Erst vor zwei Tagen hatte mir jemand gesagt, es hätten sich alle Voraussagen der „Fragenden“ bestätigt.
Als ich nachgefragt habe, welche denn genau, bekam ich keine Antwort.

KLAGE AUS GASTRONOMIE
Lockdown von 2020 war rechtmäßig: Gericht bestätigt Corona-Regeln
Zu Beginn der zweiten Corona-Welle wurde heftig darüber gestritten, ob die drastischen Corona-Regeln der Bundesländer juristisch haltbar waren. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Schlussstrich unter die Diskussion gezogen, ob die Corona-Maßnahmen in der zweiten Welle im Herbst 2020 auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage getroffen worden sind. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig bejahte diese Frage am Dienstag endgültig. Die Bundesländer durften ihre Regeln zur Schließung von Gaststätten, Hotels und Sportanlagen demnach auf das Infektionsschutzgesetz in der damals geltenden Fassung stützen. In juristischen Kreisen war darüber im Sommer 2020 heftig gestritten worden.
Das Bundesverwaltungsgericht hob am Dienstag zwei anderslautende Urteile des Oberverwaltungsgerichts des Saarlands auf und verwies die Fälle zur erneuten Verhandlung zurück. (Az.: BVerwG 3 CN 4.22 und 3 CN 5.22) Das OVG hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass die zweite Corona-Welle schon im Sommer vorhersehbar gewesen sei und der Bundesgesetzgeber früher hätte tätig werden müssen. Die Corona-Schutzverordnung vom Oktober 2020, die eine Schließung von Gastrobetrieben enthielt, sei daher unwirksam gewesen. Zwei Restaurantbetreiber hatten gegen die Corona-Regeln geklagt.
Wegen der damals geltenden Corona-Regeln mussten viele Betriebe zeitweise schließen
Das Infektionsschutzgesetz wurde erst im November 2020 geändert. Statt nur einer "Generalklausel", die allgemein Schutzmaßnahmen gegen ansteckende Krankheiten zulässt, definiert es seitdem ganz konkret Corona-Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und die Schließung von Hotel- und Gastronomiebetrieben für den Fall, dass eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" festgestellt wird.
"Ob und unter welchen Voraussetzungen eine landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben angeordnet werden kann, ist eine wesentliche Frage, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln muss", erklärte das Bundesverwaltungsgericht. Im Herbst 2020 habe die "Generalklausel" dafür noch ausgereicht. Wegen der dynamischen Entwicklung der Pandemie habe es einen Spielraum gegeben.
Die Bundesrichter entschieden am Dienstag noch einen Fall aus Sachsen. Hier bekam der Kläger, der in Chemnitz ein Freizeit- und Hotelzentrum betreibt, in einem Einzelpunkt recht. Der Freistaat Sachsen hatte in seiner Corona-Schutzverordnung vom Herbst 2020 das Sporttreiben alleine oder zu zweit in Amateursportanlagen zugelassen, in Fitnessstudios jedoch nicht. Das sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die übrigen Regeln der sächsischen Verordnung – Schließung von Restaurants und Verbot von touristischen Übernachtungen – bestätigte das Bundesverwaltungsgericht. (Az.: 3 CN 6.22)
https://www.stern.de/politik/deutschland/gericht-bestaetigt-corona-regeln--lockdown-von-2020-war-rechtmaessig-33473910.htmlPM1:
Pressemitteilung Nr. 37/2023
Pressemitteilung
Nr. 37/2023 vom 16.05.2023
Schließung von Gastronomiebetrieben Ende Oktober 2020 auf der Grundlage der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel möglich
Die Schließung von Gastronomiebetrieben, die Ende Oktober 2020 zur Bekämpfung der "zweiten Welle" der Corona-Pandemie in einer saarländischen Rechtsverordnung angeordnet wurde, konnte auf die Generalklausel in § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gestützt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Spoiler
Die Antragstellerin des Verfahrens 3 CN 4.22 betreibt ein spanisches Restaurant, der Antragsteller des Verfahrens 3 CN 5.22 ein Gourmetrestaurant. Die Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der bis zum 15. November 2020 geltenden saarländischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 30. Oktober 2020. Mit der angegriffenen Vorschrift wurde landesweit der Betrieb von Gaststätten verboten.
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Urteilen vom 31. Mai 2022 und 7. Juli 2022 festgestellt, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung unwirksam war. Die Regelung habe nicht auf einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht. § 32 Satz 1 und § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, die den Verordnungsgeber ermächtigten, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sei, hätten nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes und des Parlamentsvorbehalts entsprochen. Die Übergangszeit, in der aus Gründen des Gemeinwohls noch ein Rückgriff auf diese Generalklausel möglich gewesen sei, sei im Oktober/November 2020 abgelaufen gewesen. Die "zweite Corona-Welle" sei schon im Sommer 2020 vorhersehbar gewesen; anders als im März sei der Bundesgesetzgeber vom Anstieg der Corona-Infektionen im Herbst nicht überrascht worden. Ihm wäre es möglich gewesen, jedenfalls bis zur parlamentarischen Sommerpause oder spätestens unmittelbar danach die erforderliche parlamentsgesetzliche Grundlage für die pandemiebedingte Schließung von Gastronomiebetrieben zu erlassen. Der Gesetzgeber habe das Infektionsschutzgesetz aber erst auf Antrag der Regierungsfraktionen vom 3. November 2020 durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 um einen Beispielskatalog von Schutzmaßnahmen (§ 28a IfSG) ergänzt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die der Bekämpfung der COVID-19-Krankheit dienende Schließung von Gastronomiebetrieben konnte - wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 22. November 2022 (3 CN 1.21) entschieden hat - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht in der betroffenen Gaststätte eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts war die infektionsschutzrechtliche Generalklausel in dieser Auslegung bei Erlass der Verordnung und auch während ihrer Geltungsdauer eine verfassungsgemäße Grundlage für die Schließung von Gastronomiebetrieben im Wege der Rechtsverordnung. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben angeordnet werden kann, ist eine wesentliche Frage, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln muss. Das hatte er durch die Generalklausel in einer Weise getan, die auch im genannten Zeitraum noch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Demokratie- und Rechtsstaatsgebots entsprach. Die Erfahrungen mit der "ersten Welle" der COVID-19-Pandemie hätten zwar Anlass geben können, ausdrücklich zu regeln, ob die Schließung von Gastronomiebetrieben unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht zulässig sein soll. Dass der Gesetzgeber dies mit Blick auf die Generalklausel und ihre Anwendung in der Pandemie nicht für erforderlich hielt, überschritt den ihm zukommenden Spielraum nicht. Klarer begrenzen können hätte er die Zulässigkeit der Schließung von Gastronomiebetrieben nur durch die Festlegung einer Eingriffsschwelle. Dass er die Erfahrungen mit dem Erreger SARS-CoV-2 und der Dynamik des Pandemiegeschehens noch nicht für ausreichend hielt, um hinreichend konkret jedenfalls für eine gewisse Dauer zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gastronomiebetriebe zur Bekämpfung von COVID-19 geschlossen werden dürfen, ist für den hier zu betrachtenden Zeitraum bis Mitte November nicht zu beanstanden. Auch insoweit hatte der Gesetzgeber einen Spielraum.
Zur Frage, ob die angegriffene Regelung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war, hat das Oberverwaltungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Sachen waren daher an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
BVerwG 3 CN 5.22 - Urteil vom 16. Mai 2023
Vorinstanz:
OVG Saarlouis, OVG 2 C 326/20 - Urteil vom 07. Juli 2022 -
BVerwG 3 CN 4.22 - Urteil vom 16. Mai 2023
Vorinstanz:
OVG Saarlouis, OVG 2 C 319/20 - Urteil vom 31. Mai 2022 -
https://www.bverwg.de/de/pm/2023/37PM2:
Pressemitteilung
Nr. 38/2023 vom 16.05.2023
Schließung von Einrichtungen des Freizeitsports mit zugelassener Ausnahme durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 war rechtmäßig, die weitergehende Schließung von Fitnessstudios rechtswidrig
Die durch eine Ausnahme abgemilderte Schließung von Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 hatte im Infektionsschutzgesetz eine verfassungsgemäße Grundlage und war verhältnismäßig. Die Schließung von Fitnessstudios ohne diese Ausnahme war unvereinbar mit dem Gleichheitssatz. Die Schließung von Gastronomiebetrieben und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke waren nicht zu beanstanden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Spoiler
Die Antragstellerin betreibt ein Sport- und Freizeitcenter, zu dem u. a. ein Restaurant, ein Hotel, ein Fitness- und ein Ballsportbereich gehören. Ihr Normenkontrollantrag, mit dem sie die Feststellung begehrt hat, dass § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO* unwirksam waren, blieb vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Schließung von Fitnessstudios in Nr. 4 der Vorschrift für unwirksam erklärt. Im Übrigen hatte die Revision der Antragstellerin keinen Erfolg.
Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel war bei Erlass der Verordnung und auch während ihrer zweiwöchigen Geltungsdauer eine verfassungsgemäße Grundlage für die angegriffenen Maßnahmen (vgl. PM Nr. 37/2023). Die Verbote waren ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur pandemischen Lage, insbesondere zu deren dynamischer Entwicklung im Oktober/November 2020, verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Das hat das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen.
Dass Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand in Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs, nicht aber in Fitnessstudios zulässig blieb, war unvereinbar mit dem Gleichheitssatz. Einen tragfähigen Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt; er ist auch weder vom Antragsgegner vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Fußnote:
Auszug aus der SächsCoronaSchVO vom 30. Oktober 2020
§ 4 Schließung von Einrichtungen und Angeboten
(1) Verboten sind die Öffnung und das Betreiben mit Ausnahme zulässiger Onlineangebote von:
…
4. Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen, soweit sie nicht medizinisch notwendiger Behandlungen dienen,
…
6. Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand und des Schulsports. Dies gilt nicht für das für Individualsportarten organisierte Training sowie deren Sportwettkämpfe ohne Publikum sowie für Sportlerinnen und Sportler,
a) für die ein Arbeitsvertrag besteht, der sie zu einer sportlichen Leistung gegen ein Entgelt verpflichtet und dieses überwiegend zur Sicherung des Lebensunterhalts dient, oder
b) die dem Bundeskader (Olympiakader, Perspektivkader, Nachwuchskader 1) und Nachwuchskader 2 des Deutschen Olympischen Sportbundes oder dem Spitzenkader des Deutschen Behindertensportverbandes angehören oder die Kader in einem Nachwuchsleistungszentrum im Freistaat Sachsen;
…
16. Busreisen und Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke sowie Schulfahrten,
…
18. Gastronomiebetrieben sowie Bars, Kneipen und ähnlichen Einrichtungen. Ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken sowie der Betrieb von Kantinen und Mensen,
…
Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz a.F.
§ 28 Schutzmaßnahmen
(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige … festgestellt ..., so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, … soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. …
§ 32 Erlass von Rechtsverordnungen
Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. …
BVerwG 3 CN 6.22 - Urteil vom 16. Mai 2023
Vorinstanz:
OVG Bautzen, OVG 3 C 54/20 - Urteil vom 30. Juni 2022 -
https://www.bverwg.de/pm/2023/38