Ein Bekannter sprach mich vor einiger Zeit auf etwas an, was er als Problem ansieht, dass nämlich oftmals Studenten ohne Abschluss als Lehrkräfte eingesetzt würden. Wenn einem Transportunternehmen ausgebildete Lastwagenfahrer fehlen, aber noch eine dringende Fuhre durchgeführt werden sollte, dann, meinte er, käme niemand auf den Gedanken, den Lehrling, der seinen Führerschein noch nicht hat, sondern erst am Lernen ist, loszuschicken. Würde ein Unternehmer dies tatsächlich wagen und die Sache danach auffliegen, wäre wohl ein öffentlicher Aufschrei sicher.
Was den Schutz von Berufsbezeichnungen, Diplomen, akademischen Graden u. dgl. angeht, so ist es wohl so, dass einerseits - gerade auch in Deutschland - sehr viel Wert auf solche gelegt wird und man damit schnell einmal auch allgemein als irgendwie "besser" eingestuft wird (sonst würden sich Schwindler ja nicht darauf kaprizieren), dass aber auf der Gegenseite der Schutz vor Missbrauch zu wünschen übrig lässt. Anders als etwa in Russland gibt es in Deutschland viele Akteure, weil Bildung primär Ländersache ist. Die Zentralisierung in Russland hat aber auch nicht verhindert, dass sich ein Pseudo-Akkreditierungsinstitut neben der staatlichen Stelle gebildet hat und offenbar unbehelligt Geschäfte machen kann.
Dann stellt sich auch die Frage der Verfolgung von Missbrauch: Kann ich einfach zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft gehen und einen möglichen Missbrauch melden?
Auch da wird es wieder kompliziert: Geht es darum, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, dann sind direkt klageberechtigt - die Mitbewerber. Akademische Grade können teilweise nur von den Stellen, die sie verliehen haben, bei Missbrauch verfolgt werden. Im erwähnten Fall war eine Berufskammer zuständig, was wieder ein eigener Rechtsbereich ist.
Ich vermute weiter, dass man durchaus auch geneigt ist, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei den zuständigen Stellen, Titelschwindel u. dgl. als "Bagatelldelikt" wahrzunehmen oder als "Anhangsdelikt", das nicht mit aller Kraft zu verfolgen ist, weil es eben als "Anhang" zu einem schlimmeren Delikt (z. B. Körperverletzung durch einen Pseudo-Arzt) auftrete, nicht eigens zu verfolgen.
Dabei ist es doch eben gerade oft umgekehrt, dass erst die Verwendung vorgespiegelter Titel die Tür zum "eigentlichen" Delikt öffnet, weil ohne diese angemaßten Titel kein Opfer auf den Schwindler hereingefallen wäre.