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So lief der Demo-Tag in Dresden
Pegida feierte am Sonntag auf dem Neumarkt den fünften Jahrestag, zeitgleich zogen Tausende Gegendemonstranten durch die Innenstadt. Der Tag im Überblick.
Tausende Menschen ziehen von der Neustadt über Albertplatz und Carolabrücke ins Zentrum. An der Synagoge stoppt der Zug für eine Schweigeminute für die Opfer von Halle. Den Zugang zum Neumarkt haben die Beamten unterdessen mit ihren Fahrzeugen abgeriegelt. Doch auch am Wiener Platz sind rund 700 Menschen dem Aufruf der Initiativen „Chemnitz Nazifrei“ und „Leipzig nimmt Platz“ zur Gegendemonstration gefolgt. Von jungen Rastafaris bis zur Gruppe „Omas gegen Rechts“ ist das Publikum bunt gemischt. Sie alle treffen sich am Altmarkt.
Während auf der Seite der Gegendemonstranten Ezé Wendtoin seinen Internet-Cover-Schlager „Sage nein“ auf der Hauptbühne von „Herz statt Hetze“ performt, kommt es bei der Pegida-Kundgebung zu gleich zwei Zwischenfällen. Wie die Polizei auf Twitter schreibt, wurde gegen 14.15 Uhr aus der Versammlung heraus eine übelriechende Substanz auf die Gegen-Demo geworfen. Kurz darauf spricht ein Vertreter des Nürnberger Pegida-Ablegers über Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und seine Pläne, die Nationalhymne zu erneuern. Darauf antworten die Anhänger des fremdenfeindlichen Bündnisses mit „Deutschland, Deutschland über alles“.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ist aus seinem Urlaub zur Gegendemonstration gekommen. Er bemängelt, dass viele Bürger nur dann auf die Straße gehen und an Stadtgesellschaftsprojekten teilnehmen, wenn etwas „Schlimmes“ passiere. Im Moment könne er im Stadtrat trotz vieler AfD-Stimmen noch keine Negativstimmung feststellen. Zu den montäglichen Demonstrationen und der Frage, warum sie stattfinden dürfen, sagt Hilbert: „Ich muss andere Meinungen respektieren, auch wenn Pegida hier nichts zu suchen hat.“ Hilbert bekräftigte zudem, dass er zu seiner umstrittenen Aussage „Die AfD ist schädlich für die Stadt Dresden“ stehe, auch wenn sie nicht mehr in den sozialen Medien geteilt werden darf.
Teilnehmer einer Kundgebung von Pegida und Teilnehmer von Gegenkundgebungen stehen auf dem Altmarkt.
Teilnehmer einer Kundgebung von Pegida und Teilnehmer von Gegenkundgebungen stehen auf dem Altmarkt.
Bei Pegida tritt unterdessen der Dresdner AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier ans Mikrofon. Er wird mit AfD-Rufen empfangen. „Uns eint die Hoffnung, das wir unsere Heimat behalten können“, sagt er. Und: Pegida sei die Vorfeldorganisation der AfD. „Ich werde mir nie nehmen lassen, bei Euch zu sein.“ Schon wieder kommt es bei Pegida zu einem Zwischenfall. Eine Person zeigt den Hitlergruß, twitterte die Polizei. Einsatzkräfte nehmen die Personalien des 62-jährigen auf und leiteten ein Ermittlungsverfahren ein. Am Ende bleibt alles friedlich. Einige der Gegendemonstranten tanzen auf dem Rückweg in die Neustadt weiter. Pegida aber hatte sicher mehr Anhänger erwartet.
Legt Hand an: Nach der Veranstaltung zum Pegida-Geburtstag macht Lutz Bachmann mit Verstärkung den Neumarkt sauber.
Zuletzt ist es an Montagabenden in Dresden ungewöhnlich ruhig geworden. Nach der Landtagswahl in Sachsen hat Pegida gerade an zwei Montagen demonstriert – unmittelbar nach der Wahl am 2. September und fünf Wochen später am 7. Oktober. Seitdem gibt es nach Sächsische.de-Informationen keine Montagsanmeldungen der rechtspopulistischen Bewegung für den Rest des Jahres mehr. Nur zwei weitere Termine wurden bekannt: an diesem Sonntag, an dem die selbst ernannte „Bewegung“ auf dem Neumarkt ihr fünfjähriges Bestehen feiert, und am Sonntag, 15. Dezember, für das sogenannte Weihnachtsliedersingen, wie fast immer auf dem Theaterplatz.
So viel Leerlauf wie in diesem fünften Jahr gab es noch nie. Fast 200 Demonstrationen hat Pegida seit dem 20. Oktober 2014 in Dresden organisiert. Auch wenn sich noch immer weiterhin stabil zwischen 1.000 und 2.000 Demonstranten vor der Bühne versammeln, wurden die Kundgebungen zuletzt nur noch in der Stadt, aber kaum mehr außerhalb wahrgenommen. Die Bewegung hat ihren Zenit überschritten. Neue Teilnehmer? Fehlanzeige. Es sprechen die immer gleichen Redner über die immer gleichen Themen. Und das Publikum ruft die immer gleichen Parolen: „Volksverräter!“, „Wir sind das Volk!“, „Lügenpresse!“, „Abschieben!“, „Widerstand!“ und natürlich: „Merkel muss weg!“
Pause nach der Landtagswahl
Unmittelbar nach der Landtagswahl hatte Pegida-Mitinitiator Lutz Bachmann seinem irritierten Publikum eine fünfwöchige Pause verordnet. Einerseits könne man mit „Druck von der Straße“ während der anstehenden Kenia-Sondierungen ohnehin nichts ausrichten, andererseits seien Orga-Team, Ordner und Helfer so sehr gefordert gewesen, dass ihnen allen eine Pause guttue. Unmittelbar nach dem verkürzten Sommerprogramm, wochenlang wurde nur 14-tägig demonstriert, klang das nicht besonders glaubwürdig.
Die Verwunderung setzte sich auch nach der langen Pause fort. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, als Siegfrid Däbritz, der mit zur Pegida-Führungsriege zählt, ausgerechnet am letzten Demo-Montag der AfD vorwarf, er vermisse „aufrüttelnde“ und „widerständige Aktionen“. Die „von uns allen gewählten Volksvertreter“ der AfD hätten zum Beispiel die bei Anschlägen auf AfD-Mitglieder ausgebrannten Autos auf Hänger stellen können, um sie „bei den Kenia-Sondierungen als Mahnmal“ vorzuführen. Däbritz: „Warum versteckt ihr euch, verdammte ♥♥♥?“
Immerhin: Nach langer Abstinenz nahmen an jenem 7. Oktober gleich die beiden sächsischen AfD-Spitzenpolitiker, Landesvorsitzender Jörg Urban und der frisch gewählte Landtagsvizepräsident André Wendt, teil und konnten die lautstark vorgetragene Kritik selbst hören.
Die AfD-Politiker André Wendt, Vize-Präsident des Sächsischen Landtag (2.v.l.) und Landesvorsitzender Jörg Urban (3.v.l.) bei der Pegida-Demo am Montag, 7. Oktober, in Dresden.
Däbritz soll mehrfach versucht haben, auf einem AfD-Ticket in den Landtag zu kommen. Erfolglos. Bröckelt also jetzt, wenige Wochen nach der Wahl, die Fassade? Liegen die Nerven bei Pegida blank? Und umgekehrt: Braucht die AfD nach ihrem großen Erfolg in Sachsen Pegida überhaupt noch?
Das Dresdner Straßenbündnis lässt sich gerne „Hauptstadt des Widerstands“ nennen und hatte in seinen besten Zeiten Anfang 2015 mehr als 20.000 Menschen mobilisiert. Die zunehmende Bedeutungslosigkeit, die nun jedoch sichtbar wird, kommt nicht überraschend – und hängt unmittelbar mit der AfD zusammen. Die wohl folgenschwerste Zäsur war der gemeinsame Trauermarsch mit der AfD am 1. September 2018 in Chemnitz. Eine Woche zuvor war der 35-jährige Deutsch-Kubaner Daniel H. am Rande des Chemnitzer Stadtfestes von Ausländern erstochen worden. Nach der Tat mobilisierten Rechtsradikale in einem bis dahin ungekannten Ausmaß zu Protesten in Chemnitz. Es kam mehrfach zu Ausschreitungen, Angriffen auf Flüchtlinge und ausländische beziehungsweise jüdische Restaurants, Journalisten. Neonazi-Gruppen zogen durch die Straßen, skandierten Losungen wie „Wir sind Adolf Hitler Hooligans“, zeigten den verbotenen Hitlergruß.
AfD und Pegida marschieren in Chemnitz gemeinsam
Der Trauermarsch schließlich, an dem auch die rechtsradikale Initiative „Pro Chemnitz“ beteiligt war, setzte dieses Treiben fort – nun mit mindestens 8.000 Teilnehmern, die bundesweit angereist waren. Landesvorsitzende der AfD wie Jörg Urban aus Sachsen, Björn Höcke aus Thüringen und Andreas Kalbitz aus Brandenburg marschierten in der ersten Reihe mit den Dresdner Pegida-Chefs Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz. Vor dem Trauerzug trugen Teilnehmer Plakate mit Namen und Gesichtern von Menschen, die von Ausländern getötet worden waren. Nachdem der Marsch von Gegendemonstranten ausgebremst worden war – sie hatten die Route blockiert und Hefte mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland symbolisch auf die Straße gestellt –, kam es auch dort zu Rangeleien – unmittelbar vor dem Nischel, dem Karl-Marx-Denkmal.
Der Schulterschluss der AfD-Landesfürsten mit der „Straßen-Initiative“ Pegida hatte in der Parteispitze der AfD jedoch Entsetzen ausgelöst. „Dieser Umgang mit Pegida, der gefällt mir auch nicht richtig. Nein, wir machen mit denen nicht gemeinsame Sache, um das klar zu sagen“, sagte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen nur wenige Tage später im ZDF-Talk bei Dunja Hayali. Der Bundesvorstand legte nach und empfahl, „nur an solchen Kundgebungen teilzunehmen, die ausschließlich von der AfD angemeldet und organisiert worden sind.“ Auch ein Thema war, wie so oft, Bachmanns langes Vorstrafenregister.
Schulterschluss zwischen AfD und Pegida: In Chemnitz marschierten unter anderem Björn Höcke (links mit Anstecker), Siegfried Däbritz (rechts daneben) und Lutz Bachmann (ganz rechts mit erhobenem Smartphone) in einer Reihe.
Die Parteigranden fürchteten offensichtlich, mit einer zu großen Annäherung an nationalistische Bewegungen wie Pegida, Pro Chemnitz oder Zukunft Heimat aus Cottbus das bürgerliche Lager zu verschrecken, vor allem im Westen. Prompt ruderte etwa auch der rheinland-pfälzische AfD-Fraktionschef Uwe Junge, der in Chemnitz in der ersten Reihe mitgelaufen war, zurück. Er distanziere sich von Pegida-Initiator Lutz Bachmann „im äußersten Maße“. Der gemeinsame Aufruf zum Schweigemarsch mit Pegida „sei nicht so schlau“ gewesen. Doch mit dieser Meinung blieb Junge der Einzige der Westdeutschen, die in Chemnitz dabei waren.
Pegida gab sich zunächst ungerührt. Schon am Montag, zwei Tage nach dem Debakel, trugen Pegida-Anhänger auf ihrer 154. Demo dieselben Plakate auch durch Dresden, und Lutz Bachmann erklärte: „Hier stehen die Anständigen des Landes!“ Erst in den folgenden Monaten wurde deutlich, welche tiefen Einschnitte Chemnitz verursacht hatte. Wochenlang bestritten die Pegida-Redner – Bachmann, Däbritz und Anmelder Wolfgang Taufkirch – die Montagabende quasi im Alleingang. Viele Gastredner sind nicht mehr nach Dresden gekommen, von Ausnahmen wie dem Islam-Kritiker Michael Stürzenberger aus Bayern, Christoph Berndt von der Cottbuser Initiative Zukunft Heimat, inzwischen frisch gewählter AfD-naher Landtagsabgeordneter, und einigen wenigen anderen abgesehen. Von der AfD selbst war lange kein bekannter Politiker mehr zu sehen, weder als Redner auf der Bühne, noch als Teilnehmer im Publikum.
Bloß nicht den rechten Arm heben
Etwa 4.000 Menschen hatten im Oktober 2018 den vierten Jahrestag auf dem Neumarkt gefeiert, während ein Vielfaches dieser Anzahl, über 12.000 Menschen, wenige Meter weiter in der Wilsdruffer Straße gegen das fremden-, asyl- und islamfeindliche Bündnis demonstrierten. Akzente kamen von der Pegida-Bühne schon da kaum noch.
Im Januar dieses Jahres etwa bat Bachmann, wieder auf dem Neumarkt, theatralisch um das Vertrauen seiner Anhänger. Sie mögen aber bitte bloß nicht den rechten Arm zum Abstimmen heben, um sich nicht der Strafverfolgung wegen eines möglichen Hitlergrußes auszusetzen. Mit ähnlichen Bemerkungen hatte schon ein rechtsradikaler Redner am 1. September 2018 bei „Pro Chemnitz“ versucht, lustig zu sein. Sinngemäß hatte er gesagt: Bindet euch wenn nötig den rechten Arm fest. Wir sind heute als Volk hier und nicht als politische Gesinnung.
Kokettieren mit Symbolen der Neonazis gehört mit zum alltäglich gewordenen Sprachgebrauch, sowohl auf der Pegida-Bühne als auch in den sozialen Netzen. Man sei ja ohnehin „pöhse Nahsis“, kommt dann etwa, gerne mit dem Wink, „die echten Nazis“ befänden sich natürlich in den Reihen der Gegendemonstranten. Eine deutliche Distanzierung von tatsächlichen rechtsextremen Umtrieben, die sich am Rande der montäglichen Pegida-Demos etablieren konnten, blieb allerdings bis heute aus.
So feierte Pegida den vierten Geburtstag am 21. Oktober 2018 auf dem Neumarkt Dresden.
Seit Mitte vergangenen Jahres etwa veranstaltet eine Dresdner Initiative einen Infostand zu Ehren der inhaftierten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Offiziell geben die Veranstalter vor, sich für Meinungsfreiheit einzusetzen unter dem Motto „sprechen wir miteinander“. Erst jetzt, für die letzte Pegida-Demo Anfang Oktober, untersagte die Dresdner Versammlungsbehörde den Infostand und begründete ihre Entscheidung mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit – und bekam in einem Eilverfahren vom Verwaltungsgericht Dresden recht.
Völlig ignoriert wird von Pegida-Vertretern auch die noch immer wachsende Zahl rechtsextremer Straftäter, die sich am Rande der Demos radikalisiert haben. Erst im September wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Dresden nach der „Gruppe Freital“ und der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) eine weitere kriminelle Vereinigung namens „Reisegruppe 44“ – die 44 steht für „DD“, Dresden – ausgehoben hat. Bei den rund zehn Beschuldigten handelt es sich um Mitarbeiter und Sportkameraden eines 33-jährigen Sicherheitsunternehmers. Mutmaßliche Mittäter hatten ihn als „Pegida-Ordner der ersten Stunde“ beschrieben. Spätestens 2015 sollen er und seine Leute, die zusammen wöchentlich Kampfsport trainierten, zu Demos gefahren sein und dabei auch schon mal zuschlagen haben.
"Volksschädlinge" und "Parasiten"
Zuletzt hat Lutz Bachmann selbst jedoch wieder einen Anlass gegeben, dass die Staatsanwaltschaft nun ein weiteres Strafverfahren gegen ihn einleiten könnte. In seiner Rede am 7. Oktober hatte er von „Volksschädlingen“ und „Parasiten“ gesprochen und gesagt, Sympathisanten der Linken, Grünen und Gewerkschaften solle man in einen Graben werfen und diesen zuschütten. Dafür wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung angezeigt.
Ob die Staatsanwaltschaft ein neues Ermittlungsverfahren gegen Bachmann einleitet, stehe noch nicht fest, sagte ein Behördensprecher. Gegen Bachmann seien allein bei der Staatsanwaltschaft Dresden derzeit vier Ermittlungsverfahren anhängig – zwei wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Beleidigung und je eines wegen des Verdachts der Gewaltdarstellung und Beleidigung.
In Zukunft könnte Pegida in eine weitere Bedeutungslosigkeit verschwinden – auch wenn ein Ende der Demos überhaupt noch nicht absehbar ist. Zwar werden weiterhin überdurchschnittlich viele montags zu Pegida kommen, wenn sie gerufen werden. Für sie gehören die Spaziergänge, die populistischen Reden und das Singen der Nationalhymne zum geübten Ritual.
Es wird dem Bündnis jedoch zunehmend schwer fallen, neue Anhänger zu erschließen. Allein die Ermittlungsverfahren gegen Wortführer Bachmann zeigen, dass der Ton rauer wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Pegida-Redner in Zukunft mehr auf diese Art provozieren werden, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Interessant bleibt, wie sich die Beziehung zur AfD entwickeln wird und zu anderen rechtsextremen Gruppen, wie etwa der Identitäten Bewegung.
nTV nennt einen Säureangriff aus der PEGIDA- Ansammlung mit "Starrichter" auf die Gegendemonstranten deutlich beim Namen und so gar nicht "Meinungsfreiheit":
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21.10.19 07:37
Fünf Jahre Pegida
Es sollte nur noch darum gehen, ihnen das Handwerk zu legen
Sonja ThomaservonSonja Thomaser
Bei der rassistischen Vereinigung Pegida zeigen sich die Abgründe Deutschlands. Ihre großen Tage sind zwar vorbei, aber sie hat den Rechtsextremismus wieder salonfähig gemacht. Ein Kommentar.
Seit Herbst 2014 fürchten sich verwirrte Menschen in Deutschland vor der Islamisierung des Abendlandes. Wer genau wann und wie die Idee hatte, aus einem solchen Hirngespinst gleich einen Verein zu machen, ist nicht klar. Aber am meisten Angst hatte wohl ein vorbestrafter Schwerstkrimineller namens Lutz Bachmann.
Er gründete am 11. Oktober 2014 eine geschlossene Gruppe auf Facebook namens „Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Er protestierte damit gegen eine Solidaritätskundgebung für die PKK und deren bewaffneten Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Die Gründung von Pegida basiert somit im Prinzip darauf, dass Bachmann sich gegen den Kampf gegen den IS positionieren wollte. Das ist so blöd, das kann man sich nicht ausdenken.
Bachmann gilt damit als Initiator der rassistischen Vereinigung Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) und ist bis heute ihr Vorsitzender.
Pegida: Mit Deutschlandflagge und Nazi-Gehabe
Am 20. Oktober 2014 standen also die ersten Patrioten in Dresden zusammen, riefen rechtsradikale Parolen und feierten ihr Recht auf rassistische „Meinungsäußerung“. Und weil in ganz Deutschland weiße Rassist*innen nur darauf gewartete haben, endlich ihr wahres Wesen auch in der Öffentlichkeit zeigen zu dürfen, sich mit Gleichgesinnten in immer extremere Höhen von abartigen rechtsradikalen Forderungen (inklusive Hitlergrüße, „Wollt ihr den totalen Krieg?“-Sprechchöre und Tiraden über „Migrantenschweine“) zu steigern, gab es Pegida bald in vielen größeren Städten in Deutschland.
Die Liste der Menschen, die sich über die Jahre seit der Gründung als Pegida-Akteure feiern ließen, liest sich wie ein Who-is-who rechtsextremer und teils vorbestrafter Totalausfälle. Götz Kubitschek, Martin Sellner, Akif Pirinçci, Jürgen Elsässer, Michael Stürzenberger und viele weitere „politische“ Möchtegerns, die Angst um die weiße Herrenrasse und deren Vorherrschaft haben.
Natürlich ist es einfach peinlich und traurig, wenn wir heute vereinzelte Peg♥♥♥en*innen auf Plätzen stehen sehen, die verzweifelt die Deutschland-Fahne schwenken und nach einer Bühne für ihr Nazi-Gehabe suchen. Die großen Tage von Pegida sind vorbei.
AfD schließt an Pegida an
Aber: Pegida hat den Rechtsextremismus in Deutschland in die breite Öffentlichkeit getragen und wieder salonfähig gemacht. Die islam- und menschenfeindliche, völkische und rassistische Ideologie liegt längst in den Händen von Politiker*innen. Die Politik der AfD schließt sich in Schärfe und inhaltlicher Nähe zum Nationalsozialismus eins zu eins an die Forderungen von Pegida an. Und Werteunion und Teile der CDU und CSU springen auf den Zug auf.
Die Politik hat erst zugesehen, dann hat sie es zugelassen und nun sitzen Rechtsextreme in den Landtagen und im Bundestag.
Seit Pegida auf die Straße geht, gibt es einen deutlichen Anstieg bei Anschlägen auf Asylbewerberheime. Dresdner*innen mit Migrationshintergrund berichten, dass seit 2014 Alltagsrassismus stärker und sichtbarer geworden ist. Pegida bereitete den geistigen Boden für den Mordanschlag auf die damalige Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker. Nino Köhler, Redner auf einer Pegidakundgebung, werden zwei Bombenanschläge – auf eine Moschee und auf das Kongresszentrum in Dresden – zur Last gelegt. Kurz nach dem Mord an Walter Lübcke befragte die ARD Pegida-Demonstrant*innen zu dem Fall. Der Mord wurde mehrfach relativiert, ein Demonstrant sagte, im Vergleich zur linksextremen Gefahr sei ein Mord, „alle zwei, drei Jahre, aus irgendwelchen Hass-Gründen, relativ normal“. Ein anderer sagte, es handle sich ja um eine „menschliche Reaktion“. Denn: „Wie es in den Wald hinein gerufen wird, so schallt’s wieder raus.“ Ein anderer Demonstrant sagte: „Ich sehe den Herrn Lübcke als Volksverräter“.
Pegida: Die Abgründe Deutschlands
„Nicht Hitler, Göring, Goebbels und Himmler haben mich verschleppt und geschlagen. Nein! Es war der Schuster, der Nachbar, der Greisler, der Milchmann, der Postmann, der eine Uniform bekommen hat, eine Binde und eine Haube auf den Kopf, und dann glaubten, sie seien die Herrenrasse.“, sagte Karel Stojka, Ausschwitz-Überlebender.
Heute, zum fünften Geburtstag, marschieren sie wieder durch Dresden, schwingen Deutschland-Flaggen und skandieren menschenfeindliche Parolen. Das sind keine besorgten Bürger, denen man Verständnis entgegenbringen sollte. Das sind die Abgründe Deutschlands, die sich da auftun. „Man kann und darf mit diesen Leuten gar nicht mehr reden, es sollte nur noch darum gehen, ihnen das Handwerk zu legen“, rappt die Antilopen Gang in ihrem Song „Beate Zschäpe hört U2“. Vielleicht ist das alles, was man dazu noch sagen kann.