... und weil die Dokumentation des Schwachsinns nicht verloren gehen sollte hier der Text:
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MZ Wittenberg Königreich Deutschland: Peter Fitzeks Anhänger stehen treu zu ihm
Königreich Deutschland
Was Vizekönig und Reichsbank-Chef zu Peter Fitzek sagen
Von Steffen Könau 16.01.17, 12:00 Uhr
Halle (Saale)/Wittenberg -
An der Schleuse ist Schluss. Keinen Schritt weiter darf Martin Schulz, daran lässt der Justizwachtmeister keinen Zweifel. Ohne Ausweis kein Einlass zum Prozess gegen Peter Fitzek, den „König von Deutschland“, der sich vor dem Landgericht Halle seit drei Monaten wegen Veruntreuung verantworten muss. Schulz, ein junger Mann mit Dreitagebart, Zopf und freundlichen Augen, hat es noch nie als Zuschauer in den Gerichtssaal geschafft, weil er sowohl seinen Personalausweis als auch seinen Pass abgegeben hat. Schließlich sei er Bürger des Königreiches, dessen Personaldokumente reichten ihm aus, sagt Schulz. „Aber hier lassen sie mich damit eben nicht rein.“
Dabei ist Martin Schulz, geboren in Ribnitz-Damgarten und im Saarland aufgewachsen, seit der Inhaftierung von Peter Fitzek der Chef im Königreich. Schon sieben Jahre gehört der frühere Bundeswehrsoldat zum Fitzek-Gefolge. Wie viele Anhänger des gebürtigen Hallensers lebte Schulz erst in einer Mietwohnung, die ihm der Mini-Staat stellte, später zog er mit dem übrigen Hofstaat auf das Gelände eines ehemaligen Krankenhauses am Wittenberger Stadtrand.
Dort wohnen die Königstreuen bis heute, geduldet von der Bundesanstalt für Bankenaufsicht (Bafin), die bisher vergebens nach einem Käufer für das Grundstück sucht. Räumen lassen will die Bafin nicht. So lange Schulz und die anderen Fitzek-Anhänger auf dem Areal lebten, sagt Bafin-Abwickler Stefan Oppermann, „verfallen die Gebäude wenigstens nicht“.
Ganz im Gegenteil, wie Martin Schulz stolz zeigt. Im Heizhaus hat ein Unterstützer neulich eine moderne Computersteuerung eingebaut. „Die Heizung lässt sich jetzt fernsteuern“, sagt der 28-Jährige, der auch in den dunkelsten Stunden nie von der Seite Fitzeks wich. Als die Durchsuchungen begannen, als ein Teil der Gruppe gegen den König rebellierte - Martin Schulz, Sohn eines NVA- und späteren Bundeswehroffiziers, blieb.
„Ich habe hier gefunden, wonach ich ein Leben lang gesucht habe“, sagt er, während er mit langen Schritten durch die endlosen Flure des Hauptgebäudes eilt. Überall hier wird gebaut, gestrichen, umgestaltet. Schulz zeigt den Sportraum, die Kantine, Seminarzimmer, Werkstätten. „Vieles haben sie uns weggenommen“, schimpft er über die Behörden, „aber Unterstützer bringen uns immer wieder schnell Ersatz vorbei.“
„Uns“, das sind inzwischen wieder rund 30 zumeist junge Leute wie Schulz, der den Vorwurf harsch zurückweist, bei ihm und den anderen handele es sich um Reichsbürger. Das seien sie nicht, und ebensowenig seien sie gewalttätig. „Wir sind nur Menschen, die nach einer Alternative zum bestehenden System suchen.“
Auch Marco Ginzel gehört dazu, der Chef der königlichen Medienabteilung. Und Manuel Kracht, der die „Staatskanzlei“ leitet. Und Benjamin Michaelis, der Chef der Reichsbank, die es nach Auffassung der Bafin nie gegeben hat. Die meisten im engsten Kreis sind um die 30, junge Männer mit Hipsterbart und höflichen Umgangsformen. Im Königreich gilt ein strenges Rauchverbot und es wird vegetarisch gekocht. Über den Vorwurf, dass Peter Fitzek eine Million Euro veruntreut haben soll, lachen sie. „Peter? Niemals.“ Der König sei viel zu bescheiden und nur an seiner Aufgabe interessiert.
Ein Trommelfeuer aus Superlativen zum Ruhm des Monarchen. Denn der Glaube an den 51-jährigen früheren Koch und Karatelehrer ist trotz Anklage ungebrochen. Peter sei „Freund, Lehrer und Vorbild“, sagt Benjamin Michaelis, der wie Schulz vor sieben Jahren zum damals noch Verein Neudeutschland genannten Königreich stieß. Michaelis stammt aus Bad Saarow, er hat früh künstlerische Neigungen entwickelt, viel gemalt und schließlich Fahrzeuglackierer gelernt. „Malen hat mich immer begeistert“, sagt er, „weil man dabei seine Träume aufs Papier bringen kann.“
Michaelis, der im Zeugenstand „Amtmann im Staatsdienst“ als Beruf nannte, trägt dunkles Hemd und schicke Weste und lächelt unter einem Menjou-Bärtchen hervor. Airbrushkünstler ist er nach der Lehre gewesen, aber eigentlich, sagt er, immer auf der Suche. „Ich wollte mehr vom Leben, als einen vorgegebenen Weg zu gehen.“
Wie Martin Schulz, der als Offiziersbewerber nach kurzer Zeit bebemerkt, „dass mir niemand Fragen beantwortete, die ich für wichtig hielt“, gerät auch in Michaelis ins Zweifeln. „Wenn man gefragt hat, warum ist das so, kam oft die Antwort, darum.“ Eltern drücken sich, Kollegen, Chefs. Er habe aber Gründe kennen und begeistert sein wollen. „Ich will Dinge tun, bei denen ich Freude empfinde.“
Michaelis sieht sich als „Künstler und Abenteurer“, der „das Leben entdecken will“, statt es wie eine Fertigmahlzeit zu schlucken. Wo Martin Schulz immer wieder Anlauf nimmt, um mit Vorgesetzten über den Afghanistan-Einsatz oder Demokratie-Defizite der EU zu sprechen, ist Michaelis als Erfahrungssucher unterwegs. „In der Schule haben wir nichts über gesellschaftliches Zusammenleben gelernt“, sagt er. Fitzeks Königreich scheint ihm ein guter Ort für Nachhilfeunterricht.
Martin Schulz kommt eher skeptisch in Wittenberg an. Auf seiner Suche nach Erklärungen für Dinge, die er nicht versteht, ist der junge Berufssoldat in der Bahnhofsbuchhandlung bei einem Buch gelandet, das ihm den Blick auf eine Welt hinter den Kulissen zu öffnen scheint. Autor Gerhard Wisnewski enthüllt darin vermeintlich unterdrückte Nachrichten - und er findet in Schulz einen dankbaren Leser, der nun die Antworten zu haben glaubt, die ihm niemand geben wollte. „Ich kann nur tun, was sich mit meinem Gewissen vereinbaren lässt“, beschließt er. Martin Schulz schreibt seinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung.
Seiner Grundintention aber habe er weiter folgen wollen, sagt Schulz. „Menschen helfen und die Erde zu einem besseren Ort machen.“ Der Zufall verschlägt ihn nach Wittenberg, er trifft Peter Fitzek, er ist beeindruckt. Anfangs aber auch misstrauisch, denn „es hätte ja auch eine Sekte sein können, die nur mein Geld will“. Aber als König Peter ihm den vorgestreckten Betrag für ein paar FlugticketsMit Flugreisen von Vetter Touristik Europa und die Welt entdecken. anstandslos zurücküberweist, sieht sich Martin Schulz am richtigen Platz. „Hier kann man etwas Neues aufbauen.“
Schulz, Michaelis und die anderen sind keine verführten Naivlinge, die auf einen raffinierten Guru hereingefallen sind. Sie wollen wirklich, was sie tun. In den guten Jahren des Königreichs bekamen sie dafür ein Taschengeld ausgezahlt, das bei Hofe verschroben „mildtätige Gabe“ genannt wurde. 150, 250 oder 400 Euro gab es. Wer neu zur Gruppe stieß, durfte Peter Fitzek mitteilen, welchen Betrag er zum Leben benötigt. Martin Schulz rechnete penibel zusammen, was unbedingt sein müsse. „Mehr hätte ich nicht gewollt, weil das bei unserem Projekt gefehlt hätte.“ Gruppenzwang als Gruppendrang. Wer wenig von dem Geld nimmt, das zum Teil von den Kapitalüberlassern stammt, wegen deren Geld Fitzek vor Gericht steht, ist am Ende ein glücklicherer Untertan.
Martin Schulz ist sehr glücklich. Er besitzt heute zwei oder drei Pullover, zwei Hosen und das war’s. „Wichtig ist nicht, was man anfassen kann“, sagt er. Sondern dieses „Projekt“, das für ihn mit einem Umbau des Geldsystems und der Abschaffung der Zinsen zu tun hat. Große Baustellen für die kleine Gemeinschaft, die zumindest nach Ansicht von Schulz und Michaelis höchst harmonisch und selbstorganisiert zusammenlebt. Kritiker bemängeln zwar autoritäre Strukturen, mangelnde Demokratie und ein konsequentes Führerprinzip. Aber die Königskinder bestreiten das. Alles ist gut. Ein Traum.
Schulz ist Idealist, er glaubt fest an die Mission des Königreiches. „Wir brauchen eine Alternative zu der Gesellschaft, die wir haben.“ Aufgeben kommt denn auch nicht infrage, selbst wenn König Peter wirklich verurteilt werden sollte. „Am Tag, bevor er abgeholt wurde, hat er uns noch gefragt, ob wir hier ohne ihn klarkommen“, sagt Benjamin Michaelis. Inzwischen wissen sie, ja, kommen sie. Der Laden läuft, der Ausbau geht weiter. „Bei den Seminaren, die Peter früher gehalten hat, stehen wir jetzt vorn.“
In der Gewissheit, das Richtige zu glauben und zu tun, leben die Königskinder ein Leben wie im Kloster, abgeschlossen hinterm Krankenhauszaun. Schulz und Michaelis haben mittlerweile ein Viertel ihres Lebens im Kreis um Peter Fitzek verbracht, sie haben eine Krankenkasse aufgebaut, eine Bank gegründet und einen Staat simuliert. Nichts davon ist gelungen. Nicht einmal mehr mildtätige Gaben gibt es, weil die Spenden, die noch reinkommen, für Fitzeks Anwaltskosten gebraucht werden.
Aber Wunder kommen vor, wie Martin Schulz versichert. „Immer, wenn wir etwas wirklich gebraucht haben, dann hat es Gott uns geschickt.“ Wie ihm gerade die Lebensgefährtin, um die er vor zwei Jahren mal gebetet hat. Im Sommer stand sie bei einem Seminar plötzlich vor ihm, eine neugierige Besucherin. Schulz lächelt. „In ein paar Wochen zieht sie her.“ Wie lange sie bleiben wird, hängt nicht nur von der Liebe ab. Zwar glauben Fitzeks Getreue hartnäckig an einen Freispruch für ihren König und auch daran, dass das Krankenhausgelände ihnen danach wieder richtig gehören wird. Aber kommt es anders, dann ist das eben so. „Dann fangen wir woanders von vorn an“, sagt Benjamin Michaelis. (mz)