Um die in den Presselinks geschilderten Umstände um einen Aspekt der Abschiebungsproblematik zu erweitern sowie zum besseren Verständnis der Aufnahmemöglichkeiten in Deutschland, habe ich eine fiktive, etwas überzeichnete, aber exemplarische Geschichte konstruiert, die sich so ähnlich häufig in Deutschland ereignet:
Nehmen wir an, Herr Chukwuma Okeke lebt als OCHMURCHE in Ochmurchistan. Er hat keinen Schulabschluss und ist Analphabet.
Er würde in Deutschland kein Asylberechtigter (Asyl im engeren Sinne nach Art. 16a GG) sein können, weil er in Ochmurchistan nicht in asylerheblicher Weise durch staatliche Stellen verfolgt wird.
Er würde in Deutschland auch kein anerkannter Flüchtling (Asyl im weiteren Sinne nach der Genfer Flüchtlingskonvention) sein können, weil er keine begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Ethnie, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung durch nichtstaatliche Stellen oder Gruppen in Ochmurchistan haben muss.
Er würde in Deutschland auch keinen subsidiären Schutz (Abschiebungsverbot nach der Richtlinie 2011/95/EU) genießen können, weil er nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter, unmenschliche, erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Ochmurchistan befürchten muss.
In Ochmurchistan herrscht kein (Bürger)Krieg.
Nun hat ihm der König seines Stammes, der zufällig einen fettigen Zopf trägt, eine große Nase hat und dessen Verwandte in Deutschland leben, in der täglichen Schwurbelstunde am Lagerfeuer erzählt, das Leben in Deutschland, insbesondere im KRD, soll viel besser sein.
Er müsse nur Deutschland erreichen und behaupten, er sei SCHNALTUKE aus Schnaltunesien und kein OCHMURCHE aus Ochmurchistan.
In Schnaltunesien herrscht Bürgerkrieg.
Herr Okeke kratzt seine letzten orchmurchischen Schillinge zusammen, reiht sich in den langen Flüchtlingstreck ein, "verliert" auf der Flucht seinen ochmurchischen Reisepass, erreicht Deutschland und beantragt Asyl, weil er auf die Anerkennung als SCHNALTUKISCHER Bürgerkriegsflüchtling (Asyl im weiteren Sinne) hofft.
Irgendwann sitzt er am Schreibtisch eines Entscheiders des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) und wird angehört. Er verständigt sich in gebrochenem Englisch und behauptet wie geplant, als SCHNALTUKE vor dem Bürgerkrieg in Schnaltunesien geflohen zu sein und seinen schnaltukischen Reisepass auf der Flucht verloren zu haben.
Leider hat er doppelt Pech.
Der Entscheider ist ein fähiger Behördenmitarbeiter.
Herr Okeke ist nicht die allerhellste Kerze auf der Torte. Sein Horizont ist limitiert.
Er hat sich nämlich nicht ausreichend über Schnaltunesien informiert und auch nicht die schnaltunesische Sprache gelernt.
Weil Herr Okeke während der Anhörung nicht mal die Hauptstadt von Schnaltunesien nennen kann und nicht schnaltunesisch spricht (er konnte sich mit der schnaltunesichen Übersetzerin die mit am Tisch sitzt nicht verständigen) erkennt der fähige Entscheider schnell die Lüge.
Der Asylantrag wird irgendwann rechtskräftig abgelehnt, weil Herr Okeke ganz offensichtlich kein SCHNALTUKE ist und sein Bleiberecht nicht nachvollziehbar darlegen kann.
Herr Okeke ist damit ausreisepflichtig. Er reist aber nicht freiwillig aus und verrät auch weiterhin nicht, dass er OCHMURCHE ist. So blöd ist er nicht. Er schweigt einfach.
Jetzt hat die Ausländerbehörde ein Problem. Sie müsste ihn abschieben, kann es aber aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht, weil sie nicht weiß wohin. Sie darf ihn nur in sein (ihr jedoch unbekanntes) Heimatland abschieben.
Herr Okeke erhält daher eine befristete Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Diese ist kein Aufenthaltstitel, die Abschiebung ist nur ausgesetzt. Er ist grundsätzlich weiterhin ausreisepflichtig, genießt aber das Leben in Deutschland und erhält aufgrund dieser Duldung Sach- und Geldleistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 Asylbewerberleistungsgesetz. Die Duldung wird immer wieder verlängert, weil sein Heimatland nie bekannt wird und das Abschiebehindernis fortbesteht.
Dieses Prinzip funktioniert selbst bei den nicht so hellen Kerzen auf der Torte.
Jetzt wird das Problem klar.
Herr Okeke taucht als einer von vielen ausreisepflichtigen Personen in der Statistik auf, kann jedoch nicht abgeschoben werden. Dies liegt nicht an der Unfähigkeit der Behörde, sondern am Recht.
Nun könnte man denken, sperrt man ihn halt ein bis er sein Heimatland verrät. Macht man aber nicht. Darf man nicht. Wäre unangemessen.
Seine Lüge wird belohnt. Irgendwann zieht er ins KRD.
Er hat einen neuen König.
Alltag in Deutschland (ohne Wertung).
to be continued