Dieser Frakturwahn ist eh witzig, wo sich doch Hitler für die lateinische Schrift eingesetzt hatte, um Deutsch internationaler zu machen.
Nein, sondern weil Fraktur als jüdisch galt ("Schwabacher Judenlettern"). Wie man darauf kam, ist allerdings völlig unklar. Hintergrund war wohl schon, dass außerhalb Deutschlands Fraktur meist gar nicht lesbar war, aber das wurde nicht gesagt. Wäre ja auch noch schöner gewesen, sich nach dem Ausland zu richten ...
Wikipedia zitiert den GröFaZ folgendermaßen:
Eure vermeintliche gotische Verinnerlichung passt schlecht in das Zeitalter von Stahl und Eisen, Glas und Beton, von Frauenschönheit und Männerkraft, von hochgehobenem Haupt und trotzigem Sinn … Unsere Sprache wird in hundert Jahren die europäische Sprache sein. Die Länder des Ostens, des Nordens wie des Westens werden, um sich mit uns verständigen zu können, unsere Sprache lernen. Die Voraussetzung dafür: An die Stelle der gotisch genannten Schrift tritt die Schrift, welche wir bisher die lateinische nannten […]
(Völkischer Beobachter Nr. 250 vom 7. September 1934, zit. nach
Wikipedia)
Viele Reichis nehmen ja für sich in Anspruch, die Weimarer Republik oder das Kaiserreich fortzuführen, deshalb können sie den Bormanns Erlass ignorieren. Ebel hat doch auch seine Pamphlete immer in Antiqua und Fraktur gemischt erstellt, angeblich zur "Vereinfachung", und hat dann glaube ich alle das dt. Reich betreffenden Dinge in Fraktur, alle die Bundesrepublik betreffenden in Antiqua gesetzt.
Fraktur, Antiqua und völkische Bewegung: Die Antiqua galt als römisch und wurde insbesondere von der völkischen Bewegung abgelehnt, wie auch viele andere römische Errungenschaften (bspw. das römische Recht). Die völkische Bewegung hatte immer Minderwertigkeitskomplexe gegenüber der Romanistik und der römischen Geschichte, weswegen es auch viele Versuche gab, eine germanische Hochkultur herbeizufantasieren, die von den Römern unterdrückt worden sei (und deren Erforschung durch die jüdische Romanistik unterdrückt werde, was wiederum zu der bestechenden Logik führt, dass wenn Kritiker der Thesen bzgl. der germanischen Hochkultur darauf verweisen, dass alle archäologischen Funde darauf hindeuteten, dass die Germanen unzivilisierte Waldbewohner waren, die sich vor die eigene Hütte schissen und gerne mal ihren Nachbarn den Kopf abschlugen, wenn sie - was häufig vorkam - besoffen waren, diese Kritiker ganz offensichtlich im Dienste des das deutsche Volk unterdrücken wollenden Judentums stehen). Kulminationspunkt dieser Fantastereien waren wohl die Ariosophen (eine okkultistische Bewegung die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert populär war und während des NS von Himmler protegiert wurde, federführend Karl Maria Wiligut (auch Wiligut Weisthor genannt; Stoll erzählt ein bisschen was darüber in "Muss man wissen!", S. 69 ff., lesenswert auch Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Himmler glaubte ja sowieso jeden Unsinn, sofern er nur abwegig und unbeweisbar genug war, vgl. z.B.
Welteislehre). Die Ablehnung der Antiqua ist also eine Ausprägung des völkischen Denkens. Dieses wiederum ist eine geistige Wurzel der Reichsdeppenbewegung, die letztlich also ein reaktionäres Konzept des 19. Jahrhunderts ins 21. verpflanzen und ein wenig aufpeppen, um es zeitgemäßer erscheinen zu lassen.
Ich habe in den letzten Monaten einiges dazu gelesen. Je mehr ich mich mit der völkischen Bewegung, ihren Wissenschaftlern und ihren Okkultisten auseinandersetze, desto bestechender sind die Parallelen zu unseren Reichsdeppen. Vor allem Stoll bedient sich teilweise der gleichen Quellen wie die Ariosophen, zB der Lehre von den Wurzelrassen nach Madam Blavatskys "Die Geheimlehre". Der wichtigste - und erfreulichste - Unterschied liegt allerdings darin, dass es heute keine Lehrstuhlinhaber sind, die den entsprechenden Unsinn von sich geben.