Die "Gründungsurkunde des Landes Hessen" anzufordern hat auch nichts geholfen. Jetzt sind erst mal (neben den vorher schon bestehenden Verbindlichkeiten) eine Strafe von 8.400 Euronen (120 TS á 70 €) gezahlt werden.

Sonst steht dann doch eine Freiheitsstrafe ins Haus.
Allerdings, das "dilettantische Vorgehen" könnte man im Prinzip als systemimmanent in diesen Kreisen bezeichen. Klappt die eine Vorgehensweise nicht, versucht man es mit der anderen und im Netz findet man ohnehin noch 100 andere.
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Prozess
Reichsbürger-Stil: Angeklagter wollte "Gründungsurkunde des Landes Hessen" sehen
30.10.19 03:00
Bedrohung und Nötigung in klassischer „Reichsbürger“-Manier: Dieser Tatbestand hat dem Angeklagten in einem Strafprozess am Langener Amtsgericht die Verurteilung zur Zahlung einer empfindlichen Geldstrafe eingebracht.
Langen – 8 400 Euro muss der 52-Jährige berappen. Zudem macht Richter Volker Horn im Zuge der Urteilsverkündung unmissverständlich deutlich: „Sie sind haarscharf an einer viermonatigen Freiheitsstrafe vorbeigeschrammt.“ Bediene der Angeklagte sich in Zukunft auch nur noch ansatzweise gegenüber Behörden oder Amtsträgern der Werkzeuge aus der Reichsbürger- beziehungsweise Selbstverwalter-Werkzeugkiste, könne er keinesfalls noch einmal mit Milde rechnen. „Gegenüber dieser Subkultur fahren Behörden und Justiz im Regierungsbezirk Darmstadt eine ganz klare, knallharte Linie“, bekommt der 52-Jährige vom Staatsanwalt mit auf den Weg.
Langen: Kein "routinierter Reichsbürger"
Dass der Appell wohl auf fruchtbaren Boden fällt, ist die gute Nachricht zur knapp 45-minütigen Verhandlung. Denn im Prinzip war der Mann bei seinem zur Strafanzeige gebrachten Versuch, eine Gerichtsvollzieherin unter Druck zu setzen, derart dilettantisch zu Werke gegangen, dass man ihn wahrlich nicht als „routinierten Reichsbürger“ einstufen muss. Ohne Anwalt zur Verhandlung erschienen, zeigt der Angeklagte sich denn auch einsichtig und reuig und betont: „Mit Reichsbürgern hab’ ich gar nichts am Hut.“
Dass er sich dennoch in genau diesem Mäntelchen vor dem Amtsrichter verantworten muss, hat der Angeklagte seiner Reaktion auf die Zustellung eines Zwangsvollstreckungsbescheids im Sommer 2018 zuzuschreiben. Weil er die Raten eines Kredits nicht bedient hatte, strengte die Bank ein Verfahren an, woraufhin eine Langener Gerichtsvollzieherin mit dem Fall betraut wurde und dem 52-Jährigen die Amtsdokumente zustellte.
Langen: Angeklagter fordert "Gründungsurkunde des Landes Hessen"
Jener konterte mit einem Schreiben an die Gerichtsvollzieherin, in dem er die Rechtmäßigkeit des Verfahrens und die Zuständigkeit der Vollzugsbeamtin infrage stellte. Darüber hinaus forderte er die Vorlage einer „Gründungsurkunde des Landes Hessen“ ein und kündigte der Gerichtsvollzieherin an, sie privat auf eine Strafzahlung in Höhe von 500 000 Euro zu verklagen.
„Das ist der Klassiker der pseudojuristischen Drohkulisse im Reichsbürger-Stil, um Behördenmitarbeiter zu verunsichern“, hält Richter Horn dem Angeklagten vor. Die als Zeugin vorgeladene Gerichtsvollzieherin gibt zu Protokoll, dass „so ein Schrieb grundsätzlich erst mal lächerlich daherkommt“. Gleichwohl höre bei persönlichen Drohungen dieser Art der Spaß auf – „wir haben da klare Vorgaben, wie mit solchen Schreiben umzugehen ist“. Insofern habe sie den Brief des Angeklagten an die Behördenleitung weitergereicht und ansonsten mit dem Schuldner nichts mehr zu tun gehabt.
Dieser gibt sich längst kleinlaut und reumütig, kündigt an, sich bei der Gerichtsvollzieherin schriftlich zu entschuldigen und rekapituliert. „Es lief finanziell nicht gut bei mir, hinzu kamen private Probleme. Ich war stinksauer, hab im Internet gegoogelt und bin auf dieses Musterschreiben gestoßen.“
Langen: Personalausweis als Pluspunkt
„Eine ganz dumme Nummer“, rekapituliert Richter Horn im Gegenzug. Er lässt sich den Personalausweis des Mannes zeigen – sozusagen der Klassiker unter den „Reichsbürger-Tests“, denn für gewöhnlich hat diese Klientel sich von dem Ausweisdokument verabschiedet. Der Angeklagte kann das Gewünschte vorweisen – klarer Pluspunkt. Freilich hat er auch noch diverse Geld- und sogar Freiheitsstrafen wegen des notorischen Hangs zum Autofahren ohne Führerschein im Gepäck. Zwar ein gänzlich anderes Themenfeld, allerdings an eine aktuell noch laufende Bewährungsstrafe gekoppelt – klarer Minuspunkt.
Vier Monate Freiheitsstrafe – mithin 120 Tage. In Geldstrafe umgemünzt: 120 Tagessätze. Die legt Volker Horn auf je 70 Euro fest, summa summarum 8400 Euro. „Sie mögen das hoch finden, aber da sind alle mildernden Umstände drin – Sie scheinen geläutert und Sie bleiben ein freier Mann“, betont Horn.
Das Schlusswort hat der Angeklagte: „Ich habe verstanden“, beteuert er. Er sei mittlerweile gefestigt, habe einen guten Job und besuche eine Gesprächstherapie. Den Saal verlässt er mit höflichem „Auf Wiedersehen“. „Hoffentlich nicht“, üben Richter und Staatsanwalt sich im Synchron-Zuruf.
Währenddessen sieht das Land Hessen Anhaltspunkte, dass im öffentlichen Dienst des Landes drei "Reichsbürger" beschäftigt sind.
https://www.op-online.de/region/langen/prozess-langen-noetigung-bedrohung-reichsbuerger-manier-13178574.html__________________
Dieser Artikel läuft wohl unter der Rubrik: Die AfD wirkt. Oder: Man hat einfach 70 Jahre tief und fest geschlafen bzw. rechtsextreme Strukturen und Bestrebungen intensiv ignoriert.
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Rechtsextremismus: Die Augen – rechts!
Die Nachrichtendienste kümmern sich verstärkt um Rechtsextremismus, sagten ihre Präsidenten im Bundestag. Die Bedrohung wachse. "Da ist eine Zäsur passiert."
Von Kai Biermann
29. Oktober 2019, 15:23 Uhr 282 Kommentare
Die Bedrohung durch Rechtsextremisten ist in Deutschland deutlich gewachsen. Diesen Eindruck haben die Präsidenten der drei deutschen Nachrichtendienste übereinstimmend bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestag vermittelt. Wobei diese Einschätzung wohl vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst inzwischen genauer hinschauen, wenn es um Rechtsextreme geht. Auch das wurde bei der jährlichen Befragung vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages deutlich.
Laut BfV-Präsidenten Thomas Haldenwang zählt das BfV 12.700 Menschen zur gewaltbereiten rechtsextremen Szene in Deutschland. Die Polizei stuft aktuell 43 Rechtsextremisten als Gefährder ein, denen ein Anschlag zuzutrauen ist. Die letztere Zahl werde sich erhöhen, sagte Haldenwang unter Bezug auf Gespräche mit dem dafür zuständigen Bundeskriminalamt.
20 Verdachtsfälle im KSK
Auch wenn die Zahl der erkannten Extremisten ungefähr gleich bleibe, "die Zahl der rechtsextremen Verdachtsfälle in der Bundeswehr steigt", sagte der Präsident des Abschirmdienstes (BAMAD), Christof Gramm. Derzeit seien es 500. Allein circa 20 davon habe man im Kommando Spezialkräfte (KSK) ausgemacht, der Spezialeinheit der Bundeswehr. Das KSK habe sich "zum Arbeitsschwerpunkt" des BAMAD entwickelt, so Gramm.
In seiner Behörde finde das Thema Rechtsextremismus generell stärkere Beachtung. Auf die Frage des Grünenabgeordneten Konstantin von Notz, ob es ein Netzwerk von Rechtsextremisten in der Bundeswehr gebe, sagte Gramm: "Jein." Der Begriff Netzwerk sei nicht scharf greifbar. Man sehe aber "Personenzusammschlüsse".
Verfassungsschutzchef Haldenwang beschrieb die Beobachtung, dass es der rechtsextremen Szene gelänge, sich immer weiter mit Teilen des Bürgertums zu vernetzen. "Die sprichwörtliche ‘rechte Ecke’, mit der sich trennscharf Extremisten vom bürgerlichen Lager unterscheiden lassen, gibt es nicht mehr", sagte Haldenwang. Der Verfassungsschutz habe es immer häufiger "mit rechtsoffenen Mischszenen zu tun". Außerdem sei die sogenannte Neue Rechte "im politischen Vorfeld aktiv, um rechtes Gedankengut auf viele Füße zu stellen". Mehrfach erwähnte Haldenwang dabei die Identitäre Bewegung, den Flügel der AfD und die Junge Alternative. Alle drei Gruppen sind inzwischen Beobachtungsfälle des BfV.
Nährboden für Rassismus und Extremismus
Der BND hat als Auslandsnachrichtendienst weniger mit Rechtsextremisten zu tun, aber auch BND-Chef Bruno Kahl hat die Beobachtung dieses Themas verstärkt. Er habe einen Beauftragten für extremistische Bedrohungen berufen. Dieser solle Erkenntnisse sammeln und anderen Behörden zur Verfügung stellen.
Bis vor Kurzem galten alle drei Geheimdienste als eher kurzsichtig, wenn es um das Thema Rechtsextremismus ging. Vor allem das Bundesamt für Verfassungsschutz unter seinem damaligen Präsidenten Hans-Georg Maaßen wehrte sich dagegen, beispielsweise Teile der AfD oder Reichsbürger als rechtsextrem anzusehen und zu beobachten. Das hat sich inzwischen geändert – vor allem diesen Eindruck wollten die drei Geheimdienstler bei der jährlichen Anhörung offenbar vermitteln. So distanzierte sich Haldenwang von Äußerungen, die Maaßen in letzter Zeit getätigt hatte: "Ich bin nicht das Kindermädchen von Dr. Maaßen. Ich habe keinen Einfluss darauf, wie er sich äußert. Manches erstaunt mich auch."
Spätestens seit dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke sei klar geworden, "dass wir es mit einer Zäsur zu tun haben", sagte BAMAD-Präsident Gramm. "Es gibt in Deutschland wieder einen Nährboden, auf dem Extremismus und Rassismus wachsen können." In seiner Behörde habe ein Mentalitätswandel stattgefunden, man werde künftig nicht nur die Bundeswehr allein betrachten, sondern auch Verbindungen von Bundeswehrangehörigen in andere Bereiche. Der BAMAD habe die "Sensorik für Beziehungsgeflechte verfeinert" und den entsprechenden Bereich personell verstärkt. Auch Themen wie bei der Bundeswehr abhanden gekommene Waffen würden nun stärker in den Blick genommen.
"Virtueller Rechtsextremismus"
Dabei scheint nun auch die Tatsache bei den Diensten angekommen zu sein, dass es auch Staatsdiener mit rechtsextremistischen Haltungen gibt. Haldenwang sagte, der Verfassungsschutz werde zusammen mit seinen Landesämtern künftig ein Lagebild Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst erstellen. Es seien inzwischen "zu viele Einzelfälle, als dass man dem nicht mehr Beachtung schenken sollte".
Dabei sollen beispielsweise in der Bundeswehr auch jene genauer beobachtet werden, bei denen die Schwelle zum Rechtsextremismus noch nicht überschritten ist, so BAMAD-Chef Gramm. Soldaten, bei denen es "Erkenntnisse zu fehlender Verfassungstreue" gebe, hätten in der Bundeswehr nichts verloren. Ein Staatsdiener sei verpflichtet, seinen Staat auch in einer Krise zu schützen und dürfe keine Bestrebungen unterstützen, ihn abzuschaffen.
Der Verfassungsschutz konzentriert sich nach Aussage von Haldenwang nun auch auf das Internet als Treffpunkt von Extremisten. Man tue entschieden mehr, um dort aufzuklären. Denn dieser virtuelle Rechtsextremismus, wie Haldenwang ihn nannte, sei eine große Gefahr. In offenen und verdeckten Foren würden sich Gleichgesinnte treffen und irgendwann entscheiden, "jetzt haben wir genug geredet, jetzt machen wir mal was".
Haldenwang erwähnte auch den Täter von Halle. Er sei ein Beispiel für einen "missionarischen Tätertyp" mit einer "Ideologie Marke Eigenbau", der ein Fanal setzen wolle. Er habe seine Pläne vor der Tat mit niemandem geteilt, aber auch er sei nicht allein, sondern habe sich in einem bestimmten Umfeld radikalisiert. Diese Netze müsse man erkennen. Dazu habe man personell und technisch aufgestockt.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-10/rechtsextremismus-bnd-bfv-bmad-bundestag-anhoerung-nachrichtendiensteIn den Kommentaren sind dann die ganzen AfD-Fans und eine Menge "Reichsbürger" aktiv.
