Bürger zur Freiheit!“ gestartet. Der SPIEGEL konstatierte im Oktober 1992, die FDP-Stiftung plane eine „Rückkehr zum Rechtsliberalismus a la Manchester“: Alle staatlichen Sozialsicherungssysteme und Sozialtransfers sollen privatisiert oder ganz abgeschafft werden, ebenso wie die Entwicklungshilfe. Es solle nur noch eine Grundbildung garantiert werden und auch Kultur solle nicht mehr staatlich gefördert werden. Polizei, Strafvollzug und Bundesrechnungshof gehörten privatisiert. Geflüchtete sollen in grenznahen Lagern von privaten Betreibern untergebracht werden. Fritz Goergen war sich damals bewusst, dass der Plan nicht sofort umsetzbar sei, aber er ging davon aus, dass in den 90er Jahren der Wohlfahrsstaat wegen Unfinanzierbarkeit vor die Wand fahre und dass dann auf die Ziele des Papiers „Bürger zur Freiheit!“ zurückgegriffen werde.
Ein Jahrzehnt später war Fritz Goergen der Mann hinter Jürgen Möllemanns „Projekt 18“. Mit der Konzeption als „Protestpartei“ konnte die FDP 2002 ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln. Elisabeth Niejahr charakterisierte Goergen in der ZEIT mit dem Begriff „Der Anstifter“: Als Populist schüre er gezielt alte Ressentiments, Otto Graf Lambsdorff warnte seine Partei vor einer „Haiderisierung“ (Jörg Haider FPÖ) der FDP durch Goergen. Es gelte, jeden Tag eine Regel zu brechen, von „Frauenwitze“ bis zu einem „Hitler-Plakat“, skizziert die ZEIT Goergens Strategie. Bei jeder Kritik gehe man sofort in die Opferrhetorik. (Elisabeth Niejahr: Der Anstifter. Fritz Goergen provoziert für Möllemann und Westerwelle. Ziel des kühl kalkulierenden FDP-Wahlstrategen ist die Macht – egal, was sie kostet, in: DIE ZEIT 23/2002)
Kurz vor dem Tod Möllemanns, der behauptete, Goergen verfolge das Prinzip des Tabubruchs mehr als er selber, verließ Goergen die FDP. Der FDP-Chronist Udo Leuschner schreibt hierzu: „Als Möllemanns Stern zu sinken begann und die Bundestagswahlen im September 2002 nur ein mageres Ergebnis erbracht hatten, trat Goergen im November 2002 aus der FDP aus. Kurz nach Möllemanns Tod wurde er als jener Geldbote enttarnt, der von einem Konto in Luxemburg eine Million Euro abgehoben hatte, mit der das Faltblatt gegen [Michael] Friedman finanziert worden war.“
Fritz Goergen ist seit mindestens fünf Jahren journalistisch aktiv. Er schreibt unter anderem die Kolumne „Goergens Feder“ im Magazin „Tichys Einblick“ und zwar ziemlich regelmäßig seit Dezember 2014. Insgesamt scheint er es seither auf mehrere hundert Kolumnen gebracht zu haben. Bereits 2015 konstatierte er eine „vorrevolutionäre Situtation“, allerdings damals noch ohne „Revolutionäre“:
„Je weniger in der Politik weitergeht, desto heftiger wird die gegenseitige Beschuldigung, Verteufelung und öffentliche Hinrichtung. Das alles ist nicht plötzlich entstanden, es war alles schon da, jetzt tritt es zutage, bricht explosiv auf – Tabus halten nicht mehr. Mit den offenkundigen Notwendigkeiten umzugehen, ist schwer genug. In dieser Krise des Staates und der Gesellschaft täglich auf Gegnerjagd zu sein, drängt den Eindruck auf, dass diese Leute auf sehr warmen Sesseln sitzen und viel Zeit haben für den Wohlstandsluxus der Inszenierung ihrer richtigen Gesinnung. […]
Wir haben eine vorrevolutionäre Situation. Nur wo sind die Revolutionäre?“
Fritz Goergen; Vormärz – Politik- und Staatskrise: Warten auf die Revolution, in: Tichys Einblick vom 30.10.2015
Das „Ceros-Haus“ als logistische Basis
Die Etablierung des sogenannten „Ceros-Hauses“ in Frankfurt am Main zur logistischen Basis der Atlas-Initiative erfolgte schleichend.
Unter anderem wurde der Newsletter von Ceros nachträglich als Newsletter der Atlas-Initiative präsentiert.
Hier die Ausgabe von adpunktum 10/2019 als Ceros-PDF, herausgegeben von der Ceros Consulting GmbH mit dem Geschäftsführer Markus Ross:
Bis mindestens Oktober 2019 bezeichnete Ceros den Newsletter adpunktum als ihren Newsletter.
Bis mindestens Oktober 2019 firmierte die Ceros Consulting GmbH mit ihrem GF Markus Ross als Herausgeber des Newsletters Adpunktum
Inhaltlich und vom Stil die selben Ausgaben sind im Januar 2019 einmal als Adpunktum-Newsletter von Ceros und einmal als Atlas-Newsletter zu sehen:
Adpunktum 1/2019: einmal als Ceros-Newsletter, dann als Atlas-Newsletter
Die Herausgeberschaft wurde anscheinend nachträglich von der Atlas Initiative beansprucht – mit der selben Adresse und Telefonnumer
Bis mindestens Februar 2019 wurde die Internetpräsenz adpunktum von Fritz Goergen / Polus Verlag betrieben. Irgendwann im Laufe von 2019 wechselte das Impressum dann auf Markus Krall / Atlas Initiative:
Kunsthandel: thomas punzmann contemporary
Der Geschäftsführer der Ceros Consulting GmbH, Markus Ross, ist Mitglied der Atlas Initiative. Im Juni 2019 erschien von Markus Ross ein Artikel in Tichys Einblick zum Maler Axel Krause. Krause ist AfD-nah, Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Krauses politische Einstellung führte zum Bruch mit einer Gallerie in Leipzig, die seine Bilder nicht mehr ausstellen mochte (Hintergründe). Mit dem Titel „Es geht nur total – die deutsche Begeisterung“ beklagte Markus Ross den angeblichen „Totalitarismus“ in der Kunst:
„Ein Kriterium, an dem man das Fortschreiten in den Totalitarismus erkennen könne, ist, so Hayek, die Tatsache, dass Wissenschaft und Kunst sozialen Zielen untergeordnet würden. In der Wissenschaft kann dieser Zustand mit Gender- und Klimawissenschaft als erreicht gelten.
[…] Wer sich selbst ein Bild über die Arbeiten von Axel Krause machen will, kann sie sich ansehen zum Beispiel in Frankfurt bei thomas punzmann contemporary […]“
Markus Ross: Maler Axel Krause. Es geht nur total – die deutsche Begeisterung, in: Tichys Einblick vom 17.06.2019
Hier sei der Hinweis gestattet, dass die Ceros GmbH in der Beratungsarbeit für Kunsthandel aktiv ist. Aus einer bestimmten Perspektive der Marktideologie erscheint alles „totalitär“, was sich der Marktlogik nicht unterwirft. In einer Anzeige im Handelsblatt von 2015 mit dem Titel „Tipp zur Anlagestrategie: In Sachwerte investieren“ bewirbt Markus Ross die Website kunstzweitmarkt aus dem eigenen Haus und zitiert Punzmann – man kennt sich also schon länger:
„‚Vieles, was Qualität sein könnte, wird übersehen, und manches Hochgejubelte versinkt nach kurzer Euphorie für immer‘, sagt der Galerist Thomas Punzmann von thomas punzmann contemporary in Frankfurt. Der Wiederverkauf einstmals erworbener Kunstwerke ist eine der größten Herausforderungen für die Marktakteure überhaupt. Für den verkaufswilligen Kunstbesitzer ist es also wichtig, so viele Informationen wie möglich über den Künstler und seine Werke zu erhalten und sich so selbst ein Bild zum Faktor „Qualität“ zu verschaffen. Hier bieten Webseiten wie
www.kunstzweitmarkt.de Hilfe.“
Markus Krall: Tipp zur Anlagestrategie: In Sachwerte investieren, Anzeige im Handelsblatt vom 17.09.2015
Der Frankfurter Gallerist Thomas Punzmann ist wie auch der Maler Axel Krause Kuratoriumsmitglied der Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD und Punzmann ist zugleich Mitglied der Atlas-Initiative.
Punzmann ist seit April 2018 Autor bei The European, wo er u.a. das Buch des für die Atlas-Initiative relevanten russisch-orthodoxen Christen Igor Schafarewitsch zum Todestrieb (Sozialismus) in der Geschichte (edition lichtschlag) empfahl.
Die Videos der Atlas-Initiative wurden bislang in der Kunst-Gallerie von Thomas Punzmann gedreht und im März 2020 zunächst auch unter Punzmanns Namen bei Youtube hochgeladen.
Alte AfD-Bekannte bei Youtube und Facebook: Salger und Hübner
Der überwiegende Teil der Videos besteht aus Statements des Jura-Professors Hanns-Christian Salger, der die Zuhörer*innen mit „liebe Mitstreiter der Atlas-Initiative“ begrüßt.
Salger lehrt am Institute for Law and Finance an der Uni Frankfurt a.M.
Bislang gibt es von Mitgliedern der Atlas-Initiative noch keine öffentlichen Distanzierungen von Kralls Plan, mittels einer „Konterrevolution“ das Allgemeine Wahlrecht abzuschaffen. Auch vom Jura-Professor Salger habe ich bislang noch keine Distanzierung vom geplanten Sturz der Demokratie gehört. Rhetorische Frage: Müsste man von Lehrkräften im Fachbereich Jura nicht ein Bekenntnis zum Allgemeinen Wahlrecht erwarten?
Salger war Mitglied der AfD in der Anfangsphase. Ende 2013 eskalierte ein Streit zwischen zwei Lagern. Zur „Salga-Liste“ zählte laut einem Artikel der Frankfurter Rundschau auch Wolfgang Hübner.
Wolfgang Hübners Name taucht überdurchschnittlich häufig in den Originalbeiträgen der Facebook-Seite der Atlas-Initiative auf. Da die Facebook-Seite sonst fast nur fremde Artikel verlinkt (hauptsächlich Tichys Einblick, gefolgt von der Achse des Guten), liegt es nahe, dass Hübner die Facebook-Seite der Atlas-Initiative gestaltet.
Ich machte bereits vor sieben Jahren an dieser Stelle auf Wolfgang Hübner aufmerksam, da Hübner in der Anfangsphase der AfD ein Konzept für eine „atmende Partei“ geschaffen habe. Ich zitiere daher an dieser Stelle noch einmal mein Statement vom 8. April 2013 zu Hübners Papier:
„Diese „atmende Partei“ hat die millionenschweren Think Tanks des Neoliberalismus als Lungen. Mit deren Kampagnenfähigkeit wird zunächst die Ideologie „ausgeatmet“, die dann als „Wille des Volkes“ wieder eingeatmet wird. Basisdemokratie, Minderheitenschutz, Differenzierungen kann man sich bei dem Konzept der „atmenden Partei“ sparen. Das Denken wird den Think Tanks überlassen, Politik findet wesentlich über Kampagnen statt, mit bierdeckelkompatiblen Klartexten. Dazu passt, dass Bildung wieder Familienangelegenheit werden soll: Die verordnete generationenübergreifende Verdummung eines Teiles der Gesellschaft ist für diese Form von Direkter KampagnenDemokratie, Bonapartismus und „Anti-Politcal Correctness“ konstitutiv.“
Andreas Kemper: Zum Bonapartismus der Alternative für Deutschland, in: Website von Andreas Kemper, 08.04.2013
Der zweite Teil dieses Artikels wird die neoliberale / nationallibertäre millionenschweren Kampagnen und Ausgaben von August von Finck im Fokus haben.