Mittwoch, 01.04.2015
Ein bisschen Stasi im Gerichtssaal
Weil die Polizei sowieso nicht eingreift, schreitet ein Radebeuler selbst zur Tat. Und landet vor Gericht. Die Verhandlung endet abrupt.Von Jürgen Müller
Der Angeklagte, ganz in Schwarz gekleidet und die langen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, ist ein Mann der Tat. Er lässt sich nicht gängeln, schreitet schon mal selbst ein, wenn er das für nötig hält. So am 29. Juni vorigen Jahres auf dem Kirchplatz in Radebeul. Als dort – angefahren kommt, stellt er sich diesem in den Weg. Angeblich wurde er von dem Truck angefahren, der habe auch Verkehrsschilder beschädigt. Wegen Körpeein Truck – ein Infomobil der Bundesregierung rverletzung und Sachbeschädigung hat er den Fahrer angezeigt. Warum er denn nicht einfach rübergegangen sei, will der Richter wissen. „Dazu sah ich keine Veranlassung. Der Truck hatte dort nichts zu suchen. Die Ausnahmegenehmigung galt nur für den Fußweg, nicht für den gesamten Kirchplatz“, sagt er. Er habe befürchtet, dass der Truck den Fußweg vor seinem Haus zerkarrt. Abends dann soll er einen Sicherheitsmann, der den Truck bewachte, beschimpft haben als „*rsch*och, Staatsfeind, Verbrecher, Verräter“, weil der mit seinem Privat-Pkw auf dem Platz parkte.
„Ich kenne mich aus, habe selbst einen Sicherheitsdienst“, sagt der 49-jährige Angeklagte. Viel kann der aber nicht abwerfen, denn der Mann kann sich nicht mal eine Krankenversicherung leisten, wie er sagt.
Fast den Arm eingeklemmt
Von Polizisten nichts sagen lassen will er sich auch im Oktober vorigen Jahres bei einer Verkehrskontrolle. Die Polizei hatte ihn angehalten, weil er ohne Sicherheitsgurt fuhr. Er soll sich geweigert haben, Ausweis und Führerschein zu zeigen, stattdessen schiebt er nur die Zulassung und eine Metro-Karte mit Foto durchs Fenster. Er weigert sich auszusteigen. Als ein Polizist ins Auto greift, um den Zündschlüssel abzuziehen, soll er das Fenster geschlossen haben. In letzter Sekunde kann der Polizist den Arm herausziehen. Der Angeklagte bezeichnet die ganze Geschichte als ein Märchen, spricht von einem
„Überfall“ der Polizisten auf sein Auto. Die seien ins Innere eingedrungen, ein Beamter hätte sich auf einem Kind, das auf dem Beifahrersitz saß, abgestützt. Die Eltern des Kindes hätten gegen die Polizisten Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet.
Wieso er denn die Metro-Karte gezeigt hätte statt seines Personalausweises, will der Richter wissen. „Ich dachte, ich hätte ihn nicht mit, habe ihn mal hier, mal da“, so der Radebeuler. Ob er ihn denn heute mithabe, fragt der Richter. Ja. Dann solle er ihn mal zeigen. Der Ausweis ist seit einem Jahr abgelaufen. Auch dafür hat der Angeklagte eine Erklärung.
„Im Personalausweisgesetz steht, dass man einen Ausweis mitführen muss. Dass es ein gültiger sein muss, davon steht da nichts.“ Der Mann will Beweise vorlegen, dass er unschuldig ist und die Polizisten in sein Auto eingebrochen seien. Mit einem Diktiergerät habe er die Gespräche in dem Auto aufgezeichnet. Das ist jedoch illegal, wenn die Betreffenden nichts davon wissen. Der Richter beschlagnahmt die Speicherkarte, auf der das Gespräch aufgezeichnet ist.
Staatsanwältin Christine Eißmann hat eine Eingebung. „Sagen Sie mal, heute und hier im Gerichtssaal haben Sie aber nicht zufällig ein Diktiergerät laufen?“ Nein, natürlich nicht, so der Mann. Richter Andreas Poth fordert ihn jetzt auf, seine Tasche auszuräumen. Und tatsächlich findet sich ein Handy mit Aufzeichnungsfunktion. Der Angeklagte legt es auf den Richtertisch. „Was bedeutet das, ‚Sprachaufzeichnung 44:22 Minuten‘“? fragt der Richter eher rhetorisch. Denn ihm ist klar, dass der Angeklagte auch die gesamte Verhandlung aufgezeichnet hat. Ein bisschen Stasi im Gerichtssaal.
Das Verfahren wird ausgesetzt, ein neuer Termin festgesetzt, dann mit Einlasskontrollen. Und möglicherweise mit einer Nachtragsanklage.
Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/ein-bisschen-stasi-im-gerichtssaal-3072260.html