Nun ja, Wissenschaft schützt vor Torheit nicht. Meine Wenigkeit hat sich auch ein Jahrzehnt in forschenden Kreisen umhergetrieben und dabei allerlei Charaktere angetroffen, vom selbstverliebten, aber frustrierten Professor, der sich zu wenig geschätzt, zu gering bezahlt und überhaupt zu kurz gekommen wähnte bis hin zum ewigen Studiosus, der die Weltformel in Griffweite sah, aber leider immer wieder und wieder feststellen musste, dass dazu noch eine Klitzekleinigkeit fehlte.
Wie hat der Mann seine Examen geschafft? Ich denke einmal: durch Lernen. Wie ist er später auf die "schiefe Bahn" gerutscht? Dafür gibt es viele denkbare Erklärungen. Gerade in den Naturwissenschaften gibt es viele Probleme, mit denen Forscher zu kämpfen haben: Bahnbrechende Entdeckungen sind heute kaum noch nur am Schreibtisch und mit einer einfach Versuchsanordnung im heimischen Keller zu machen. Man benötigt vielmehr teure Geräte, Laboratorien, evtl. seltene Materialien und viel Zeit. Geld ist in den Wissenschaften notorisch knapp, weshalb ein ständiger Wettbewerb nicht nur um Geld, sondern auch um Geräte, Laboratorien, Mitarbeiter oder schlicht um die Anzahl Minuten, während denen man die vorhandene Infrastruktur nutzen darf, herrscht.
Da kommt nun ein junger Mann, frisch promoviert, hat eine Idee, die bahnbrechend sein könnte, und denkt sich eine Versuchsanordnung aus. Irgendwie bekommt er auch die Möglichkeit, diese umzusetzen - aber die Ergebnisse des Versuchs sind nicht bahnbrechend. Statt der erhofften Wirkung ist nur ein sehr bescheidener Betrag zu messen.
An dieser Stelle würde der erfahrene Forscher dem jungen Entdecker sagen, er solle sich doch einmal die Frage nach einem Messfehler stellen. Doch man muss nun auch sehen, was das bedeutet: Gibt man zu, dass der Versuch gescheitert ist, dann darf man zurück auf Null. Für manchen vielversprechenden Jungforscher ist das dann auch das Ende seiner Laufbahn und er landet dann irgendwo in der Industrie, macht einen 08/15-Job oder wird Physiklehrer auf einem Gymnasium und ist dauerfrustriert.
Eine andere Möglichkeit besteht dann eben im Prinzip Hoffnung: Wenn es eben kein Messfehler war und aus meinem Wasser doch etwas mehr Energie herauskam, als ich hineingesteckt hatte, dann beweist das doch, dass mein Vorgehen grundsätzlich richtig ist. Ich muss nur die Anordnung verbessern, die Technik perfektionieren. Noch ein paar Versuche, etwas mehr Geld, dann wird's schon.
Wie gesagt: Schlägt ein vermeintlich bahnbrechender Versuch fehl, stehen Ansehen, Erfolg, Drittmittel und sogar die eigene Laufbahn auf dem Spiel. Daher wird dann eben bisweilen weitergemacht oder sogar gefälscht, nur um kein Scheitern eingestehen zu müssen. Und manch Einer ist einfach etwas verbohrt. Ist halt so.