Psychiater im Gutachten: "Friedrich F. ist nicht gefährlich"
Allein im Auftrag der Staatsanwaltschaft Leoben hatte der Grazer Psychiater Manfred Walzl den gesuchten 66-Jährigen drei Mal untersucht. Sein Befund war immer der gleiche: Friedrich F. sei nicht gefährlich.
16.12 Uhr, 03. November 2017
Manfred Walzl war auch im Amokfahrt-Prozess Gutachter.
Der wegen Mordes in Stiwoll gesuchte 66-jährige Grazer war für die Justiz kein unbeschriebenes Blatt. Der Grazer Psychiater Manfred Walzl hatte den Mann mehrmals untersucht, wie die Behörden bestätigten. Der Sachverständige dürfte Voraussetzungen für eine ständige Unterbringung des 66-Jährigen anscheinend nicht gesehen und ihn für ungefährlich gehalten haben. Am Sonntag erschoss er seine Nachbarn.
Seit einigen Jahren gab es gegen den Steirer Ermittlungen wegen übler Nachrede, versuchter Nötigung, gefährliche Drohung und wegen Wiederbetätigung. Mehrmals wurde der Mann von Walzl untersucht, allein im Auftrag der Staatsanwaltschaft Leoben drei Mal. So etwa Ende Oktober 2016, als der 66-Jährige - wie er in seinem Blog
www.justiz-gewalt.at beschrieb - für 36,5 Stunden "in die Psychiatrie gesteckt" wurde. Dies geschah auf Anweisung des Amtsarztes, wie der Leiter der Staatsanwaltschaft Leoben, Walter Plöbst, berichtete.
Im Vorfeld hatte der 66-Jährige zwei Tage lang versucht, beim Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) Graz Manfred Scaria vorzusprechen. Daraufhin wurde der als Querulant bekannte Mann von der Polizei vorgeladen und "in die Geschlossene gesperrt", wie der Steirer im Blog berichtete. Nach einer Hausdurchsuchung wurde gegen den 66-Jährigen ein Hausverbot im Landesgericht Graz verhängt und ein Waffenverbot gegen ihn ausgesprochen.
Die Polizei brachte den Mann wenige Tage später zu Gerichtsgutachter Manfred Walzl, um ihn psychiatrisch untersuchen zu lassen. Walzl dürfte ihn dabei als nicht zurechnungsfähig, aber als nicht gefährlich eingestuft haben. Die Gefahr einer "Straftat mit schweren Folgen" sei laut Plöbst demnach nicht gegeben gewesen. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung waren daher nicht gegeben.
In einer psychiatrischen Abteilung dürfen laut Unterbringungsgesetz nur jene untergebracht werden, die an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden. Davon betroffen sind auch jene Menschen, die "nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psychiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut" werden können. Dazu muss ein Arzt bescheinigen, dass alle Voraussetzungen für eine Unterbringung gegeben sind.
Bereits nach der Bluttat am Brunnenmarkt im Mai 2016, bei der eine Frau von einem amtsbekannten psychisch kranken Mann mit einer Eisenstange attackiert und tödlich verletzt worden ist, ortete eine vom Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eingerichtete Sonderkommission einen mangelhaften Informationsfluss zwischen den Behörden, was die Unterbringung psychisch Kranker betrifft. Soko-Leiter Helfried Haas ortete damals eine "zu große Zurückhaltung bei der Polizei, eine Unterbringung zu veranlassen". Er forderte Schulungen der Beamten sowie Amtsärzte. Zudem müsse überlegt werden, eine ambulante Betreuung psychisch Kranker einzuführen. Eine solche gebe es derzeit - außerhalb der Krankenhäuser und Justizanstalten - nicht.
Der Grazer Schlafforscher und Gerichtspsychiater Manfred Walzl, der den 66-jährigen Steirer begutachtete, hatte auch den Grazer Amokfahrer untersucht und war zu dem Schluss gekommen war, der 27-Jährige sei zurechnungsfähig. Ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen Peter Hofmann, der ihn kurz nach der Tat wegen "paranoider Schizophrenie" für zurechnungsunfähig einstufte. Deshalb wurde im Verfahren gegen Alen R. der deutsche Experte Jürgen Müller hinzugezogen, der sich Hofmanns Meinung anschloss. Walzl hätte auch als Gutachter die Kinder jenes steirischen Arztes untersuchen sollen, der wegen Quälerei angeklagt war, schlussendlich jedoch freigesprochen wurde. Der Mediziner lehnte die Untersuchung jedoch ab und begründete das damit, dass er die Familie kenne und dass es Interventionen gegeben habe. Walzl war am Donnerstag und am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.