Zu der hier inzwischen schon sehr differenzierten Diskussion noch ein paar kleine Anmerkungen von mir:
- Eine aktive Neonaziszene in der DDR mit heimlichen Ritualen und illegalen (Wehr-)Sportclubs war eine offiziell totgeschwiegene aber brutale Realität im "antifaschistischen Staat", und es waren in dieser Parallelwelt ausgerechnet auch noch häufig die so genannten "Söhne der Partei", also die Kinder der Kader und Offiziere aktiv, für die ja schon von Klein auf die Möglichkeit bestand, in der
GST für den "Frieden der Welt" an echten Waffen zu spielen. Ich verweise hier auch immer wieder auf die Forschungsarbeit von Thomas Auerbach:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13769055/Geburt-des-Rechtsextremismus-im-Stasi-Elternhaus.html- Um dieser auch mit den Hooligans und den Motorradbastlern verbundenen Szene, die es ja alle offiziell eigentlich gar nicht geben durfte und daher als "Rowdytum" verniedlicht wurde, Herr zu werden, wurden also gezielt einzelne Akteuere herausgegriffen und "eliminiert", und wegen oft anderer Straftaten verurteilt, inhaftiert und dann vorzugsweise in die BRD abgeschoben. Angeblich soll auch damals schon das alte Spiel mit den agent provocatueren zum Einsatz gekommen sein.
Hier ein paar interessante biografische Details zu den braunen Köpfen der Ostneonazis:
http://www.antifa-nazis-ddr.de/nazis/bildergallerie.htmlweitere Quelle- Bereits in den Oktobertagen von 1989 passierte allerdings schon etwas, was in der offiziellen Geschichtswahrnehmung leider auch bis heute kaum Beachtung fand, nämlich mit den plötzlichen Massen bei den Montagsdemonstrationen veränderte sich nämlich plötzlich das "Publikum" und kippte die Stimmung:
http://www.heise.de/tp/news/Verkitschte-Revolte-2414745.html (auch mit Kommentaren lesen!)
Niederlage für die DDR-Opposition
Die Konzentration auf den 9. Oktober ist auch eine Ohrfeige für die DDR-Opposition, die gegen das autoritäre SED-Regime aufgestanden ist und eine demokratische DDR forderte. Sie haben lange vor dem 9. Oktober Widerstand und Zivilcourage geleistet.
Mit der Bewegung vom 9. Oktober hingegen kam eine deutschnationale Komponente in die Protestbewegung, die viele DDR-Oppositionelle zur Verzweiflung brachte. Bald überwogen schwarzrotgoldene Fahnen und Helmut, Helmut-Rufe.
Verschiedene ultrarechte Gruppen sahen die Montagsdemonstrationen als ihr Rekrutierungsterrain. Daher gibt es durchaus eine direkte Verbindung von den nationalen Aufwallungen ab dem 9. Oktober bis zu den Übergriffen auf Nichtdeutsche nur wenige Monate später. In den offiziellen Gedenkreden und Events hört man davon natürlich nichts.
Dafür stellt das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer in seinen kritischen Beitrag die Fragen, die im weihevollen Staatsakt nicht gestellt werden:
"Wie kam es, dass die Montagsdemos schon Ende November 89 von einem nationalistisch eingestellten Mob dominiert wurden, der alle Andersdenkenden niederschrie? Dass das Bündnis 90, die Partei der Bürgerrechtler, bei den ersten freien Wahlen in der DDR 1990 gerade einmal 2,9 Prozent der Stimmen erhielt? Dass stattdessen CDU-Blockflöten, besonders in Sachsen, an die Macht durchmarschierten? Dass schon bald in Leipzig-Grünau Brandsätze ins Asylbewerberheim flogen."
- Gerade dieses seltsame Selbstverständnis als die "wahren Revolutionäre" der Wende prägt noch heute die braune Szene und dewegen auch die gelegentlich großspurigen Töne von "Wende 2.0" etc aus eben dieser Ecke. Ob diese Sorte "Revolutionäre" nun auch dafür gesorgt haben, dass sich teilweise auch viele belastete Altkader erfolgreich in die Demokratie retten konnten, kann man allerdings nur spekulieren.
https://www.youtube.com/watch?v=PycAXRxzgY0&feature=youtu.be- Als gesichert gilt, dass nach 1990 viele der noch zu DDR- Zeiten als Kriminelle abgeschobenen Neonazis, die sich zwischenzeitlich in der BRD auch als Türsteher u.ä. durchgeschlagen hatten und dadurch schnell Kontakt in die entsprechenden Subkulturen aber auch in die echte OK bekommen hatten, mit entsprechendem Knowhow und mit ihrem Kontakt zu den rechten Parteikadern bald wieder in die neuen Länder zurückkamen und sich nun ihrerseits erfolgreich am "Aufbau Ost" beteiligten, dh. sie kontrollierten in der Regel schon ab dem Tag 1 erfolgreich das Rotlicht und bauten rechtsnationale Parteistrukturen auf. So wuchs zumindest in dieser rechten Szene ganz schnell wieder das zusammen, was "zusammengehört".
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13488222.html- Die Polizei selbst befand sich aber noch in der Umstrukturierungsphase und war mit sich und der Wende völlig überfordert, so dass es ihr vermutlich auch lieber war, wenn es die eigenen Pappenheimer waren, die nun die Straßen, die Bordelle und die Fußballstadien auf ihre eigene Weise "kontrollierten".
http://www.mdr.de/damals/rechtsextremismus/rechtsextremismus150.htmlwww.zdf.de/zdfinfo/npd-und-nsu-die-neuen-nazis-31785748.html sowie
Buchempfehlung- Hinzu kam, dass nach 1990 "blühende Landschaften" im Osten erst einmal Deindustrialisierung im gorßen Stil bedeutete (Freital und Heidenau waren da auch besonders betroffen) und gleichzeitig auch die künstliche soziale Infrastruktur der DDR wegbrach, dh. neben der Massenarbeitslosigkeit fehlten plötzlich auch die Freizeitangebote und Jugendklubs. Und genau in dieses Wendechaos und das soziale Vakuum, das der staatlich verordnete "Gemeinschaftssinn" hinterließ, stießen nun gezielt die braunen "Kameradschaften" mit ihren eigenen "Angeboten". Vor allem für viele Desorientierte, Aussortierte und Teenies, deren Eltern plötzlich weniger Zeit für sie hatten, war das eine fatale Situation.
- Und genau diese Köpfe von damals, dh. die Akteure von Lichtenhagen, Hoyerswerda, die Brandschatzer der Szencafes der Dresdner Neustadt sind nun heute genau im typschen Pegida- und DPHW Alter und gleichzeitig genau die Elterngeneration der Heidenau- Kids.
@Rima882 spricht noch zwei andere und nicht unbedeutende Aspekte an, dafür Dankeschön!
In den Aspekt der teilweise grassierenden DDR- Verklärung mischt sich vermutlich auch noch eine typische
psychologische Schuldabwehr. Dies wurde auch möglich durch eine nicht wirklich erfolgte Aufarbeitung von Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung oder die Beteiligung der DDR an illegalen Geschäften bzw. am internationalen Terrorismus. Vielmehr wird nun nochmal die "Lebensleistung" der eigenen Elterngeneration verteidigt bis hin zur Verleugnung von Mitschuld und Mittäterschaft in dieser 2. deutschen Diktatur, die meiner Meinung nach eben doch vielmehr den Faschismus konserviert hat und die teilweise sogar noch antisemitischer war, als sie sich je eingehen wollte.
http://www.deutschlandradiokultur.de/antisemitismus-in-der-ddr.1079.de.html?dram:article_id=176132 Weiter kommt in meinen Augen noch eine weitere ostdeutsche Besonderheit hinzu: So wenig wie die teilweise sinnfreien Parolen des Sozialismus mit der Wirklichkeit in dem Land zu tun hatten ("Die Lehre von Marx ist wahr, weil sie richtig ist."), so wenig passen heute auch wieder die Phrasen der "erwachten Patrioten" bzw. von einem Fitzek und seinen Pudeln mit der Realität dahinter zusammen. Und genau dieses erstaunliche
Ausblendenkönnen von jeglichen kognitiven Dissonanzen scheint mir mit einer frühen Bildungserfahrung im Osten zusammenzuhängen, wo jedes hinreichend normalgesunde Kind schnell lernen musste, dass es in der "schönen DDR" eben zwei Sorten Wahrheit gibt, eine offizielle Wahrheit, also die für die Pionierleiterin und eine "wahre Wahrheit"... ;-) Und manches der heute angeblich neuen "wahren Wahrheiten" der Szene erinnert mich nämlich so verdammt an die alten Phrasologien der seinerzeit "offiziellen Wahrheit". Das kann Zufall sein, aber Psychologen behaupten ja, dass Menschen in Krisen und Stresssituationen unbewußt auf früh erlernte Denk- und Verhaltensmuster zurückgreifen (
siehe Regression).
Ich empfehle an der Stelle noch sehr einen Beitrag von Spiegel- TV zu den Hetzern von Freital:
http://www.spiegel.tv/filme/die-hass-prediger-aus-freital Fast symptomatisch wurden dort 3 exemplarische Typen rausgefischt, die besser nicht passen könnten: Da ist der Demagoge, der den "Mediator" spielt und Hetzer per exellence ist, und der sogar noch ein echtes "Geschäftsmodell" aus seiner Beteiligung an Pegida/ Frigida macht und dessen Freitaler Timba- Loungebar als echter "Treffpunkt" zur Zeit immer gut gefüllt ist. Dann ist da der unverschämte, junge Nazirebell mit seinen Hool- Szeneinsignien und schließlich der Mitläufer- Wendevölligverlorene, dessen Portrait schon fast tragischkomisch ist.
Aber die Eskalation der Ereignisse in rund um Dresden sind trotzdem nicht ganz vollständig zu verstehen, ohne einen besonderen alten und neuen Kitt der ganzen rechten Szene zu berücksichtigen, und das ist einerseits ein örtlicher drittklassiger Fußballverein, dessen Anhänger sich die besondere "Ehre" erarbeitet hatten, noch Anfang 2015 in dieses BGH- Urteil einzugehen:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0011/15und eine unlängst aus dem Dresdner Stadtrat und der sächsischen Landesregierung verschwundene Pünktchenpartei, deren ehemalige Mitglieder bei den "bekloppten Patrioten" mitmischen
http://www.sz-online.de/sachsen/pegida-wie-alles-begann-3000330.htmlSpoiler
Pegida – wie alles begann
Montag, 22.12.2014
Pegida – wie alles begann
Ohne Facebook und ohne Kontakte in die Sport- und Partyszene hätten Lutz Bachmann und seine Freunde es kaum geschafft, die Massen zu bewegen. Auch die Dresdner FDP spielt eine Rolle.
Von Ulrich Wolf, Alexander Schneider und Tobias Wolf
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Ein Bild aus der Zeit, als die Sächsische Zeitung für Pegida-Gründer Lutz Bachmann noch nützlich und keine „Lügenpresse“ war: Im März 2014 warb er gemeinsam mit seiner heutigen Frau Vicky (li.) und der Freitaler Stadträtin Claudia Mihály für eine neue Textilkollektion.
Ein Bild aus der Zeit, als die Sächsische Zeitung für Pegida-Gründer Lutz Bachmann noch nützlich und keine „Lügenpresse“ war: Im März 2014 warb er gemeinsam mit seiner heutigen Frau Vicky (li.) und der Freitaler Stadträtin Claudia Mihály für eine neue Textilkollektion.
© Katja Frohberg
Das Wetter ist herrlich an diesem frühen Abend, als Lutz Bachmann durch die Dresdner Innenstadt spaziert. Fast wolkenloser Himmel, tagsüber waren es über 20 Grad und das am 10. Oktober. Die Welt hätte so schön sein können, wäre da nicht dieser Krach in der Prager Straße gewesen. Eine Frau mit schriller Stimme schreit in ein Megafon, fordert Waffenlieferungen für die kurdische PKK im Kampf gegen islamische Terroristen. Rote Fahnen wehen, Trillerpfeifen trillern. Bachmann filmt die Szenerie mit dem Handy. Es sind die Geburtsminuten der Pegida-Bewegung.
Wochen später wird Lutz Bachmann dem Fernsehableger des rechtskonservativen Blattes Junge Freiheit ein Interview geben. Auf die Frage, wann denn alles begann, wird der 41-Jährige auf eben diese Demonstration verweisen: „Da haben 2 000 Menschen, so schätze ich, für Waffenlieferungen an die PKK demonstriert, also an eine verfassungsfeindliche terroristische Organisation.“ Zwar hatte die Polizei nur 350 Teilnehmer gezählt, Bachmann aber trommelte einige Freunde in ein griechisches Restaurant zusammen, um zu überlegen, was man tun könne gegen die Islamisierung. „Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, über Facebook darüber aufzuklären.“
Facebook ist wichtig. Ohne dieses soziale Netzwerk wäre der rasante Erfolg von Pegida nicht möglich gewesen. Und Freunde. Auch die sind wichtig. Die auf Facebook, klar, aber auch die im realen Leben. „90 Prozent ist engster Freundeskreis“, sagte Bachmann dem Fernsehteam der Jungen Freiheit auf die Frage, wer zum Organisationsteam der Pegida gehört.
Seine Frau Vicky gehört dazu, 31, wie ihr Mann in der Werbebranche unterwegs, erfolgreiche Halbprofi-Tänzerin, eng befreundet mit einer erfolgreichen Friseurin, die im Freitaler Stadtrat sitzt.
Thomas Hiemann, 44, zweifacher Familienvater, Mitglied des Eishockeyfanclubs „Goldkufen“, der in der Nordkurve des Dresdner Bundesligateams Eislöwen Stimmung macht. Dort rufen ihn alle nur „Hiemännel“.
Ingo Friedemann, 46, ein Moritzburger. Er war bis zum März dieses Jahres Geschäftsführer des türkischen Bads „Der kleine Muck“, versehen mit Ornamenten und Symbolen aus dem Morgenland. Er arbeitete schon mit der Dresdner Marketinggesellschaft zusammen, war Vorstand im örtlichen Sportförderverein. Vor einem Dreivierteljahr erstickte das Dampfbad in der Pleite, seitdem schlägt sich Friedemann als Ein-Mann-Dienstleister mit Hausmeister-Jobs und Gastronomiebetreuung durch.
René Jahn, 49, ein Dresdner, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin einen Hausmeisterservice führt. Von der Polytechnischen Oberschule ging es über die Betriebsberufsschule des VEB Edelstahlwerk in Freital zur Unteroffiziersschule der Nationalen Volksarmee im vorpommerischen Eggesin. In einem Porträt über auswärtige Fans des Eishockeyclubs Eisbären schreibt der Berliner Tagesspiegel über Jahn: „Als Soldat war er zu DDR-Zeiten in Berlin, schon 1987 war er im Sportforum bei Spielen des Vorgängerclubs Dynamo zu Gast.“ Er, Jahn, glaube, „dass das Ostding eine Rolle spielt, das ist Kult“.
Kathrin Oertel, 36, ging wie Lutz Bachmann in Coswig zur Schule. Der Bild-Zeitung sagte sie, sie sei Wirtschaftsberaterin und dreifache Mutter.
Fünf an und für sich apolitische Bachmann-Freunde, mitten aus dem Leben, mit mehr oder minder großen Schwierigkeiten zurechtzukommen. Mitnichten klassische Neonazis. Was sie bisher einte – so ist ihren Internetbotschaften zu entnehmen –, ist die Lust auf Spaß in der Dresdner Partyszene und die Begeisterung für Sport. Jetzt organisieren sie gemeinsam den Straßenprotest mit dem Ziel, vor der drohenden Islamisierung zu warnen. Man sei dann aufgefordert worden, mal Präsenz zu zeigen, sagte Bachmann der Jungen Freiheit. Von wem, sagt er nicht. Wie in der Partyszene üblich, verabredete man sich auch auf Facebook: „Wir wollen gemeinsam auf die Straße gehen, um gegen die Glaubens- und Stellvertreterkriege zu demonstrieren, die Zug um Zug auf unseren friedlichen deutschen Boden gebracht werden“, heißt es da. Man treffe sich am 20. Oktober, kurz vor 18 Uhr an der Frauenkirche. „Von da startet unsere Demo.“ Gut die Hälfte der letztendlich 350 Teilnehmer meldete sich auf Facebook an.
Das Schmuddel-Image, das Pegida anhaftet, es hat auch mit dieser ersten Demo zu tun. So sagte ein Mann zu, der bereits einige der großen Nazi-Proteste rund um 13. Februar in Dresden organisiert hatte. Ein anderer unterstützte öffentlich die von Rechtsextremen organisierten „Lichtelläufe“ in Schneeberg. Auch ein ehemaliger NPD-Landtagsabgeordneter findet sich in der Liste, gewaltbereite Hardcore-Fans von Dynamo Dresden sind ebenfalls darunter. Auch Tom B., der Anmelder des „Pegida-Weihnachtlieder-Singen“ am heutigen Montag vor der Semperoper, war dabei: ein muskelbepackter Mann, der die Verpflichtung des algerischen Stürmers Mohamed Amine Aoudia durch Dynamo Dresden im Internet mit dem Satz kommentierte: „Der Waffenhändler ist da!!“
Allerdings steht auf der Liste auch ein Mitarbeiter eines großen Dresdner Chip-Produzenten, der Inhaber eines der teuersten italienischen Restaurants in Dresden, ein stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD. Vorstandsmitglieder kleinerer Fußballvereine sind dabei und sogar ein ehemaliger Fanprojekt-Leiter, der mit dem Antirassismus-Preis des Deutschen Fußballbundes ausgezeichnet worden war, später aber seinen Job wegen allzu rechtsextremer Äußerungen wieder abgeben musste. Viele kennen sich aus ihrer Zeit auf Beruflichen Schulzentren, feiern regelmäßig im „Kraftwerk Mitte“, sind Gäste auf Veranstaltungen wie „Disco Total“ oder „Theken♥♥♥nparty“. Spaß und Sport stehen im Vordergrund, zwei Szenen, die übers Internet tausendfache Kontakte ermöglichen.
Eine besondere Schnittmenge bildet das Radebeuler Football-Team Suburbian Foxes. Der Sponsor der Mannschaft, ein Gastwirt, sagt, Lutz Bachmann sei zwar mal sein Freund gewesen, dann aber habe es „einen Vorfall“ gegeben, „seitdem sind wir getrennt“. Mit Pegida habe er „nichts am Hut“.
Der Suburbian-Verteidiger mit der Rückennummer 64 hingegen schon: Siegfried Däbritz, 39, gehört zum harten Kern von Pegida. Er kümmert sich laut Bild bei den Demos mit um die Ordner. „Secty“, wie er sich auch nennt, war bei Bachmanns standesamtlicher Hochzeit dabei, ist Motorradfreak und kandidierte 2009 als Stadtrat für die FDP. Nach Angaben der Dresdner Staatsanwaltschaft hat er ein „abgeschlossenes Strafverfahren“ hinter sich gebracht.
Die Suche nach der Welt des Siegfried Däbritz führt nach Meißen. Nahe dem Weihnachtsmarkt liegt die Pension „Altstadtherberge“, die er gemeinsam mit seinen Eltern führt. Sein Vater, ein integrer Mann, der lange für die FDP im Stadtrat saß und im Fasching Talent als Büttenredner bewies, will nicht sprechen über Pegida und das Engagement seines Sohns. Die Haustür knallt er schnell wieder zu.
Links zum Thema
„Pegida“-Gegner rufen zum Protest
Auch der zweite Meißner aus dem Pegida-Organisationsteam, Thomas Tallacker, mag die Suburbian Foxes. Der 46 Jahre alte Innenausstatter saß für die CDU im Stadtrat. Bereits vor einem Jahr begann ein Parteiausschlussverfahren, weil Tallacker auf Facebook Dampf abließ und Sätze wie „als deutscher brauchst ein Visum wenn du ins Freibad willst ...“ schrieb. Die NPD bot ihm einen Parteiwechsel an. Seit einem schweren Motorradunfall Tallackers ruht das Ausschlussverfahren. Im September hatte das Dresdner Amtsgericht den bis dahin unbescholtenen Meißner wegen Körperverletzung zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Es war ein handgreiflicher Streit in der Baubranche, es ging um Geld.
Trockenbauer, Monteure, Fliesenleger. Versicherungsvertreter und Finanzvertriebler. Fußballfans, Discohelden, Auto- und Motorradfreaks. Friseurinnen, Kosmetikerinnen, Tattoo- und Nagelstudiokunden. Mitläufer aus der Nazi-Szene, ein paar versprengte AfDler. Das war die überwiegende Klientel jener rund 900 Menschen, die auf der dritten Pegida-Demo am 3. November mitliefen.
Danach muss etwas passiert sein. Der vierte Spaziergang lockte mit 2 000 Teilnehmern mehr Leute an als alle drei Protestmärsche zuvor.
Lag das an dem, was sich am 6. November im Raum „Adagio“ des Hotels Holiday Inn in Dresden abspielte? Die FDP-nahe Wilhelm-Külz-Stiftung hatte zu einer Lesung geladen. Gast war der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci, der in seinem Buch „Deutschland von Sinnen“ abrechnet mit Gutmenschen und vaterlosen Gesellen, die von Familie und Heimat nichts wissen wollten, mit einer verwirrten Öffentlichkeit, die jede sexuelle Abseitigkeit vergöttere, mit Feminismus und Gender Mainstreaming, mit dem sich angeblich immer aggressiver ausbreitenden Islam und seinen deutschen Unterstützern. Pirinçci ist eine Art Thilo Sarrazin mit Migrationshintergrund. Unter den Gästen ist an jenem Abend auch Pegida-Mann Däbritz. Auf seiner Facebook-Seite war vor wenigen Tagen noch ein Foto platziert: Bekleidet mit schwarzem T-Shirt, auf dem die Aufschrift „Gutmensch“ durchgestrichen ist, hält Däbritz Pirinçcis Buch hoch.
Auch einige lokale FDP-Politiker applaudierten eifrig dem Provokateur. Sie lassen ihn geifern: „In Deutschland können nur noch Behinderte Politiker werden.“ Eigentümer des Hotels ist der ehemalige Stadtchef der Dresdner FDP und heutige Tourismusverbandsvorsitzende Johannes Lohmeyer.
Im Video der Jungen Freiheit sagt Pegida-Erfinder Bachmann weiter, außer dem engsten Freundeskreis gehörten zum Organisationsteam „auch bekannte Persönlichkeiten aus Dresden, weswegen wir gerade so einen Zulauf aus der bürgerlichen Mitte haben.“ Etwa aus der FDP? Der Einzige, der sich aus der Partei bislang offen zu Bachmann bekennt, ist Ex-Stadtrat Burkhard Vester. Er bestätigt, dass Bachmann für sein Unternehmen, eine große Reinigungsfirma, Werbung gemacht hat, „ordentlich und kreativ“. Die Inhalte der Pegida-Bewegung hält Vester für „richtig und sinnvoll“. Deutschland habe keine vernünftige Asylpolitik, und Bachmann „rüttelt das Bewusstsein dafür wach“.
Dass der gelernte Koch und spätere Werbedesigner bei den Liberalen zumindest nicht durchweg auf Antipathien stößt, zeigt auch eine Diskussion auf der Facebook-Seite der Dresdner FDP Anfang Dezember. Pegida mobilisiert zu dieser Zeit bereits Tausende Menschen. Als in dem Chat der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Jan Mücke, die Integrität Bachmanns wegen dessen Vorstrafen infrage stellt, kontert Tourismuschef Lohmeyer: „Ach ja, jemandem nach Verbüßen seiner Strafe gebetsmühlenartig seine kriminelle Vergangenheit vorzuhalten, sollten sich Mitglieder einer Partei verkneifen, die über viele Jahre einen verurteilten Steuerhinterzieher als Bundes- und Ehrenvorsitzenden hatte.“ Auf SZ-Nachfrage räumt Lohmeyer zwar ein, Bachmanns Vergangenheit sei kein Ruhmesblatt. „Aber das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.“ Solange die Bewegung sich an die Gesetze halte, „sollte es möglich sein, Meinungen auszuhalten, die einem selber nicht passen“.
In die FDP-Diskussion mischt sich auch der Leiter einer Generalagentur der Nürnberger Versicherung in Dresden ein. Er duzt Bachmann sogar. „Das wollen die Gutmenschen doch gar nicht mehr wissen Lutz. ... dir auf den Kopf haun ... darum geht’s doch in Wirklichkeit.“ Schließlich greift der Policenspezialist Jan Mücke frontal an: „Sie sind die einzige Schande. ... nicht Pegida oder Herr Bachmann.“ Danach am Telefon befragt, sagt der Versicherungsvertreter nur: „Ihr verdreht doch eh alles. Einen schönen Tag noch.“
Der Mann ist auf Facebook mit Vicky und Lutz Bachmann, mit Siegfried Däbritz und 209 weiteren Personen befreundet, die wiederum Tausende Freunde haben. So rollt die Pegida-Lawine durchs Netz und durchs ganze Land, durch alle Schichten. Fast 76 000 Menschen haben inzwischen ihre Sympathien bekundet. Die Grünen hat Pegida damit längst überholt, bis zur SPD fehlt nicht mehr viel.
Lutz Bachmann fand die Facebook-Diskussion der Liberalen so interessant, dass er sich einloggte und FDP-Stadtrat Jens Genschmar, Direktor des Dresdner Fußballmuseums ist, darum bat, „dieses grandiose Beispiel für den bedauerlichen Untergang der FDP“ zu veröffentlichen.“ Er habe zu diesem Zweck Screenshots gefertigt, „welche morgen thematisiert werden. Danke.“ Genschmar wollte sich dazu auf SZ-Anfrage nicht äußern, wies aber Gerüchte, Pegida-nah zu sein, explizit zurück.
Dieses „morgen“, das war der 8. Dezember. Rund 10 000 Menschen strömten an jenem Tag zur Pegida-Kundgebung. Berauscht vom Erfolg, gingen Bachmann, seine Frau und sein Freund Ingo Friedemann anschließend ein wenig feiern. Ins Milieu, dahin wo alles begann. In den Dunstkreis, in dem die ersten Pegida-Fans gewonnen wurden: Es ging ins „Klax“, Dresdens älteste Stripteasebar.
Mitarbeit: Peter Redlich und Andrea Schawe
und deren rechter Wiedergänger sich offen am französischen und niederländischen Vorbild orientiert
http://www.spiegel.de/politik/ausland/geert-wilders-bei-pegida-popstar-der-islamgegner-a-1028326.html Und schlussendlich sind da noch ein paar im Wortsinne offene Rechnungen zu bestimmten Großbauvorhaben (u.a. ja auch das Fußballstadion selbst) und damit noch einige objektive Meinungsverschiedenheiten mit dem jetztigen rot-rot-grünen Stadtrat von Dresden.
Aber gestern wurde nun aus dem zuerst nur geklauten "Wir sind das Volk" ein noch absonderlicheres "Wir sind das Pack", während sich gleichzeitig, das ist auch bemerkenswert, nun ein motorisierter Mob vor der Heidenauer Notunterkunft während des Besuchs der Kanzlerin ein Hupkonzert gab, gegen das die hiesige Polizei völlig unerwartet völlig "machtlos" war. Mit von der Partie dieser neuen Form der Demonstration und wohl nicht zufällig in unten verspoilterten Artikel erwähnt, die Autos eines schon aus o.g. Pegida- wie- alles begann- Artikel bekannten Ex-FDP-Baudienstleisters mit dem ach so großen Herzen für spezielle Dresdner Sportvereine:
http://www.sz-online.de/nachrichten/wir-sind-das-pack-3183257.htmlSpoiler
„Wir sind das Pack!“
Donnerstag, 27.08.2015
„Wir sind das Pack!“
Angela Merkel besucht die Flüchtlingsunterkunft in Heidenau und wird von aggressivem Protest empfangen.
Von Sven Siebert
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Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (2. v. l.) sprechen mit Helfern, die Flüchtlinge betreuen.
Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (2. v. l.) sprechen mit Helfern, die Flüchtlinge betreuen.
© reuters
Hass schlägt Angela Merkel beim Besuch in Heidenau entgegen. Als die Wagenkolonne der Kanzlerin wieder abfährt, rufen ihr Demonstranten „Volksverräter“ hinterher und „Wir sind das Pack“. Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte bei seinem Besuch in Heidenau die gewalttätigen Randalierer vor der Flüchtlingsunterkunft als „Pack“ bezeichnet.
Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (2. v. l.) sprechen mit Helfern, die Flüchtlinge betreuen.
Als Jürgen Opitz am Montag auf den Stufen seines Rathauses die etwas flapsige Bemerkung machte, er habe nichts gegen einen Besuch der Kanzlerin – „morgen oder in zwei Tagen“ –, da ahnte er noch nichts. Nun steht der Bürgermeister von Heidenau auf dem Parkplatz vor dem ehemaligen Baumarkt, den inzwischen die ganze Republik kennt, und wartet auf Angela Merkel.
Die Bundeskanzlerin kommt nicht nur in Opitz’ 16 500-Einwohner-Stadt, in der es am vergangenen Wochenende gewalttätige Proteste gegen die Einrichtung einer Notunterkunft für Flüchtlinge gegeben hatte – Merkel hält auch noch die Frist ein.
Anderthalb Stunden wird sie an diesem Tag hier verbringen. In ihren Abstecher nach Heidenau passen eine Besichtigung der Unterkunft, Gespräche mit Helfern und Flüchtlingen und ein Statement vor den Fernsehkameras. Sie verurteilt die Gewalt vom Wochenende („beschämend, was hier passiert ist“), verspricht die Einhaltung der Grundrechte („jeder hat Recht auf ein faires Verfahren“), lobt die Hilfsorganisationen („stolz, dass wir solche Strukturen haben“) und spricht den Helfern „ein herzliches Dankeschön“ aus. Und bevor sie weiterreist nach Glashütte, um dort eine Uhren-Manufaktur einzuweihen, dankt sie auch „denen, die Hass zu ertragen haben“. Zu denen zählt an diesem Tag auch sie, die Kanzlerin, selbst.
Das Baumarkt-Gelände zwischen Heidenauer Möbelfabrik und Staatsstraße 172 wird durch eine Einsatzhundertschaft der Polizei gesichert. „Hier spricht die Polizei aus Hannover“, meldet sich der Einsatzleiter über Lautsprecher. „Lagebezogen“, wie Sachsens CDU-Innenminister Markus Ulbig sagt, hat man um Verstärkung aus Niedersachsen nach Sachsen gebeten.
Hilfe von der Polizei aus Hannover
Und die Beamtinnen und Beamten haben nicht nur vier-, fünfhundert Schaulustige auf Abstand zu halten – sie geben auch freundliche Hinweise, um Dutzende Kamerateams, Reporter und Fotografen im Zaum zu halten. Russische Sender, dänische, internationale TV-Agenturen und natürlich so ziemlich alle deutschen Medien sind gekommen, um über das Ereignis zu berichten.
Schließlich ist das der erste Besuch der Bundeskanzlerin in einer Not-Unterkunft, seit die Flüchtlingskrise begonnen hat, seit sich die ohnehin hohen Zahlen der Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber in den Sommermonaten noch verdoppelt oder verdreifacht haben. Vor allem ist es der erste Besuch nach Tagen, in denen ein sichtbares Zeichen der Regierungschefin erwartet wurde, mit dem sie sich von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit distanziert. Nach einigem Zögern rief man aus dem Bundeskanzleramt am Dienstag Jürgen Opitz an, der am Tag zuvor schon Besuch von SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel erhalten hatte.
Opitz, Ministerpräsident Stanislaw Tillich und DRK-Präsident Rudolf Seiters (alle CDU) stehen in der stechenden Mittagssonne, Innenminister Ulbig reibt sich nervös die Hände. Merkels schwarze, gepanzerte Limousine fährt vor. Von der anderen Seite der Staatsstraße, vom Parkplatz des Einkaufszentrums, schallen Rufe – „Volksverräterin!“ – herüber. Auch viele der paar Dutzend Bürger, die es bis auf den Vorplatz der Unterkunft geschafft haben, rufen „Buh!“. Einer macht Handyfotos der Kanzlerin und brüllt zugleich: „Politikerpack!“. Und ein anderer schreit: „Für alles ist Geld da, nur für die eigenen Leute nicht!“
Merkel und die Herren lassen sich nichts anmerken. Händeschütteln, freundliche Worte – dann verschwindet die Delegation hinter dem planenverhangenen Stahl-Gatter, das die Flüchtlingsunterkunft vom Parkplatz trennt.
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Tickerprotokoll des Merkel-Besuchs in Heidenau
„Draußen ist das Leben gefährlich“
Exakt 90 Minuten verbringt Merkel in der Notunterkunft. In der ersten Etage, wo die Schlafquartiere sind, wird sie von vielen der 575 Flüchtlinge empfangen, die derzeit in Heidenau untergebracht sind. Merkel wird mit Applaus begrüßt, wie Zeugen des Besuchs berichten. Menschen aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern machen Handy-Fotos, bitten um die Gelegenheit für Selfies mit der Bundeskanzlerin, Kinder werden in die Luft gehoben – der Kanzlerin kommt Freundlichkeit und wohl auch Dankbarkeit entgegen.
Jawadahmad, ein 16-jähriger Junge aus Kabul, hat vorher draußen vor dem Tor in gebrochenem Englisch erzählt, dass es ihm im Baumarkt gut gehe. Dass er gut behandelt werde, dass die Stimmung zwischen den Männern, Frauen, Jugendlichen und Kindern gut sei. Aber draußen, sagt er und deutet vage in die Richtung der Protestierer, „ist das Leben gefährlich für uns“. Jawadahmad wäre gerne in einer anderen Stadt in Deutschland.
Drüben auf der anderen Seite stehen Schaulustige und Protestierer – alles ist dort vertreten, Alt und Jung. Überwiegend aber sind es junge Männer, die „Volksverräter!“ und „Lügenpresse!“ rufen und die jedem Auto applaudieren, das hupend an der Flüchtlingsunterkunft vorbeifährt.
Motorisierter Mob darf straffrei Dauerhupen
Eine ganze Menge Autofahrer sind einem Aufruf im Internet gefolgt, ihren Widerstand gegen die Flüchtlinge im Ort durch Dauerhupen auszudrücken. Es sind Autos mit PIR und DD auf den Nummernschildern, es sind große und kleine Autos, teure und weniger teure. Auch mindestens zwei Wagen der Dresdner Dienstleistungsfirma „Vester“ fahren gleich mehrfach am Gelände vorbei und hupen.
Das ist auch drinnen zu hören, wo sich die Kanzlerin nach der Belastung der Helfer erkundigt, wo sie über all die überflüssigen Flüchtlingstransporte zwischen Unterkünften und Registrierungsstelle, zwischen Lagern und medizinischen Untersuchungen den Kopf schüttelt.
Als alles vorbei ist, als der Berliner Regierungskonvoi wieder abgerauscht ist, wird Bürgermeister Opitz gefragt, ob der Besuch nicht nur Symbolpolitik sei, die keine konkreten Verbesserungen bringe. Opitz zuckt mit den Schultern. Die Alternative wäre, sagt er, „dass sich kein Schwein um uns kümmert“. Da ist ihm die Aufregung offensichtlich lieber. Ministerpräsident, Vizekanzler, Kanzlerin, Interviews, Live-Schaltungen und Talkshows – alles in vier Tagen. Kann er noch gut schlafen? Ja, sagt Opitz, nur zu wenig.