Also: Wenn bis zu dem Ereignis noch 210 Tage und der Rest von heute vergehen müssen, dann findet es nach Ablauf von 219 Tagen des Jahres und damit am 220. Tag statt. Das ist der 8. August.
Spoiler
Religiöse Eiferer schrecken Fitnessstudiokunden ab
Elite-Fitnessstudio: Der Staatsschutz Bielefeld findet keinen Anhaltspunkt für Ermittlungen. Die Kunden verlassen scharenweise das Center
Burkhard Hoeltzenbein
31.08.2018 | Stand 31.08.2018, 16:33 Uhr
Harsewinkel. Die Vorkommnisse um das Fitnessstudio „Elite" in Harsewinkel haben auch den Staatsschutz auf den Plan gerufen. Die Vorwürfe gegen den Betreiber Juri Nasirow und dessen Berater Ulf Diebel haben sich im Hinblick auf staatsgefährdende Umtriebe allerdings nicht bestätigt. Im Umfeld der als „Sekte" bezeichneten Gemeinschaft ist von „reichsbürgerlichem Verhalten" die Rede.
Diesbezüglich gab Achim Ridder, Pressesprecher der Polizei in Bielefeld, am Donnerstag gegenüber der Neuen Westfälischen Entwarnung. „Wir haben das geprüft. Diese Leute haben nach jetzigem Erkenntnisstand nichts mit politischen Dingen zu tun", erklärte Ridder. Ausgangspunkt der Vermutungen waren unter anderem Erkenntnisse der Stadt Harsewinkel über das Wirken der als „Sekte" bezeichneten Gruppe gewesen, die diese an die Polizeibehörden in Gütersloh und Bielefeld weitergegeben hatte.
Nasirew und Diebel, der eine Verschwörung der führenden Politiker weltweit gegen sich und seine Vision einer friedlichen Welt wittert, sprechen in ihren Internetauftritten über Repräsentanten der „Deutschland GmbH" und bezeichnen Politiker aller Couleur als „Unternehmer". Ein Duktus, den sogenannte „Reichsbürger" und „Selbstverwalter" verwenden.
Duo wendet sich an den "Chef von Harsewinkel"
Mitte August hatte sich Juri Nasirow, wie gestern berichtet, in Begleitung von Diebel an die Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide gewandt. In dem Gespräch hatten beide diese gebeten, zugunsten Nasirows Hilfe wegen eines Facebook-Eintrags und Geschäftsschädigung zu leisten. Dieser fühlt sich seit seinem Austritt aus der Evangeliums-Christen-Gemeinde in Harsewinkel, die ihr Bethaus in unmittelbarer Nachbarschaft hat, gemobbt. In dem Gespräch hatte Diebel die Bürgermeisterin als „Chef des „Unternehmens" Harsewinkel bezeichnet. Eine in Reichsbürgerkreisen typische Formulierung. Auch die Briefe, die Ulf Diebel, der sich in seiner Religionsgemeinschaft der „Erbengemeinschaft Jakobs" den biblischen Namen „Ephraim" gegeben hat, in alle Welt an Politiker von Trump über Merkel bis Putin geschickt hat, stufen die Staatsschützer als nicht gefährlich ein.
Die Stadt Harsewinkel hat in der vergangenen Woche den Kreis Gütersloh eingeschaltet, wie Pressesprecher Jan Focken bestätigte. Der zuständige Fachbereich Bauen, Wohnen, Immissionen soll prüfen, ob die Personen aus dem Umfeld des selbst ernannten „Auserwählten" Diebel, der nach eigenen Angaben „die Weltordnung ändern will", dort wohnen dürfen.
Er ist mit mindestens vier weiteren Männern von Iserlohn nach Harsewinkel in das Fitnessstudio umgezogen. Ein Kunde spricht gegenüber der NW sogar von sieben Personen, die dort zum Teil in Verschlägen untergebracht seien.
Kreis prüft Hinweise auf unberechtigtes Wohnen im Studio
„Wir prüfen nun, ob dort Wohnen möglich oder erlaubt ist", erklärte Focken. Grundsätzlich sei das Wohnen in einem Gewerbegebiet, wie es auch für das Areal des Studios am Prozessionsweg ausgeschrieben ist, nichts Ungewöhnliches. Ob es zu der von der Stadt Harsewinkel gewünschten „schnellstmöglichen Beendigung der illegalen Gebäudenutzung zu Wohnzwecken" kommt, ist derzeit offen.
Gegenüber der Neuen Westfälischen geben die in dem Studio wohnenden Männer ohne Umschweife zu, hier untergekommen zu sein. „Wir sind Flüchtlinge", erklärt Alexander Horn ernsthaft. Der junge Mann stammt nach eigenen Angaben aus Leipzig und wohnte zuletzt mit Diebel und weiteren Anhängern der „Erbengemeinschaft Jakobs" in dessen religiösem „EPHI"-Zentrum in Iserlohn. „Wir wurden vertrieben, wo sollten wir denn sonst hin?", verweist Horn auf die dort am 28. Mai erfolgte Zwangsräumung, mit der sich die Stadt Iserlohn der schwierigen Klientel entledigte. Dort führten mangelnde Brandschutzvorkehrungen zur Auflösung des Zentrums.
Bei Nasirow, den er seit 2014 kennt, sind Diebel und seine Jünger nun seit drei Monaten gestrandet. Nicht ohne Folgen, wie Mitglieder und Insider des früher sehr anerkannten Fitnessstudios gegenüber der NW erklären. „Sehr viele Studionutzer wollen raus", sagt ein Harsewinkeler, der selbst Kunde dort ist und zum 31. Dezember gekündigt hat.
Die Kunden stört
der religiös
verbrämte Auftritt
Wie viele andere hat er die Vorzüge des früher gut geführten Studios über Jahre genossen. Jetzt störe viele der religiös verbrämte Auftritt im hinteren Bereich des Studios. In dem hat sich wie berichtet Ulf „Ephraim" Diebel mit seiner Befreiungsbewegung breit gemacht. „Die Leute können das doch einfach ignorieren", hält der den Kritikern entgegen. Doch die Vereinnahmung ist vielen wohl zu massiv. Zumal beide wohl offensiv für ihre Bewegung „Elite plus" werben. Danach können Interessierte für 100 Euro Gebühr eine „Lebendmeldung" abgeben und so Teil der „Erbengemeinschaft Jakobs" werden.
Eine Verlockung, der die meisten Kunden augenscheinlich widerstehen. Von den 580 Mitgliedern, die im Juli dort registriert waren, haben nach Kenntnissen eines Insiders, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, alleine im August mehr als 50 gekündigt. Die Kunden haben allerdings Ein- oder Zweijahresverträge unterschrieben, aus denen sie im Normalfall nicht so leicht herauskommen. Juri Nasirow pocht darauf, dass diese Fitness-Verträge, die 33 Euro Beitrag im Monat kosten, erfüllt werden.
Nutzer haben Verträge
bis zu zwei Jahren unterschrieben
Dagegen argumentiert der Informant, dass die darin versprochenen Leistungen wie eine kostenlose Trainingsbetreuung nicht eingehalten und angekündigte Trainingspläne nicht zur Verfügung gestellt würden. „Juri vernachlässigt sein Studio, seitdem er mit Ulf Diebel zu tun hat", stellt einer der langjährigen Kunden, die mit der NW gesprochen haben, fest. Viele pochten nun auf ein Sonderkündigungsrecht, weil sie sich von den religiösen Machenschaften belästigt fühlen. Zudem rieche es immer wieder nach Cannabis. Ein Hinweis, zu dem die Polizei ermittelt, nachdem sich Eltern von dort trainierenden Jugendlichen beschwert haben.
„Am 1. September ist wieder Einzugstag. Ich bin gespannt, wie viele Rücklastschriften kommen werden", richtet sich Studiobetreiber Juri Nasirow auf Mahnverfahren und juristische Streitereien ein. Er klingt in diesem Moment resigniert. Bis auf einen seien alle Trainer bereits gegangen. Einer, der dort seit 2016 tätig war, macht noch 1.700 geleistete unbezahlte Überstunden geltend. „Wir hatten per Handschlag vereinbart, dass ich dort einsteige", erklärt er. Auf eine juristische Auseinandersetzung verzichtet er. „Ich wollte da nur noch raus."
Auch der Verein "Reha-Sport" ist ausgezogen
Auch der Verein „Reha-Sport" ist in dieser Woche aus dem Elite-Fitnessstudio ausgezogen. Ein Zettel an der Eingangstür informiert darüber, dass der Verein beim DRK-Ortsverein Harsewinkel in dessen Heim am Dechant-Budde-Weg 9 untergekommen ist.
Für einen Moment hat es den Anschein, als wenn Juri Nasirow ins Überlegen kommt, als er sich Gedanken über die wirtschaftlichen Konsequenzen seiner eingeschlagenen religiösen Richtung macht. In diesem Moment geben zwei ältere Damen, ebenfalls Nutzerinnen des Reha-Angebotes in seinem Studio, ihre Mitgliedskarten und Kündigungen ab. Die Kopien des Schreiben lassen sie sich sicherheitshalber quittieren.
Möglicherweise erlebt Nasirow gerade eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Seine letzte Hoffnung ist nun wohl wirklich Ulf Diebel, alias Ephraim. Der fordert nach 3, Mose 25 „den totalen Erlass aller monetären Schulden und die Neuordnung des Finanzsystems."
Also: Die Erweckten leben bis zur Erlösung der Welt in "Verschlägen" und der Pleitegeier kreist auch schon...