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Die Bafin will das Ausmaß dieser Geschäfte am rechten Rand aufklären, und die Verbindungen und Netzwerke innerhalb der "Reichsbürger"-Vereinigung "Königreich Deutschland" verstehen. Mittlerweile zählt der Verfassungsschutz deutschlandweit 23.000 Personen zur "Reichsbürger"-Szene, 1250 von ihnen sind demnach gesichert Rechtsradikale.
Das "Königreich Deutschland" dient einigen davon als eigener Parallel-"Staat". Sie haben ihn erfunden – inklusive eigener Personaldokumente, Gewerbeerlaubnisse, Führerscheine sowie Bankkonten und Versicherungen. Bezahlt wird im "KRD" mit dem Fantasie-Bezahlmittel "E-Mark". Auf diversen Onlinehandels-Plattformen wie "Kadari" können Beteiligte damit einkaufen. Doch wie genau funktioniert das Finanzsystem der "Reichsbürger" und wer sind darin die führenden Köpfe?
Peter Fitzek: "König von Deutschland"
Die "Reichsbürger" sind keine homogene Gruppe und auch nicht zwangsläufig im "Königreich Deutschland" organisiert. Gemein ist ihnen jedoch, das sie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen und ihr Rechtssystem nicht anerkennen. Sie zahlen deshalb meist keine Steuern oder weigern sich, Gerichtsurteile anzuerkennen. Deutschland wünschen sie sich oft in den Grenzen von 1937, sie treten für eine krude "Reichsidee" ein. Verschwörungstheorien und Esoterik spielen eine große Rolle.
Schon 2017 hatte die BaFin den Verein "Königreich Deutschland" regelmäßig im Visier wegen unerlaubter Bank- und Versicherungsgeschäfte. Oberster Kopf der Gruppierung: Peter Fitzek. 2021 versuchte die Bafin, die von ihm betriebene Fantasie-Bank "GemeinwohlKasse" abzuwickeln und untersagte Fitzek das Geldeinlagengeschäft. Doch er macht weiter, und das obwohl er demnach wegen unerlaubter Versicherungsgeschäfte bereits verurteilt wurde.
Fitzek steht ganz oben in der Hierarchie des "Reichsbürger"-"Königreichs". Die Presseanfrage von Capital beantwortet er als "Oberster Souverän". Der gelernte Koch ist sein prominentestes Mitglied, auch weil er sich 2012 in Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt als "König von Deutschland" inszenieren ließ. Er selbst bestreitet, Teil der "Reichsbürger"-Szene zu sein. Fitzek ist ein kreativer Kopf. Immer wieder lässt er sich Finanzmodelle einfallen, die das Geldsystem der BRD negieren. Als treibende Kraft von "NeuDeutschland" – dem Vorgängerverein des "Königreich Deutschland" – gab er das "Engelgeld" heraus, eine Art vereinsinterne Währung. Engel war hierbei eine Abkürzung für "Ein Neues Geld Erweckt Liebe", "Ein Neues Geld Erzeugt Leistungsbereitschaft" und "Ein Neues Geld Erschafft Leihmöglichkeiten".
Bevor er "NeuDeutschland" und "Königreich Deutschland" gründete, versuchte Fitzek auf demokratischen Wegen, an Einfluss zu kommen: 2008 kandierte er bei der Wahl zum Oberbürgermeister von Wittenberg, 2009 als unabhängiger Direktkandidat für den Deutschen Bundestag. Beide Male erhielt er weniger als ein Prozent der Stimmen.
Immer wieder gerät Fitzek mit den Behörden aneinander. Er stand mehrfach vor Gericht. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Wittenberg wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu acht Monaten Haft. Fitzek legte Widerspruch ein, nun liegt der Fall beim Landgericht Dessau-Roßlau, weshalb er seine Gefängnisstrafe vorerst nicht antreten muss.
Die Durchsuchungen der Bafin von Immobilien der "Königreich Deutschland"-Vereinigung bezeichnet Fitzek auf Nachfrage als "illegal", sie seien "ein bewaffneter kriegerischer Akt auf ein anderes Völkerrechtssubjekt". Die Bafin selbst sieht er als Teil eines "mafiösen Bankenkartells".
Marco Ginzel: Fitzeks Adjutant in Geldfragen
Inzwischen tüftelt Fitzek nicht mehr alleine an seinem Finanzsystem, sondern bekommt Unterstützung von Marco Ginzel. Ihm hat die Bafin erst Mitte Dezember verboten, Geldgeschäfte anzubahnen, abzuschließen und abzuwickeln. Seine im Auftrag Fitzeks gemachten Geldgeschäfte muss Ginzel demnach rückabwickeln. Betroffene Anlegerinnen und Anleger sollen sich dafür an den durch die Bafin bestellten Rechtsanwalt Stefan Oppermann wenden.
Ginzel gehört laut Bafin zur Leitung des von Fitzek gegründeten "Königreich Deutschland". Demnach warb er im Internet für Fitzeks unerlaubte Geschäfte. "Zudem nahm er auf seinen eigenen Bankkonten für Fitzek bestimmte Gelder an", so die Bafin. Den Erkenntnissen der Aufsichtsbehörde zufolge leitete Ginzel mehrere Vereine, über deren Bankkonten Fitzek Zahlungen annahm oder tätigte. Mit den gesammelten Geldern habe Ginzel dann unter anderem eine Immobilie in Sachsen gekauft, die zeitweise als Hauptsitz des "Königreichs" diente. Inzwischen verhängte die Bafin Verfügungsverbote über Ginzels Bankkonten, sodass er nicht mehr darauf zugreifen darf.
Eine Banklizenz haben weder Fitzek noch Ginzel. In Fitzeks Augen sind die Geldgeschäfte nicht erlaubnispflichtig. Deshalb habe man auch nicht beabsichtigt, eine Banklizenz zu erhalten, "da das bestehende System sehr destruktiv und schädlich für die Menschheit ist und in unermesslichem Ausmaß Raubbau und Kriege fördert", schreibt Fitzek auf Nachfrage von Capital.
"Gemeinwohlkasse": Schein-Bank mit schlechten Konditionen
Während die BaFin dabei ist die "Gemeinwohlkasse" abzuwickeln, finden sich im Internet noch immer die Website mit deren Eigendarstellung und Angeboten. Die "GK" präsentiert sich als Mischung aus Zentralbank, Geschäftsbank, Private Equity-Investor und Finanzministerium. Über alles entscheidet Fitzek als "der Oberste Souverän zum Schutze des Königreiches Deutschland".
Auf der Startseite steht vor dem Foto eines sommerlichen Getreidefeldes der Schriftzug "Königliche Reichsbank". Das gesamte Finanzsystem der Gruppe zeichnet sich, wie auch in der erfundenen "Verfassung" hinterlegt, durch den Verzicht auf Zinsen aus. Diese wirken laut Fitzek "zerstörerisch". Erhoben werden nur Gebühren. Die Ablehnung von Zinsen ist oft auch ein Bestandteil antisemitischen Denkens, bei dem Zinsen negativ mit jüdischen Geldgeschäften verknüpft werden.
Die Pseudo-Bank bietet ein "Euro-Sparkonto" an, was allerdings keinem Sparkonto einer normalen Bank entspricht. Anlegende schließen stattdessen einen sogenannten Kapitalüberlassungsvertrag ab und stimmen damit der Investition in diverse Projekte zu. Genannt werden unter anderem ein Schulungszentrum, ein Medienzentrum und ein Dorfprojekt.
Finanziert wird mit den Einlagen also der Aufbau einer Infrastruktur der "Königreich"-Gemeinschaft mit dem Versprechen, an künftigen Gewinnen zu partizipieren. Das "Euro-Sparkonto" ist damit eine Art nachrangige Schuldverschreibung. Dazu heißt es: "Eine Verpflichtung zur unbedingten Rücküberlassung des Kapitals besteht also nicht. Es wird von der Königlichen Reichsbank dann zurückerstattet, wenn es geleistet werden kann und ungebundenes Vermögen vorhanden ist." Mit anderen Worten: Ist das Geld in die diversen Projekte investiert und gibt es keine Cashflows aus diesen Projekten, gibt es auch kein Geld zurück.
Fitzek verweist auf die Frage von Capital, warum er das "Euro-Sparkonto" ein Bankkonto nenne, obwohl das dort eingezahlte Geld in Projekte investiert werde und kein unmittelbarer Rückzahlungsanspruch existiere, auf eine Gesetzesfassung aus der Zeit des Nationalsozialismus. "Der § 41 des (eigentlich unanwendbaren) Kreditwesengesetzes (KWG) aus dem Jahre 1934 (die illegale NS-Zeit) definiert, dass man etwas ,Bank' nennen darf, wenn klar ist, dass es sich bei Tätigkeiten mithilfe der Einrichtung nicht um sog. Bankgeschäfte handelt. Das ist hier der Fall", schreibt Fitzek. Er bezieht sich also auf ein Gesetz, was er selbst als nicht anwendbar bezeichnet.
Im Konto-Vertrag heißt es: "Der Hauptzweck der Kapitalüberlassung besteht in erster Linie in der Unterstützung der Ziele des KE. Der KÜ erwirbt damit die Möglichkeit, ein neues Gemeinwesen mit aufzubauen und kann auf Wunsch über die Verwendung des von ihm überlassenen Kapitals zur Förderung dieser Zwecke informiert werden. Die Verwendung der Mittel liegt vollständig im freien Ermessen des KE." KE steht hier für Kapitalempfänger, KÜ für Kapitalüberlasser. Renditeerwartungen sind laut Fitzek damit keine verbunden.
Im Weiteren wird klar, dass das Geld ausschließlich dazu dienen soll, das steuerfreie "Königreich" aufzubauen und am Laufen zu halten. "Dieses Genußrecht ist nicht übertragbar. Dabei tritt der bedingte Anspruch des KÜ auf Rückführung des überlassenen Kapitals gegen den KE im Rang hinter die Interessen des KRD zurück", so der Vertragstext. "Insbesondere darf die Rückführung des Kapitals nicht zu einer rechnerischen Überschuldung oder Insolvenz des KE / des KRD und / oder der KRB führen. Die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens kann nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden." Abhebungungen vom Sparkonto sind also nur möglich, wenn das Geld nicht bereits in den Aufbau des "KRD" geflossen ist.
"E-Mark" als fiktives Bezahlmittel
Das "Euro-Sparkonto" dient außerdem dazu, Euro-Guthaben "gebührenfrei" in die fiktive Währung des "Königreichs" umzutauschen: die "E-Mark". Damit sollen Zahlungen "innerhalb des Königreichs" sowie auf dem Online-Marktplatz "Kadari" möglich sein. Die Eröffnung des "E-Mark-Kontos" kostet 20 Euro Gebühr. War die "E-Mark" zum Wechselkurs von 1:1 gestartet, gibt es für einen Euro inzwischen nur noch 0,91 "E-Mark". Trotzdem behauptet Fitzek, die "E-Mark" sei mehr wert als der Euro. Der Euro sei als Währung "bald am (geplanten) Ende und mit ihm die sog. ,Banken' und ein Großteil Ihrer Guthaben".
Ein Rücktausch von "E-Mark" in Euro ist ausgeschlossen. Einen belastbaren Grund nennt Fitzek dafür nicht, sondern sagt: "Wir können das bestehende kranke System erst dann ersetzen und einen Rücktausch ermöglichen, wenn es mutige Menschen gibt, die es wollen. Ist das Königreich Deutschland gerichtlich direkt oder indirekt als Staat und Wir (Sic!) als Staatsoberhaupt anerkannt worden, können Wir (Sic!) einen Rücktausch dann erst per Gesetz ermöglichen."
"Deutsche Heilfürsorge": Pseudo-Krankenkasse für Nicht-Corona-Geimpfte
In der Scheinwelt von Fitzek und Ginzel gibt es auch eigene Versicherungen – gegen die die Bafin ebenfalls schon vorging. Die Bandbreite reicht von Hausratversicherungen über Wohngebäude- und Einbruchdiebstahlversicherungen bis hin Kfz-Haftpflichtversicherungen und Krankenversicherungen.
Die "Deutsche Heilfürsorge" zum Beispiel soll eine "Gesundheitskasse der neuen Zeit sein". Potentielle Interessenten begrüßen die Betreiber auf ihrer Homepage mit den Worten: "Bei uns gilt: Wer heilt, hat recht!". Eine Erlaubnis für das Versicherungsgeschäft hat "Herr Fitzek" laut Bafin jedoch nicht.
Mitglied werden können bei der Schein-Krankenkasse nur Selbstständige und Freiberufler sowie "Unternehmer im Gemeinwohlstaat KRD". Ausgeschlossen von der Aufnahme sind – "aus rechtlichen Gründen", wie es heißt – "Corona-Geimpfte, Angestellte, Studenten, Beamte, Sozialleistungsempfänger, Rentner, Antragssuchende ab dem 55. Lebensjahr". Neben den "gesetzlich erforderlichen Mindestleistungen für ambulante und stationäre Absicherung" wirbt die Pseudo-Versicherung damit, "auch alternative Heilverfahren wie Heilpraktikerleistungen, Akupunktur, Homöopathie, Osteopathie und andere" zu übernehmen.
Gerade bei unerlaubt angebotenen Krankenversicherungen ist das Schadenspotenzial hoch. Je nach Höhe des Schadens können Versicherungsnehmer dabei in Schulden geraten, die sie aus eigener Kraft nicht mehr abbauen können.
Schon 2017 hatte die Bafin eine "Reichsbürger"-Krankenkasse mit dem Namen "Deutsche Gesundheitskasse DeGeKa VVaG" in Dresden dicht gemacht, die ohne Erlaubnis agierte. Sie bot Krankenversicherungen für das Deutsche Reich in den Grenzen von 1914 an."Auch wenn diese Versicherungsverträge nur mit Mitgliedern der jeweiligen Gruppierung abgeschlossen werden sollen, stellt dies doch das Betreiben des Versicherungsgeschäfts ohne Erlaubnis dar", so die Bafin 2017.
Die "DeGeKa" hielt die Bafin damals hingegen für nicht zuständig. "Wir sind Reichs- und Staatsangehörige und haben unsere eigene Krankenkasse gegründet", sagte Doris Roy von der Dresdner Pseudo-Geschäftsstelle. "Die Bafin ist außerhalb von dem, was wir vorhaben." Das Verfahren gegen vier Angeklagte vor dem Amtsgericht Dresden wurde später gegen Geldauflagen eingestellt. Eine Bafin-Mitarbeiterin hatte in dem Prozess berichtet, dass Dokumente und Formulare denen der echten Krankenkasse "Debeka" täuschend ähnlich gesehen hätten. Ein unbedarfter Verbraucher habe den "Reichsbürger"-Hintergrund der Kasse nicht erkennen können.
Dieser Artikel erschien zuerst an dieser Stelle beim Wirtschaftsmagazin "Capital", das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.