Gut eigentlich hatte ich mal auf eine grobe Zusammenfassung gehofft wann nun ein Anwalt zwingend nötig ist und wann nicht - da steige ich nämlich irgendwie noch nicht durch!
Gerne doch ! Geregelt ist die notwendige Verteidigung (landläufig verwendet man da oft den Begriff des Pflichtverteidigers) in § 140 der Strafprozessordnung (StPO). Dort sind in Absatz 1 insgesamt neun Fälle aufgeführt, in denen die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, hier vielleicht nur die in der Praxis wichtigsten Fälle:
- Das Verfahren beginnt in erster Instanz beim Landgericht oder beim Oberlandesgericht.
- Es geht um ein Verbrechen, also um eine Straftat mit einer gesetzlichen Mindeststrafe von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe.
- Es kommt die Verhängung eines Berufsverbots in Betracht (gut, das ist eigentlich ein eher seltener Fall).
- Der Beschuldigte/Angeschuldigte/Angeklagte befindet sich in Untersuchungshaft oder einstweiliger Unterbringung.
- Der Beschuldigte/Angeschuldigte/Angeklagte befindet sich seit mehr als drei Monaten in einer anderen Form der Freiheitsentziehung (z.B. in Strafhaft).
In § 140 Abs.2 StPO findet sich sodann eine allgemeine Regelung, wonach ein Verteidiger auch notwendig ist, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann. Die erforderliche "Schwere der Tat" nimmt man in der Regel an, wenn bei Vergehen (für Verbrechen gilt ja Absatz 1) eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu erwarten ist.
Keiner dieser Fälle lag hier vor. Wenn Angeklagte sich durch ihre Angaben selber in die Fäkalien reiten, ist das im Sinne des Gesetzes noch keine offensichtliche Unfähigkeit, sich zu verteidigen.
Man muss auch bedenken, dass der notwendige Verteidiger erstmal aus der Staatskasse bezahlt wird und dass es nicht sicher ist, ob der Verurteilte am Ende die Kosten auch tatsächlich bezahlen wird. Das ist einer der Gründe, warum Gerichte bei der Bestellung eines Verteidigers eher zurückhaltend sind.
Völliger Unsinn ist übrigens - jedenfalls in Deutschland - das in vielen amerikanischen Kriminalfilmen verbreitete und in Deutschland scheinbar gern adaptierte Klischee, dass der Angeklagte/Verurteilte ja "nur einen Pflichtverteidiger" hatte und nur deshalb verurteilt bzw. viel härter als notwendig bestraft wurde. In der Praxis wird in ca. 90 Prozent der Fälle derjenige Verteidiger beigeordnet, den der Beschuldigte bereits von sich aus beauftragt oder dem Gericht genannt hat, also der sogenannte Wahlverteidiger. Diesen Antrag kann das Gericht in der Regel auch nicht übergehen. In den wenigen Fallen, in denen dem Gericht die Auswahl des Verteidigers verbleibt, wird man natürlich nicht unbedingt einen besonders unbequemen Verteidiger oder gar einen der berüchtigten Konfliktverteidiger bestellen. Aber es ist keineswegs so, dass da nur die besonders jungen, unerfahrenen oder fachlich minderbemittelten Rechtsanwälte zum Zuge kommen. Solche Mandate, bei denen die Staatskasse als sicherer Zahler die Gebühren übernimmt, sind bei vielen Anwälten durchaus beliebt, jedenfalls wenn es nicht um für das eigene Ansehen möglicherweise schädliche Mandate geht, das kann bei Sexualstraftaten oder auch bei Straftaten im Bereich des politischen Extremismus der Fall sein. Aber die letztgenannte Gruppe hat ja sowohl im linken wie im rechten Spektrum jeweils eigene Leute, die sich gern als beigeordnete Verteidiger zur Verfügung stellen.