Und zu der Versammlungsrechtsgeschichte ist zu sagen, dass hier ein typischer Fall einer Grundrechtskollision vorliegt. Artikel 14 sichert das Recht auf Eigentum, macht aber in den Absätzen 1 Satz Satz 2 und 2 Satz 1 auch Einschränkungen. Artikel 8 sichert das Recht auf Versammlungsfreiheit, macht aber in Absatz 2 Einschränkungen für die Versammlung unter freiem Himmel.
Ich kann dem Artikel jetzt nicht genau entnehmen, ob es sich um eine Versammlung im Job-Center oder um eine Versammlung vor dem Job-Center (also unter freiem Himmel) aber bereits auf einem Privatgrundstück handelt. Die Rechtslage ist in beiden Fällen unterschiedlich. Da aber wohl eine Anmeldung bei der Versammlungsbehörde erfolgt ist und diese gemäß § 14 Versammlungsgesetz nur bei Versammlungen unter freiem Himmel zulässig ist, so gehen ich von Alternative zwei aus (Versammlung auf den Stufen vor dem Job-Center).
Weiter müssen wir uns ansehen, an wen sich das Grundgesetz richtet. Es gibt die Grundrechtsaddressaten und die Träger der Grundrechte.
Achtung Manuel, es folgt eine Definition: Grundrechtsaddressaten sind vor allem diejenigen Träger von deutscher Staatsgewalt, bei deren exekutiver Aufgabenerfüllung Grundrechtseingriffe praktisch vorkommen können. (Quelle:
http://de.jurispedia.org/index.php/Grundrechtstr%C3%A4ger_%28de%29 )
Als deutsche Grundrechtsträger und -trägerinnen bezeichnet man alle grundrechtsmündigen natürlichen Personen und Personenvereinigungen in Deutschland sowie alle juristischen Personen des deutschen Privatrechts. (Quelle:
http://de.jurispedia.org/index.php/Grundrechtsadressat_%28de%29 )
Jetzt sehen wir uns die Beteiligten an:
- Versammlungsteilnehmer
- Job-Center
- Vemieter des Job-Centers
- Versammlungsbehörde
Die Versammlungsbehörde ist unstreitig Grundrechtsadressat und die Versammlungsteilnehmer sind Grundrechtsträger. Die Versammlungsteilnehmer haben somit einen Anspruch auf Gewährung der Rechte aus Artikel 8 Grundgesetz durch die Versammlungsbehörde.
Bei dem Vermieter des Job-Centers könnte es sich auch um einen Grundrechtsträger handeln, wenn es sich um eine natürliche Person oder eine juristische Person des deutschen Privatrechts handelt. Ohne nähere Angaben im Sachverhalt nehme ich dies als gegeben an. Der Vermieter des Job-Centers hat somit einen Anspruch auf Schutz seiner Rechte aus Artikel 14 Grundgesetz gegen die Versammlungsbehörde.
Das Job-Center selbst ist Grundrechtsaddressat, da es Teil der ausführenden deutschen Staatsgewalt ist. Fraglich ist, ob das Job-Center auch Grundrechtsträger ist. Grundrechtsträger kann sein, wer eine natürliche Person oder eine juristische Person deutschen Privatrechts ist. Das Job-Center Wuppertal ist organisiert in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts (
http://www.jobcenter.wuppertal.de/service/content/impressum.php ). Die Eigenschaft als Träger von Grundrechten scheidet somit aus.
Die Versammlungsteilnehmer haben folglich auch gegen das Job-Center einen Anspruch auf Gewährung ihrer Grundrechte aus Artikel 8 Grundgesetz.
Umgekehrt hat aber auch der Vermieter des Job-Centers sowohl einen vertraglichen Anspruch als auch einen Anspruch auf Schutz seiner Grundrechte aus Artikel 14 Grundgesetz gegen das Job-Center.
Es liegt somit ein Fall der Grundrechtskollision vor. Die Lösung dieses Problems erfolgt in Deutschland nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz (
http://de.wikipedia.org/wiki/Praktische_Konkordanz ). Dieses sieht vor, dass im Fall einer Kollision beide geschützen Rechtsgüter in einen Ausgleich gebracht werden müssen. Es geht somit nicht um die Bildung einer Rangreihe im Sinne von Eigentum geht vor Versammlungsfreiheit oder umgekehrt. Die durch Grundrechte geschützten Rechtsgüter sind zueinander gleichwertig, eine Abwägung zwischen ihnen erfolgt nicht.
Die Aufgabe des Verwaltungsgerichts wird somit sein zu ergründen, durch welches Verhalten der Versammlung eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum erfolgen kann und sich Maßnahmen zu überlegen, wie dieser Eingriff minimiert werden kann. Dabei kommt es zum Beispiel darauf an, ob das Job-Center einziger Mieter des Gebäudes ist oder ob ggf. noch in die Grundrechte weiterer Mieter eingegriffen würde.
Ich wage die Prognose, dass die Versammlung statfinden kann unter Auflagen bezüglich Dauer und Zahl der Teilnehmer.
Bei dem angesprochenen FraPort-Urteil (
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20110222_1bvr069906.html ) war die Lage etwas anders. Hier ist die FraPort AG eine juristische Person des deutschen Privatrechts und somit Träger von Grundrechten. Da die FraPort AG jedoch zu 52 % im öffentlichen Eigentum steht kann sie sich nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts nicht als Träger von Grundrechten betrachten sondern ist vielmehr Addressat von Grundrechten. Hier hatten die Versammlungsteilnehmer einen direkten Anspruch gegen die FraPort AG auf Gewährung der Rechte aus den Artikeln 5 und 8 Grundgesetz. Aber auch hier hat das Bundesverfassungsgericht zugestanden, dass im Interesse eines störungsfreien Flugbereibes Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zulässig sind (siehe praktische Konkordanz). Kollidierend sind in diesem Fall die Rechte aus Artikel 14 Grundgesetz der privaten Miteigentümer der FraPort AG.