Wo kommen die Leute der Dresdner Pegida überhaupt her? Aus der Stadt Dresden? Aus dem Umland? Weiter weg?
Ähäm
aus dem Neuschwabenland und zwar über die niegelnagelneue Autobahn in der Hohlerde mit deren geheimen Hinterausgang im Erzgebirge aus dem nationalsozialistischen Untergrund?
SCNR
Aber mal Spaß beiseite, ganz so simpel war und ist diese gesamte Gemengelage hier in Sachsen nun wirklich nicht. Es kommen rein regionale Komponenten aber auch landesweite und sogar globale Trends zusammen.
Ich versuche es mal, und im Gegensatz zu einigen anderen hier im Forum vertrete ich nämlich diesbezüglich durchaus die Auffassung, dass die Sachsen in einigen Punkten einfach mal wieder und teilweise auch unfreiwillig "Vorreiter" einer auch allgemeinen Entwicklung ist, wenn auch keiner sehr positiven und wobei ich dies nicht nur auf die konkrete Ausprägungen (PEGIDA, hohe Reichiansammlungen) beziehe.
Unsere Ur- Reichis aus der Anfangsszeit wie Ebel waren vermutlich wirklich nur ein Spinnertrüppchen mit Neigung zu antiquierten Uniformen und lustigen Ypsausweisen, die allenfalls andere Spinner anzogen, also allenfalls ein Fall für die Freaks des Skurrilen oder die Titanic, obwohl ich mir auch nicht ganz sicher bin, ob "unser" Peter Weinmann" nicht vielleicht sogar dieser
Peter Weinmann sein könnte. Aber irgendwas ist dann so um 2010/2011/2012 passiert, dass diese kleine und skurrile Splittergruppierung so massiv an Zulauf gewinnen konnte.
Ich nenne mal ein paar Stichpunkte, die mit da hineingespielt haben könnten: die Echokammern der neuen sozialen Medien, die allgemeine Erschließung neuer Themenfelder wie Esotherik, der Berliner "Chemtrailprozess" mit Kachelmann, der Frust und allgemeine Abbau bei Polizei und Justiz und ca. 2011 kündigte der Staat auch noch der Rockerszene den Kampf an.
Jedenfalls schreibt September 2011 das Vorstandsmitglied der sächs. Polizeigewerkschaft Volker Schöne seine berühmte "Ich habe Angst!"- Rede und bald ist die DPHW unter ihm als selbsternannten General geboren, auch ist ab dem 04.11.2011 der schon fast vergessene Rechtsextremismus wieder im öffentlichen Bewußtsein zurück (Zwickau liegt ja auch noch in Sachsen) und nach Aussagen einer ehemaligen Userin hier im Forum soll Ebel in etwa dieser Zeit ausgerechnet in ostdeutschen Kampfsportstudios für seine "Sache" geworben haben, was somit ein neues "Zielpublikum" in Richtung "erlebnisorientierte Fußballfans" erschlossen haben könnte, der Rest könnte Gruppendynamik sein.
Ende 2012 ist dann das Thema "Reichsbürger" erstmalig und nach dem Vorfall im sächsischen Bärwalde bei Meißen in Verbindung mit Gewalt in der Presse. Die DPHW, eine bis 400 Mann starke Gruppe von teilweise "Intensivstraftätern" (K. Köditz) bestand ja auch nicht nur ausschließlich aus echten Sachsen, sondern war, hier auch wieder über das Internet, bereits mehr oder weniger stark ganz bundesweit organisiert, der Vorfall hätte sich also auch in einer anderen Gegend zutragen können.
2013 kommt nun ein exentrischer Bratwurstverkäufer aus dem Dresdner Umland, ein gewisser Lutz Bachmann hier ins Spiel, allerdings noch in einer ganz anderen Rolle und zu einer Zeit, als den Dresdnern und den Menschen an den Nebenflüssen der Elbe nach 2002 nun schon das zweite (!) Mal (viele haben das als besonders traumatisierend wahrgenommen) und trotz aller Erklärungen der Neocons, dass es ja eigentlich gar keinen Klimawandel gäbe, das Wasser der Elbe bis zum sprichwörtlichen Hals steht.
Der agile und lustige "Partykönig" Bachmann, und das muss man ihm mal zu Gute halten, war damals der ganz undemokratisch gewählte "Leiter" vom "Orgateam" der sich via der neuen sozialen Medien sogar effizient selbstorganisierten Hochwasserhelfer bei der Elbeflut 2013. Hier spielte die Bedeutung von Facebook als Nachrichtenzentrale das erste Mal eine sogar entscheidende Rolle. Auch das dazugehörige Lagezentrum bzw. die Sandsackabfüllung der Fluthelfer lag ausgerechnet im Dresdner Dynamostadion, sprich auf den eilig errichtenten Hochwasserdämmen stand plötzlich eine Art gelebte "Querfront in der Not". Das war schließlich auch ein Novum. Und Dresden hatte Glück, die Dämme hielten und Bachmann bekam (m.E. zu Recht) dafür einen Preis.
Hier hätte nun die Geschichte mit einem Happy End schon zu Ende sein können sein können, aber es kam noch was anderes, denn schon Mai 2014 "erleidet" Dresden die nächste "Natur"-Katastrophe, zumindest aus Sicht von Teilen der Bevölkerung
. Die CDU verliert errutschartig im Dresdner Stadtrat und ein Bündnis linker Parteien im Verein mit den freien Wählern bilden nun eine gemeinsame rot- rot - grüne Mehrheit, die dann später auch noch einen FDP- Bürgermeister unterstützen sollten. Skandal! Gewisse Parallelen zu Ähnlichkeiten in der aktuellen Situation in D. angesichts schwindender Mehrheiten bei den großen Parteien will ich jetzt mal lieber nicht ziehen...
Und als dann im Sommer 2014 gleich noch das zweite sächsische Quasi- Erdbeben folgte und auch noch die bislang fast 25 Jahre alleinregierende sächs. "Einheitspartei" ihre Mehrheit verliert und eine große Koalition eingehen musste, was schließlich noch weitere Auswirkungen die Finanzierung von vielen öffentlichen Bauvorhaben hatte, sahen Teile der der Bevölkerung jetzt gleich "das Ende nahe". Wieder andere, kleinere Teile könnten (
) sich aus verschiedenen, auch aus niedrigen Beweggründen nun ganz dem neuen- alten "Kampf gegen Links" und gegen die "rote Socken" in ihrer plötzlich "bedrohten Heimat" und damit besonders dem heldenhaften Kampf gegen den fürchterlichen "Linksfaschismus" im Allgemeinen und im Dresdner Stadtrat im Besonderen
verschrieben haben. Sprich, das war die Stunde der klassischen "Patrioten" eben....
Und um das besser zu verstehen muss man wissen, dass z.B. die Personalie vom Sohn des Vizeministerpräsidenten Dulig (SPD) bei diversen Links- Rechts- Auseinandersetzungen wiederholt eine wichtige Rolle spielt (vergl. "Gruppe Freital" alias "Sachsen Antiantifafrei") Selbst der CDU- Jusitzminister Gemkow, der sich der scheuklappenfreien juristischen Aufarbeitung linker wie rechter und auch der Reichsbürgerstraftaten verschrieben hatte, erlebte 2015 einen Anschlag auf sein Privathaus.
Nun, das alles ist nun der zum einen sächsisch- politische, und zum anderen der klimawandelbedingte sowie der durch neuen sozialen Medien ermöglichte Hintergrund, vor dem sich ab Ende 2014 (auch wieder mobilisiert via Facebook) in Verbindung mit einem durchaus medienwirksamen Logo bzw. Namen die nun plötzlich "besorgten Bürger" unter der Leitung von o.g. Ex- Fluthilfekoordinator und Fußballfreund Lutz Bachmann trafen und den öffentlichen Raum besetzten. Ging es ja mal wieder um eine "gute Sache", schien es zumindest. Die Rekrutierung dieser Urpegida hatte anfänglich auch noch viel mit Bachmanns alten Party- und Fluthilfekontakten zu tun, es kamen dazu die mehr oder auch weniger erlebnisorientierten "Sportfreunde" (auch Football und Eishockey!) aus Dresden selbst sowie von deren befreundeten Sportvereinen des Umlandes bis nach Südbrandenburg und bis runter ins Voigtland. Dann kamen die Freunde Schickimicki- Dresden- Unit und der sonstigen Partyszene aus Dresden und Umgebung sowie die Freunde und Bekannten der Orgas und dazu wieder deren Freunde und Bekannte u.s.w.. Bald gesellten sich auch die üblichen C&A- Jackenrentner, die gefühlt auch schon seit 1913 unter ihrer DDR- Diktaturträger- "Strafrente" leiden sowie jene hinzu, die es "denen da oben" mal endlich zeigen wollten. Trotzdem war die PEGIDA noch lange eher eine sonderliche Mischung aus scheinbar- harmlos- schrägem "Party- und Klassentreffen" (ich erinnere mich noch an die grausigen "Weihnachtsgesänge" 2014) und damit eben auch kein 1:1 Exportschlager, weil für den Export einige wichtige Dresden- Zutaten fehlten. Die kam erst mit der Verschärfung der Sprache und deutlicheren politischen Ausrichtung.
Nachdem sich also langsam der harte Kern und deren wahre Gesinnung deutlich herausgeschält hatte, spätestens nach Wilders "Besuch", haben sich aus dieser Dresdner Sonderedition von "Wir sind das Volk" zuerst die Partyfreunde und dann die Freunde der Freunde bisweilen mit Grausen, dann die, "die es denen mal da oben mal" zeigen wollten aus Frust und schließlich die C&A- Jackenfraktion aus Ermattung zurückgezogen, aber es dauerte eben, da die Echokammern von Facebook noch eine eigenen Gegen- Wirklichkeit bildeten. Auch spielten mehr oder weniger offene Sympatien der Polizisten bis hoch in Leitungsebenen bei PEGIDA lange eine systemerhaltende Rolle.
Seit also ca. einem Jahr stabilisert sich PEGIDA nun bei ca. 1500- bis max. 4000 Teilnehmern und obwohl sich alles längst totgelaufen und Bachmanns Ruf gänzlich ruiniert scheint, besteht der verbliebene "harte Kern" noch immer nicht nur aus ausschließlich Rechtsextremen, sondern da sind immer noch, ich schätze mal bis fast 50%, auch solche dabei, die man eher unter dem typisch "sächsisch- Lausitzer Granitschädel" einordnen könnte, also eine hier in der Gegend bisweilen auch häufig verbreitete Form von besonderem Beharrungssvermögen und Sturheit.
Sicher ist vieles an PEGIDA tatsächlich ein sächsischer Sonderfall und das Ganze hat selbst noch eine eigene sächsische Vorgeschichte bis 1933, was hier allerdings zu weit führen würde, aber sich einzubilden, andere Gegenden von Deutschland seien von solchen Entwicklungen gänzlich verschont, halte ich für gefährlich und arrogant. Vielleicht sind sie (Achtung, Sarkasmus) nur noch nicht "soweit".
HTH