Hier weitere Informationen in Sachen Malteserorden ./. Boeselager:
Spoiler
Streit beim Malteser-Orden
Unritterliche Kämpfe
Wer an Ritterorden denkt, dem fällt die Playmobil-Burg im Kinderzimmer ein, Geschichten über den Heiligen Gral oder Filme, in denen Christen mit Pferden und Kreuzfahrerfahne über heißen Wüstensand jagen.
Freiherr Albrecht von Boeselager hat weder Ross noch Reiter, dafür eine Zuneigung zu karierten Tweed-Sakkos und randlosen Brillen und ein großes Herz für Menschen, die Not leiden. Der 67-Jährige ist der Sohn des Widerstandskämpfers Philipp von Boeselager und macht nicht viel Aufhebens um seine Person. Dass er ein Ritter ist, sieht man ihm nur bei besonders festlichen Anlässen an. Dann legt er den knöchellangen schwarzen Ordensmantel mit dem großen weißen Kreuz um.
Albrecht von Boeselager arbeitet seit mehr als 30 Jahren für den „Souveränen Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes von Jerusalem von Rhodos und von Malta“, kurzum: Er ist Ritter des katholischen Malteserordens. Zuletzt war er Großkanzler, der dritte Mann in der Hierarchie. Seit Anfang Dezember steht er im Zentrum eines Machtkampfs, der ein ungewöhnlich grelles Licht auf die traditionsbewusste Organisation wirft, die sonst eher im Stillen wirkt.
Ein "Staatsstreich"?
Von außen besehen geht es um Kondome und einen Kampf zwischen Liberalen und Konservativen in der katholischen Kirche, zwischen Freunden und Gegnern von Papst Franziskus. „Alles Kokolores“, sagt ein Freund von Boeselager. Worum geht es dann? „Es geht um nicht weniger als einen Staatsstreich“, heißt es im Vorzimmer des Freiherrn. Der Souveräne Malteserorden ist der älteste noch aktive Ritterorden und zugleich ein moderner Weltkonzern – mit betenden und überwiegend adligen Topmanagern. Er leistet in 120 Ländern humanitäre Hilfe und erwirtschaftet einen Umsatz von geschätzten 1,5 Milliarden Euro.
Begonnen hat alles im 11. Jahrhundert in Jerusalem. Dort beschützten und versorgten die Ordensritter die christlichen Pilger. Später hatte der Orden seinen Sitz auf Malta, 1834 wurde er durch Napoleon vertrieben und zog weiter in den Palazzo di Malta in der Via Condotti in Rom. Heute ist der Malteserorden ein völkerrechtlich souveränes Gebilde und hat einen Sitz bei der UN, eigene Pässe, Briefmarken und Münzen.
Ein Teil der 13.000 Ritter und Damen legen ein Gelübde ab und schwören Keuschheit, Armut und Gehorsam. Das kann man für ebenso skurril halten wie für charmant aus der Zeit gefallen. Trotz der fast tausendjährigen Geschichte und obwohl viele Verantwortliche aus Adelshäusern stammen, ist der Orden nicht reich. Die Hilfswerke müssen sich selbstständig tragen. Die Manager verdienen das, was auch in anderen Konzernen gezahlt wird, hat das Manager-Magazin kürzlich herausgefunden.
Ohne die 80.000 Ehrenamtlichen könnten die Hilfswerke nur sehr eingeschränkt arbeiten. Der geistliche Orden steht deshalb in einem sehr irdischen Wettbewerb um Fördergelder und Aufmerksamkeit. Ein Skandal, wie er die Institution jetzt gerade erschüttert, ist da nicht hilfreich.
Albrecht von Boeselager soll seinen Posten als Großkanzler des Malteserordens aufgeben.
Am 6. Dezember wurde Großkanzler Albrecht von Boeselager in Rom ins Büro des Großmeisters Matthew Festing gerufen. Der Ordenschef überreichte ihm einen Brief, in dem stand, dass er von seinem Amt enthoben sei. Das habe der Heilige Stuhl so gefordert. Mit im Zimmer war Kardinal Raymond Burke.
Er gehört zum erzkonservativen Lager unter den Kardinälen, Franziskus hatte ihn 2013 als Chef der mächtigen Bischofskongregation abgesetzt und zum Chefgeistlichen der Malteser gemacht, vermutlich in der Hoffnung, dort könne er wenig Schaden anrichten. Seitdem ist Burke der schärfste Kritiker des Papstes. Kürzlich hat er ihm gedroht, die Bischöfe würden sich gegen ihn erheben, wenn er seinen Kurs der Öffnung nicht zurückfahre. So etwas ist in der jüngeren Kirchengeschichte noch nicht vorgekommen.
Albrecht von Boeselager weigerte sich zu gehen. Er fand heraus, dass der Heilige Stuhl seine Entlassung gar nicht gefordert hatte, und legte bei einem ordensinternen Gericht Widerspruch ein. Großmeister Festing warf ihm daraufhin vor, gegen das Gehorsams-Gelübde zu verstoßen, und ernannte einen neuen Großkanzler.
Wer mit seinem Vorgehen nicht einverstanden sei, solle den Orden verlassen, ließ Festing die Führungsetage wissen. Und wer öffentlich Kritik äußere, würde ebenfalls Disziplinarmaßnahmen riskieren. „Dies erinnert mehr an ein autoritäres Regime als an religiösen Gehorsam“, schrieb Boeselager in einer Stellungnahme.
Der Gehorsam, der im Orden so wichtig ist, bezieht sich auf die Verfassung. Und laut Verfassung ist die oberste Autorität des Ordens das Generalkapitel, das Parlament der Ritter. Dieses habe ihn gewählt, argumentiert Boeselager, wenn er entlassen werden soll, brauche es eine Zweidrittel-Mehrheit. Oder ein Disziplinarverfahren, das zum Ergebnis kommt, dass er nicht mehr tragbar sei.
Beliebt an der Basis
Doch ein Disziplinarverfahren gab es nicht, und das Parlament will ihn auch nicht loswerden, im Gegenteil: Boeselager ist ein geschätzter Kollege und auch an der Basis bekannt und beliebt, weil er jahrelang die humanitäre Arbeit koordiniert hat.
Die Entlassung begründete Großmeister Festing damit, dass in einem Hilfsprojekt in Myanmar Kondome zur Aidsprävention verteilt wurden. Die katholische Lehre verbietet die Benutzung von Kondomen. Das Projekt sei ohne Kenntnis der Ordenszentrale durchgeführt worden, verteidigt sich Boeselager. Als er davon erfuhr, seien die Programme gestoppt worden. Ihm jetzt vorzuwerfen, er halte sich nicht an die kirchliche Lehre, sei "absurd". Boeselager will sich auf keinen Fall als "Galionsfigur der Kondomeverteiler" sehen.
Ritterkollegen vermuten, dass der jahrelang zurückliegende Kondomstreit nur vorgeschoben ist, auch Kardinal Burke sei nur ein „Schuhlöffel“ für den Rauswurf. Doch was steckt dann dahinter? „Machtgelüste“, sagt ein Freund Boeselagers – und erzählt, dass Großmeister Festing bereits 2014 das Ritterparlament zu entmachten versucht habe, indem er den Rittern vorschreiben wollte, wen sie zu wählen hätten. Doch das sei nicht gelungen. Boeselagers Entlassung sei ein weiterer Schritt in dieser Entwicklung, eine Art "Staatsstreich". Was Festing darüber denkt, ist nicht zu erfahren.
Franziskus will im Streit vermitteln
Franziskus hat eine Untersuchungskommission eingesetzt, nach Angaben des Vatikans um den Konflikt „friedlich“ beizulegen und die Hintergründe zu klären. Doch das hat den Streit weiter eskalieren lassen. Der Orden teilte mit, dass er angesichts der „rechtlichen Irrelevanz“ nicht mit der Kommission zusammenarbeiten werde. Die Leitung eines katholischen Ordens verweigert sich dem Papst – so etwas hat es in der jüngeren Kirchengeschichte noch nicht gegeben.