Mich beschäftigt viel mehr die Frage, was diese Leute zu ihren massiven Rachefantasien antreibt. Über die Verfasser der historischen Apokalypsen wurde damals, als ich mich durch einige dieser Werke las, von der Forschung geschrieben, dass es sich um Splittergruppen aus dem jüdisch-christlichen Bereich handelte, kleine Zirkel, die mit dem Mainstream ihrer "Mutterreligion" in Spannung oder gar Feindschaft standen, sich aber auch dem Druck der "Heiden" ausgesetzt sahen und sich in eine Fantasiewelt flüchteten, in der sie die Herrscher der Welt würden, Rache an ihren Feinden nehmen und alle Dinge nach ihren Vorstellungen verändern könnten. Das ist aber der Forschungsstand von vor 30 Jahren.
Dass es sich bei WE und seinen "Lesern" um einen weitgehend geschlossenen, sich gegenseitig bestärkenden Zirkel handelt, scheint mir deutlich. Aber was ist diesen Leuten zugestossen, was ist ihnen - tatsächlich oder vermeintlich - angetan worden, dass sie solche Rachefantasien ausbrüten und sich gleichsam in ihnen suhlen?
In meinem Leben ist auch nicht alles so verlaufen, wie ich es mir einmal gewünscht habe. Es waren alltägliche Umstände, die wohl tausendmal am Tag irgendwo auf der Welt einem Menschen geschehen: im falschen Augenblick erkrankt; der falschen Frau begegnet; eine befristete Anstellung nicht verlängert; zu hohe Steuerschätzung - was eben so vorkommt.
Dennoch darf ich rückblickend sagen, dass ich bisher ein gutes und befriedigendes Leben hatte und dass Vieles, vielleicht sogar das Meiste, was ich im ersten Augenblick sehr bitter empfand, sich später als Glück entpuppte. Daher darf ich sogar mit Dankbarkeit auf mein bisheriges Leben zurückblicken.
Was ist jedoch bei Leuten wie WE schief gelaufen, dass sie die Vergangenheit nicht ruhen lassen, vergangene Schicksalsschläge nicht endlich einmal abhaken können, sondern sich immer mehr in ihre vermeintlichen Kränkungen und die daraus entstehenden Rachefantasien vertiefen müssen?
Zumal wenn es um Menschen geht, mit denen die Betreffenden nicht unmittelbar zu tun haben, stellt sich mir diese Frage besonders nachdrücklich. Nehmen wir als Beispiel die angebliche Verbrecherin Frau Merkel: Es mag sein, dass sie in manchem Punkt schlechte Politik gemacht hat. Beurteilen müssten das die deutschen Wähler.
Ich bin mir aber sehr sicher, dass nicht Frau Merkel an meinen persönlichen Schicksalsschlägen schuld ist, erstens weil es sich dabei um Dinge handelt, auf die sie ganz sicher keinerlei Einfluss hatte, und zweitens, weil ich mich überwiegend nicht in Deutschland aufgehalten habe.
Bei einem WE, der offenbar in Wien lebt, also von deutscher Politik, wie ich während der längsten Zeit meines Lebens, höchstens mittelbar betroffen sein kann, frage ich mich daher schon, warum er sich u. a. so sehr auf Frau Merkel kapriziert, die in seinen Augen das inkarnierte Böse schlechthin darzustellen scheint. Dasselbe gilt entsprechend für andere deutsche und nicht-deutsche Politiker, Verantwortliche internationaler Organisationen, von Wirtschaftskonzernen usw.
Ich glaube, dass in einem besseren Verständnis dieser besonderen Art von Kränkung ein wesentlicher Ansatz zum Verständnis des RD-tums im Allgemeinen liege.