Umfangreiche Begründung des VG München im Einstweiligen Rechtsschutz, warum das Waffenverbot nach § 41 WaffG hält.
Heißt: Reichi darf auch nicht auf einem Schießstand eine Waffe erwerben (= die tatsächliche Gewalt darüber ausüben, also in die Hand nehmen), das eigentlich erlaubnisfreie Bajonett vom Opa is nich mehr und Luftgewehrschießen auf dem Rummel ist ihm auch verboten.
Spoiler
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf einen Teil seiner Klage gegen den Erlass eines Erwerbs- und Besitzverbots für erlaubnisfreie Waffen und Munition mit Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse (Waffenbesitzkarten) und hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2023.
2
Am 13. Dezember 2022 ging bei der Antragsgegnerin ein Ermittlungsbericht des … * … zur Reichsbürgereigenschaft des Antragstellers ein. Dieser habe in einer E-Mail an die Gerichtsvollzieherin am … … 2021 bezüglich eines Termins u.a. geschrieben.: „Dahingehend bitte ich Sie, den „Haftbefehl“ des Standgerichts, – äh Amtsgerichts nicht anzuwenden!“. In einer weiteren E-Mail vom … … 2021 habe er die Berufssparte der Gerichtsvollzieher als „Gilde“ bezeichnet. Weiterhin habe er Gesetzesstellen mit dem Hintergrund zitiert, die Rechtmäßigkeit und den Beamtenstatus der Gerichtsvollzieherin anzuzweifeln. Bereits im März 2021 sei eine Verdachtsmeldung i.S. Reichsbürger durch die … … erfolgt. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle habe der Antragsteller auf die Frage nach seinem Personalausweis gesagt: „Ich besitze keinen Personalausweis, denn ich bin kein Personal der BRD.“ Der Antragsteller sei schriftlich zu einer Vernehmung vorgeladen worden, jedoch nicht zu dem Termin erschienen. Er habe in einer E-Mail am … … 2022 erklärt, warum er den Termin nicht wahrnehmen wolle. Am … … 2022 habe er beim Unterzeichner angerufen. Im Gespräch sei ihm der Grund der Vorladung erklärt worden. Der Antragsteller habe keine konkreten Äußerungen gemacht, die eine Reichsbürgereigenschaft bestätigten. Jedoch sei zu bemerken gewesen, dass er gut auf seine Wortwahl geachtet habe, um „nichts Falsches“ zusagen. Er habe den Eindruck vermittelt sich zu bemühen, den Verdacht auszuräumen, in dem er sich zu den vorgehaltenen Äußerungen gerechtfertigt habe: Er habe viele Seiten im Internet gelesen, er sei an Geschichte interessiert, habe Geschichte als Leistungskurs gehabt, eigene Gedanken seien frei, er lasse sich nicht in eine Schublade stecken. Auf den Vorhalt bzgl. des Beamtenstatus der Gerichtsvollzieherin habe er erläutert, dass er dies gegoogelt habe und über die Ergebnisse darauf gestoßen sei, dass Gerichtsvollzieher möglicherweise keine Beamten seien. Diese Frage habe er beantwortet haben wollen und habe sie deshalb in seiner E-Mail an die Gerichtsvollzieherin gestellt. Insgesamt habe er vom Eindruck her nicht überzeugen können, nicht das Gedankengut von Reichsbürgern zu vertreten. Es sei eher auffällig gewesen, dass er bemüht gewesen sei, „nichts Falsches“ zu sagen, was den Verdacht eher verstärkt habe. Er habe ebenfalls den Eindruck gemacht, er sei „zu schlau“ um sich nun bei der konkreten Überprüfung als Reichsbürger zu erkennen zu geben. Insbesondere seien ihm die möglichen Auswirkungen auf seine Waffenerlaubnisse bewusst gewesen. Der Antragsteller sei aus fachlicher Sicht der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen. Durch seine Äußerungen hätten sich Hinweise auf eine Reichsbürgereigenschaft ergeben. Die Angaben ließen auf die reichsbürgertypische Ablehnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Staatsbedienstete schließen.
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Im Rahmen der Anhörung zum beabsichtigten Bescheidserlass äußerten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsätzen vom … … 2023 und vom … … 2023 und führten dabei aus, der Antragsteller anerkenne grundsätzlich die staatliche Autorität der Bundesrepublik Deutschland, die Bindungswirkung der Rechtsordnung im Allgemeinen und auch die vollständige und umfassende Bindungswirkung des Waffenrechts. Die Darstellung werde auf ungefähr die letzten 10 Jahre beschränkt, was der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts entspreche, dass jedenfalls die Berücksichtigung von negativen früheren Umständen ihre Grenze finden würde bei dem doppelten Zeitraum der gesetzlichen Unzuverlässigkeit, hier liege die äußerste Grenze bei 10 Jahren. Zu den einzelnen Äußerungen des Antragstellers wurde Stellung genommen. Der Antragsteller habe sich in finanziellen Schwierigkeiten befunden und sei belastet und unter Druck gewesen. Sein Ärger und Unmut über die Vollstreckung als solche habe in einer etwas hilflosen E-Mail Ausdruck gefunden. Persönliche Angriffe, Beleidigungen oder Drohungen gegen die Gerichtsvollzieherin seien nicht enthalten gewesen. Der Antragsteller habe nicht etwa die generelle Befugnis von Gerichtsvollziehern zur Vornahme von Vollstreckungen in Zweifel gezogen oder abgestritten. Er habe sich einfach in etwas hilfloser Weise und in gereiztem Ton gegen eine konkrete Vollstreckung gewandt. Der Antragsteller habe ehrlich und selbstkritisch geäußert, er sei bei der Verkehrskontrolle gereizt gewesen, weil er schon wieder einmal und aus seiner Sicht ohne vernünftigen Grund kontrolliert worden sei. Er habe das als belastend empfunden, vielleicht auch als Schikane. Auch hier habe er aber die Polizisten nicht etwa persönlich angegriffen oder beleidigt. Er habe auch nicht ihr Recht zu derartigen Überprüfungs- und Gefahrenabwehrmaßnahmen bestritten. Aber weil er gewusst habe, dass es keine generelle Mitführpflicht für Personalausweise gebe, hätte er auf Bitte um Vorweisung seines Personalausweises eben in etwas kecker Form geantwortet, nämlich mit dem zitierten Wortspiel. Selbstverständlich – und das sei auch dem Antragsteller völlig bewusst – seien Personalausweise der Bundesrepublik Deutschland nicht den Bediensteten des Bundes vorbehalten. Er besitze einen gültigen Reisepass, mit dem er sich ausweisen könne. Er stelle weder die Berechtigung der Bundesrepublik Deutschland zur Ausstellung von Personalausweisen in Frage noch weigere er sich aus grundsätzlichen Erwägungen, bei Kontrollmaßnahmen mitzuwirken. Er habe sich nur über die Maßnahme geärgert und mit einem etwas flapsigen Spruch reagiert. Der Aufforderung der Polizei zum Gespräch sei der Antragsteller nachgekommen, er habe sich am … … 2022 telefonisch länger unterhalten, wozu er von Rechts wegen nicht verpflichtet gewesen sei. Das zeige grundsätzlich seine Bereitschaft, sich auch Nachfragen oder Kritik zu stellen, und es zeige des Weiteren eine gewisse Rechtstreue an. Aus dem Gespräch und den dabei getanen Äußerungen, die offenbar in gesitteter und bedachter, ruhiger Form erfolgt seien, könne man nichts Negatives zu Lasten des Antragstellers ab- oder herleiten. Man müsse dies vielmehr als deutliches Anzeichen dafür werten, dass ihm der verwaltungsrechtliche Ernst der Situation bewusst geworden sei und dass er sich hier nun zusammengenommen habe. Irgendwelche Belastungszeichen seien hierin aber gerade nicht zu entdecken, was auch die Polizei in ihrem Aktenvermerk habe einräumen müssen. Die dennoch bewusst abweichende rein subjektive Bewertung des Beamten werde durch die aktenkundigen Tatsachen nicht gedeckt. Weder die elektronische Vorgangsverwaltung der … … … enthalte zum Aktenzeichen bzgl. des Antragstellers andere oder beweiskräftige Nachweise noch werde die subjektive Einschätzung aufgrund irgendwelcher intern bekannter weiterer Tatsachen oder gar geheimhaltungsbedürftiger Erkenntnisse noch anderweitig erhärtet oder fundiert. Es wurde weiter auf eine Entscheidung des VGH Mannheim vom 4. Juli 2022 (Az.: 6 S 988/22) hingewiesen und hierzu ausgeführt. Bei dem Antragsteller liege weder irgendein Kontakt zur rechtsextremen Szene noch eine Verwobenheit in Reichsbürgerkreise und -sympathiegruppen vor. Es werde nochmals hervorgehoben, dass der Antragsteller die Hoheit der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesländer vollständig anerkenne. Er glaube weder an irgendeine Form der Fortexistenz des Deutschen Reichs (das mit dem Einigungsvertrag staatsrechtlich endgültig sein Ende gefunden habe) noch stelle er irgendwie die Legitimität und die Berechtigung staatlicher Maßnahmen allgemein in Frage und glaube etwa, er könne sich aussuchen, welchen Anweisungen und Normen er folge und nicht. Die gesamthafte Verbindlichkeit der Rechtsordnung werde von ihm ausdrücklich anerkannt und selbstverständlich auch und erst recht im Waffenrecht. Der Antragsteller entschuldige sich nochmals für den zuvor entstandenen falschen Eindruck. Er habe sich die jetzige Anhörung im Verwaltungsverfahren auch zur nachhaltigen Lehre dienen lassen und es sei ihm klar geworden, dass er seine Äußerungen und Verhalten besser etwas modifiziere.
4
Mit Bescheid vom 15. Februar 2023, zugestellt am 18. Februar 2023, untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Zustellung des Bescheids auf Dauer, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben oder zu besitzen (Nr. I.1). Des Weiteren wurden die Waffenbesitzkarten des Antragstellers widerrufen (Nr. I.2) und hierzu Folgeanordnungen mit Zwangsgeldandrohung getroffen (Nrn. I.3, I.4, I.6). Für die Nrn. I.1, I.3 und I.4 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. I.5).
5
Zur Begründung des Waffenverbots wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage für das Verbot, erlaubnisfreie Waffen oder Munition zu erwerben und zu besitzen sei § 41 WaffG. Der Antragsteller besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG. Die Erkenntnisse ließen befürchten, dass der Antragsteller sich nicht an die strengen waffenrechtlichen Vorgaben des Waffengesetzes zum Umgang mit Waffen halten werde. Als sog. „Reichsbürger“ bestreite er die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle. Er werde aktuell durch das Polizeipräsidium München als Reichsbürger eingestuft. Er habe sich mit seinen Handlungen und Äußerungen in den Kontext zu der sog. „Reichsbürger“ – Bewegung gestellt, welche der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesregierung und Behörden die Legitimation abspreche sowie das Grundgesetz und die darauf fußende Rechtsordnung nicht anerkenne. Ob die Äußerungen aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage oder in gereizter Stimmung erfolgt seien, sei irrelevant. Die nachträgliche Relativierung der reichsbürgertypischen Phrasen werde als Schutzbehauptung bewertet. Mit seinen getätigten Äußerungen gegenüber der Gerichtsvollzieherin und im Rahmen der Polizeikontrolle habe er sich das Gedankengut der Reichsbürgerbewegung zu eigen gemacht. Dass er im Telefonat mit der Polizei – als ihm klar geworden sei, dass seine Äußerungen zu für ihn belastenden Konsequenzen führen könnten – keine reichsbürgertypischen Phrasen von sich gegeben habe, könne ihn nicht ausreichend entlasten. Die Einstufung des Antragstellers als Reichsbürger durch die Polizei erscheine der Waffenbehörde plausibel und nachvollziehbar. Das Gesetz habe den Waffenbehörden nach § 41 WaffG einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Verhängung eines Waffenverbots im Einzelfall eingeräumt. Dies bedeute im Fall des Antragstellers, dass sich die Waffenbehörde einerseits entschlossen habe zu handeln und andererseits unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob die Belange der öffentlichen Sicherheit höher zu gewichten seien als die Interessen des Antragstellers. Es folgten weitere Ausführungen zu dem legitimen Zweck des Waffenverbots und dessen Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit. Um der unsachgemäßen bzw. leichtfertigen Verwendung von erlaubnisfreien Waffen und Munition durch den Antragsteller als waffenrechtlich unzuverlässiger Person vorzubeugen und die damit verbundenen Gefahren abzuwenden, welche bereits mit dem Besitz von erlaubnisfreien Waffen oder Munition zu befürchten seien, habe dem Antragsteller in Anwendung des pflichtgemäßen Ermessens der Erwerb und Besitz solcher Gegenstände untersagt werden müssen. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wurde ausgeführt, es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass das Waffenbesitzverbot vor der, bei Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs u.U. erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam würde. Es habe deshalb sichergestellt werden müssen, dass der Antragsteller, der die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG nicht mehr besitze, ab sofort keine Möglichkeit mehr habe, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition auszuüben. Dies sei nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu gewährleisten. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an einem sofort wirksamen Waffenbesitzverbot gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, Waffen und Munition bis zu Unanfechtbarkeit des Bescheids zu erwerben und zu besitzen, habe daher einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange ergeben. Weiter wurde (u.a.) darauf hingewiesen, dass aufgrund des vorliegenden Verbots die Ausnahmen von den Erlaubnispflichten nach § 12 WaffG nicht anwendbar seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheids Bezug genommen.
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Am 13. März 2023 erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers vollumfänglich Klage gegen den Bescheid (* * * …*).
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Am 19. April 2023 stellten sie zudem einen bereits angekündigten (eingeschränkten) Eilantrag in Bezug auf den Umgang mit Waffen auf zugelassenen Schießstätten und auf Meisterschaften und Wettkämpfen. Der Antragsteller sei aktiver und leistungsbezogener Sportschütze. Vom 18. bis 20. Mai 2023 stünden im Verband des Antragstellers (* … … … … … … … … … … * … … … … … … … … … … … … …*) die Deutschen Meisterschaften an. Der Antragsteller habe wiederholt erfolgreich an einem der drei Bundeswettbewerbe des Verbands der DSU teilgenommen (* … … … … … … … … … …*). Er habe sich auch bereits frühzeitig zu den kommenden Deutschen Meisterschaften im Mai über seinen Verein angemeldet. Dem Antragsteller würde durch die jetzige, in diesem Punkt zu weit gefasste Erstreckung des Waffenverbots auch das notwendige vorbereitende Training ebenso wie die Teilnahme an diesen Meisterschaften selbst verunmöglicht. Es wäre unter kriminalisierender Strafandrohung nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG verboten. Auf der Vereinsschießstätte und auf dem Meisterschaftsschießstand könnte der Antragsteller mit Vereinswaffen bzw. Waffen seiner Vereinskameraden schießen und eine solche Möglichkeit sei im Schießsport auch ausdrücklich vom Gesetzgeber als erlaubnisfrei gewollt (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 WaffG). Die Waffen würden ihm dort zum Schießen ausgegeben, eine Schießaufsicht stehe dann mit bzw. hinter ihm auf dem Schießstand, und sie würden ihm dann nach Ende des Schießens wieder abgenommen. Von der Behörde sei als extreme Erstreckung des Verbots ausdrücklich ergänzend angeordnet worden, dass die Ausnahmen von den Erlaubnispflichten nicht anwendbar seien. Dies sei zu weit und wäre – auch bei Anlegung eines gebotenermaßen strengen und vorsichtigen Maßstabs im Interesse der öffentlichen Sicherheit – nicht mehr erforderlich / geboten im engeren Sinne und auch nicht verhältnismäßig im weiteren Sinne, was im Folgenden weiter ausgeführt wurde. Waffenverbote in beiden Fällen des § 41 WaffG dürften nicht als eine „Nebenstrafe“ verhängt werden. Dies wäre als Verwaltungsstrafe unzulässig. Es handele sich bei Waffenverboten um reine Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr, also um Dauerverwaltungsakte des Sicherheits- und Ordnungsrechts. Der vorrangige Sicherungscharakter des Waffenverbots als schärfster Maßnahme des Waffenrechts trete anschaulich hervor zum einen in der Gefahrennennung in der Option des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG. Zum anderen würden die parallelen Optionen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des Absatzes 2 sprachlich fast übereinstimmend als den Gefahrenabwehrgrund nennen: „soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist.“ Das Waffenverbot sei eine Ausnahme, keine Standardmaßnahme oder Routine, vor allem nicht einfach eine „Folge der Unzuverlässigkeit“, wie einige wenige Behörden meinten. Dies zeige sich am deutlichsten am systematischen Beispiel erlaubnisfreier Waffen, was weiter ausgeführt wurde. In aller Regel sehe der Gesetzgeber den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, die ausreichende und hinreichende Gefahrenabwehrfolge bei einem Fehlverhalten vor. Um darüber hinaus sogar ein Waffenverbot verhängen zu können, sei gerade ein anders nicht eingrenzbares „Mehr“ an potentieller Gefährlichkeit gefordert, und das sei eben die vorzitierte gesetzessprachliche Forderung der „Gebotenheit“. Wäre das nicht so, dann wäre das Waffenverbot automatisch als ein weiterer Folgeabsatz in § 5 WaffG aufgenommen worden und nicht als atypische Sondernorm in § 41 WaffG mit der amtlichen Normüberschrift „Waffenverbote für den Einzelfall“. Ein solches „Mehr“ liege hier nicht vor, was ausgeführt wurde. Ein besonders individuelles Risiko bestehe dann nicht, wenn schon gar keine freie Verfügbarkeit vorliege, wenn also jemand nur „unter Aufsicht“ in gesichertem und überwachtem Rahmen mit Waffen einen begrenzten Umgang habe, eben beim Training mit Vereinswaffen oder bei einer Meisterschaft. Abgesehen vom ganz seltenen und einzelfallbezogenen Sonderfall sei daher das für das Waffenverbot typischerweise erforderliche besondere Risiko bei dieser erlaubnisfreien Option der angeleiteten und überwachten Sportausübung auf zugelassenen Schießstätten gerade typischerweise und generell nicht gegeben. Deshalb sei insoweit ein Waffenverbot im Interesse der öffentlichen Sicherheit beim Antragstellers für die überwachte Sportausübung auf Schießstätten nicht geboten / erforderlich und wäre abstrakt wie konkret nicht verhältnismäßig. Erst recht wäre im konkreten Einzelfall ein generelles – und auf den einzelnen als Strafsanktion praeter legem wirkendes – Sportverbot eines hier langjährig und leistungsbezogen ausgeübten Sports nicht verhältnismäßig im Hinblick auf dessen seinerseits sehr hohen auch grundrechtlichen Stellwert, der über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und die spezifische Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG hinausgehe, weil es sich um eine verfassungsrechtlich besonders hervorgehobene Staatszielbestimmung handele. Der Freistaat Bayern gehöre zu den 15 der 16 Bundesländer, in denen der Sport als Staatsziel in der Landesverfassung (in Art. 140 Abs. 3 BV) normiert sei. Über den direkten Wortlaut hinaus sei eine derartige Staatszielaufnahme nach einhelliger Auffassung der Verfassungslehre und Kommentarliteratur auch als Auslegungsprinzip und als Norminterpretationsvorgabe zu lesen. Maßnahmen oder Normanwendungen, die Staatszielen zuwiderlaufen könnten, seien besonders sorgfältig zu prüfen und wären im Zweifel nur restriktiv zulässig. Im Falle eines potentiellen oder realen Konflikts eines Staatsziels mit anderen Staatszielen oder mit Grundrechtsgewährleistungen sei eine praktische Konkordanz, also ein angemessener Ausgleich anzustreben. Diese Verpflichtung gelte auch für den Erlass von Verwaltungsakten und die dabei zu treffenden Abwägungen, dies umso mehr, wenn es sich um ermessensabhängige Kann-Verwaltungsakte wie ein Waffenverbot handele, was weiter ausgeführt wurde. Zu dem hier erweitert verhängten Verbot, mit fremden Waffen in zulässig erlaubnisfreier Art auf zugelassenen Schießstätten unter der Kontrolle einer Schießaufsicht den regelrechten Schießsport auszuüben, gebe es zwischenzeitlich auch ein unmittelbar anwendbares Präzedenzverfahren (VG Bayreuth, U.v. 27.9.2022 – B 1 K 21.1057). Wegen Aufbewahrungsverstößen sei in jenem Fall ein Widerruf aller waffenrechtlichen Erlaubnisse verfügt worden, zusätzlich sei ein generelles Waffenbesitzverbot angeordnet worden. Die Waffenbehörde habe den Umstand gewürdigt, dass der Kläger als langjähriger und engagierter Sportschütze tätig sei und aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von der Untersagung den beaufsichtigten, schießsportlichen Umgang an Schießanlagen ausgenommen. Diese Einschätzung der Behörde habe sich das VG Bayreuth zu eigen gemacht. Es werde in den Urteilsgründen ausgeführt, das Waffenbesitzverbot sei auch verhältnismäßig, unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung für den schießsportlichen Umgang mit Waffen an Schießanlagen stelle das Waffenbesitzverbot eine erforderliche Maßnahme dar, um eine mögliche Gefährdung der Schutzgüter zu verhindern. Die besondere Eilbedürftigkeit einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung ergebe sich im Hinblick auf die Meisterschaften und das vorher erforderliche Training.
8
Der Antragsteller beantragt,
Die sofortige Vollziehung der gegen den Antragsteller in dem kombinierten Widerrufs- und Verbotsbescheid des KVR München vom 15. Februar 2023 verhängten doppelten Waffenverbots gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WaffG wird insoweit ausgesetzt und die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Anfechtungsklage insoweit wiederhergestellt, als dies den ansonsten gemäß § 12 WaffG erlaubnisfreien vorübergehenden Erwerb von Waffen und Munition, das Führen und das Schießen mit Waffen, jeweils auf zugelassenen Schießstätten unter Anwesenheit einer verantwortlichen Aufsichtsperson nach § 10 AWaffV, betrifft.
9
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
10
Sie bezieht sich hierzu im Schriftsatz vom … … 2023 im Wesentlichen auf den Inhalt der vorgelegten Waffenakte, insbesondere auf die Begründung des angefochtenen Bescheids. Das Erfordernis der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit überwiege auch klar den Wunsch, an sportlichen Wettkämpfen teilzunehmen zu können. Die Verbotstatbestände des § 41 Abs. 1 WaffG gälten, wie sich unmittelbar aus dem Wortlaut ergebe, zunächst für Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedürfe. Dazu gehörten grundsätzlich auch erlaubnispflichtige Waffen oder Munition, die hinsichtlich des Erwerbs generell erlaubnisfrei gestellt seien. Zusätzlich erfasst seien die speziellen Formen des Erwerbs von erlaubnispflichtigen Waffen oder Munition, die gemäß § 12 WaffG von den Erlaubnispflichten ausgenommen seien. Dies ergebe sich aus einem Erst-Recht-Schluss: Wenn schon der Besitz erlaubnisfreier Waffen verboten sei, müsse dies umso mehr für erlaubnispflichtige Waffen gelten, weil diese nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers als noch gefährlicher einzustufen seien.
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Die Bevollmächtigten des Antragstellers erwiderten hierauf mit Schriftsatz vom … … 2023. Die Behörde äußere sich im Wesentlichen zur Hauptsache und bringe keine anderen oder neuen Tatsachen hierzu vor, was weiter ausgeführt wurde. Sie äußere sich nicht zu der hier relevanten Frage einer etwaigen besonderen, näher konkretisierten Gefährlichkeit, insbesondere auch nicht zu dem unmittelbar entscheidungsrelevanten Aspekt, ob und welche konkretisierten und nachvollziehbaren schlüssigen unmittelbaren Gefahren aus ihrer Kenntnis gerade daraus resultieren würden oder könnten, dass der Antragsteller, genauso wie viele andere, nicht zuverlässigkeitsüberprüfte Personen, auf einer zugelassenen und überwachten Schießstätte unter der Aufsicht der verantwortlichen Aufsichtsperson mit den ihm ausschließlich dort vor Ort temporär erlaubnisfrei nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 WaffG auf dem Schießstand zur Sportausübung überlassenen fremden Waffen seinem Sport nachginge, in dem er erkennbar sehr erfolgreich sei und seine Leistung in den letzten Jahren auch kontinuierlich gesteigert habe und er dann zumindest während der Dauer der Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens seinem Sport auch weiter erfolgreich nachgehen könnte. Die Systematik des Waffengesetzes setze die Zuverlässigkeit gerade nicht generell für jede Art des Umgangs mit jeder Art von auch erlaubnisfreien Waffen voraus, sondern umfassend nur für die Erteilung einer Erlaubnis. Die Zuverlässigkeit sei mithin nicht „Umgangsvoraussetzung“, sondern sie sei Voraussetzung für die Erlaubniserteilung. Die Rechtsfolge einer etwa festgestellten Unzuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG sei nicht schon automatisch auch ein zusätzliches Waffenverbot. Die allgemeine Regelfolge einer Unzuverlässigkeit sei eben der Erlaubniswiderruf und nicht noch Weiteres. Es brauche im Eilverfahren nicht hypothetisch und abstrakt erörtert werden, in welchen Fällen ein Waffenverbot auch ausdrücklich den erlaubnisfreien Umgang mit umfassen könnte oder sollte. Denn zum Vorliegen solcher konkreten Gründe hierfür habe die Antragsgegnerin nichts dargetan, was ihr aber oblegen hätte. Weder habe der Antragsteller zuvor einen Schießunfall auf einer Schießstätte verursacht noch sei er sonst jemals so leichtfertig oder gefahrenträchtig mit einer (erlaubnisfreien oder erlaubnispflichtigen) Waffe umgegangen, dass man ihm eine solche schlicht nicht mehr wieder auch nur „in die Hand geben dürfte“. Dazu trage die Behörde auch weiter nichts vor. Auch habe der Antragsteller sich niemals irgendwie gewaltaffin oder aggressiv verhalten, noch habe er Waffen zu entwenden versucht. Soweit es die Frage betreffe, ob und wann in einem etwa berechtigt verhängten Waffenverbot, was im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein werde, dann auch noch weitere Umgangsarten wie etwa die beaufsichtigte unselbständige Handhabung von Vereinswaffen auf Schießstätten weiter als „zusätzlich erfasst“ darin aufgenommen werden könnten und dürften, so ergebe sich eine vorläufige und in summarischer Bewertung auch für das Hauptsacheverfahren relevante Antwort auf diese Frage letztlich aus der gesetzlichen und gleich zweimal enthaltenen Partikel „soweit“. Es sei nicht erkennbar, dass eine derart weite und erheblich grundrechtsrelevante Einschränkung, die nur einen minimalen Gewinn für die öffentliche Sicherheit zu bieten vermöge, hier „geboten“ (erforderlich, notwendig, unabweisbar) sein könnte. Die unterschiedlichen Eingriffstatbestände des § 41 Abs. 1 Nr. 1 und des § 41 Abs. 2 WaffG stünden nicht in einem gestuften oder aufeinander aufbauenden Verhältnis zueinander, wie die Antragsgegnerin argumentiere, sondern beide seien voneinander unabhängig und müssten jeweils separat geprüft werden. Auch die Erwägung eines Erst-Recht-Schlusses gehe hier fehl. Was bezüglich erlaubnispflichtiger Waffen schon kraft Gesetzes bereits ohne ausdrückliche Erlaubnis verboten (§ 2 Abs. 2 WaffG, sog. „präventives Verbot“) und zusätzlich auch noch als Vergehen strafbewehrt sei (§ 52 WaffG), das müsste nicht noch einmal durch eine separate Einzelverfügung „draufgesattelt“ doppelt verboten werden, wenn es dafür keine konkreten und individualbezogenen Gründe gebe. Der Verstoß gegen ein verhängtes Waffenverbot sei übrigens deutlich geringer strafrechtlich sanktioniert (§ 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG) als der „einfache“ unerlaubte Waffenerwerb oder Besitz (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WaffG), was Waffenbehörden nicht immer bewusst sei.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren (* * * …*) sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
13
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
14
Der Antrag auf teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Anordnung in Nr. I.1 des Bescheids vom 15. Februar 2023 ist unbegründet, da die diesbezügliche Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig ist und das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der diesbezüglichen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt. Es kann daher offenbleiben, ob insoweit überhaupt eine sachliche Teilbarkeit der Anordnung des Waffenverbots gegeben ist (vgl. zu diesem Erfordernis Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 109).
15
Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nr. I.1 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Die von der Behörde vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.) – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Bereich des Sicherheitsrechts sind die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzugs gering, weil es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht und deshalb der Sofortvollzug in der Regel bereits aus der Natur der Sache begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 3; B.v. 23.3.2006 – 19 CS 06.456 – juris Rn. 12). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft oder eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr darlegt. Gerade dann, wenn – wie insbesondere im Sicherheitsrecht – immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. OVG NW, B.v. 25.8.2010 – 20 B 613/10 – juris Rn. 5).
16
Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt hinsichtlich der Anordnung in Nr. I.1 des Bescheids das Interesse des Antragstellers an der (teilweisen) Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
17
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
18
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 15. Februar 2023 in Nr. I.1 rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bzgl. der Nr. I.1 des Bescheids ist, da es sich um ein dauerhaftes Verbot (Dauerverwaltungsakt) handelt, der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung.
19
Das in Nr. I.1 des Bescheids angeordnete Verbot bzgl. Erwerb und Besitz erlaubnisfreier Waffen und Munition im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG dürfte rechtmäßig sein. Auch wenn die konkrete Vorschrift im Bescheid nicht genannt ist – es wird lediglich allgemein auf § 41 WaffG Bezug genommen –, ergibt sich nach entsprechender Auslegung angesichts des eindeutigen Wortlauts der Verfügung und der hierauf bezogenen Begründung, dass ein Verbot auf dieser Rechtsgrundlage beabsichtigt war. Eine dem § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 WaffG entsprechende Regelung wurde im Rahmen des § 41 Abs. 2 WaffG, der eine Regelunglücke schließen sollte, nicht als erforderlich angesehen, da im Fall der Annahme mangelnder Zuverlässigkeit für den Inhaber einer Berechtigung das Rücknahme- oder Widerrufsverfahren das passende Instrument sei, das – nach allgemeinen Regeln – auch Sofortanordnungen zulasse (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 77).
20
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition u.a. dann untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
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Mit dieser allgemeinen Bezugnahme auf die Zuverlässigkeit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass alle in § 5 WaffG genannten Fälle herangezogen werden können, ohne weitere Differenzierungen oder Einschränkungen machen zu müssen, um ein Waffenverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG aussprechen zu können. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7758, S. 76) lässt wohl keine andere Interpretation zu. Diese Begründung zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG lautet: „Nummer 2 stellt nicht primär auf die Gefahrenlage ab. Hier geht es vielmehr darum, dass es einzelne Personen gibt, die durch ihr konkretes Verhalten ex negativo bewiesen haben, dass sie das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setzt, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf die Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen (hier: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit) verzichtet, nicht verdienen. In diesen Fällen ist ein Waffenverbot für den Einzelfall zulässig, wenn eine auf Tatsachen gestützte Annahme fehlender Eignung oder Zuverlässigkeit besteht (…).“ Mit der Neufassung dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber keine zusätzliche Prüfung verlangen, die zur Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung berechtigt, wie dies in § 40 WaffG a.F. noch gefordert worden war (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2006 – 21 ZB 06.428 – juris Rn. 5 ff.). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2007 – 21 CS 07.1446 – juris Rn. 10; vgl. auch B.v. 19.3.2010 – 21 CS 10.59 – juris Rn. 7 ff.). Zur Konkretisierung des Begriffs der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit darf mithin auch im Rahmen des § 41 WaffG auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, die für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes gilt (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 24 ZB 20.3095 – juris Rn. 14 m.w.N.). Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
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Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers dürfte sich vorliegend aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ergeben. Demnach besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
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Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
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Der Antragsteller dürfte unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG sein. Im konkreten Fall dürften die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, eine Annahme bzw. Prognose rechtfertigen, dass der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG beschriebenes Verhalten zeigen wird und somit nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Er hat vorliegend durch sein Verhalten Tatsachen geschaffen, die die Annahme rechtfertigen, dass er der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist bzw. sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, da sie die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negieren und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennen (vgl. st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578; B.v. 22.8.2019 – 21 CS 18.2518; B.v. 8.12.2021 – 24 ZB 20.1495; B.v. 20.12.2021 – 24 ZB 20.1386 – alle juris; vgl. auch NdsOVG, B.v. 2.9.2021 – 11 LA 69/21 – juris Rn. 26 m.w.N.; OVG NW, B.v. 26.6.2019 – 20 B 822/18 – juris Rn. 32 ff. m.w.N.; OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 22).
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Der Verfassungsschutzbericht … des Bundes (S. 102) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen – u.a. unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht – die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und deshalb die Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Charakteristisch für die Szene ist ihre personelle, organisatorische und ideologische Heterogenität. Ihre Angehörigen agieren – sofern es sich nicht um Einzelpersonen ohne strukturelle Einbindung handelt – in Kleinst- und Kleingruppierungen, überregional tätigen Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken. (…) In ihrer Gesamtheit ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als staats- und verfassungsfeindlich gegenüber (der staatlichen Rechtsordnung) der Bundesrepublik Deutschland einzustufen. Zur Erreichung ihrer Ziele gehen Szeneangehörige sehr unterschiedlich vor. Weit verbreitet ist die bewusste Provokation, um behördliche und rechtsstaatliche Abläufe zu stören. Hierbei suchen sie die unmittelbare Konfrontation mit Beschäftigten in Behörden – bis hin zu aktivem physischem Widerstand gegen die Durchsetzung staatlicher Maßnahmen. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern … (S. 231; vgl. auch S. 235 des Verfassungsschutzbericht Bayern …*) umfasst die Bezeichnung „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster, die sie auch mit tagesaktuellen Themen wie z.B. der Corona-Pandemie verknüpfen, oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Repräsentanten des Staates sprechen sie die Legitimation ab und bestreiten die Gültigkeit der Rechtsordnung. Angehörige der Reichsbürgerszene berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei wird z.B. auf den Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges oder auch 1871 Bezug genommen. Sie behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung 1990 seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Szeneangehörige auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern …, S. 237 sowie Verfassungsschutzbericht Bayern …, S. 242). Etliche „Reichsbürger“ sind der Ansicht, dass es sich bei der Bundesrepublik Deutschland nicht um einen legitimen und souveränen Staat handelt. Teile des Spektrums behaupten, dass das Deutsche Kaiserreich fortbestehe und dessen Verfassung weiterhin Gültigkeit besitze (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes …, S. 105). Angehörige der Reichsbürgerszene entfalten gegenüber staatlichen Institutionen eine Vielzahl von Aktivitäten, die zum Teil – wie das Erstellen von Fantasiedokumenten – Ausdruck ihrer Ideologie sind, aber auch auf die Lahmlegung der öffentlichen Verwaltung abzielen. In Einzelfällen kommt es auch zu Gewaltandrohung bzw. -anwendung gegenüber staatlichen Repräsentanten (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern …, S. 239 sowie Verfassungsschutzbericht Bayern …, S. 244). Die „Reichsbürgerideologie“ insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern …, S. 232 sowie Verfassungsschutzbericht Bayern …, S. 236).
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Wer der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 8.12.2021 – 24 ZB 20.1495 – juris Rn. 13). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23; VG München, U.v. 8.5.2019 – M 7 K 17.2106 – juris Rn. 25; VG Leipzig; B.v. 19.11.2021 – 3 L 574/21 – juris Rn. 43). Ob die Person sich selbst als „Reichsbürger“ empfindet und ansonsten „unauffällig“ ist, ist dabei unerheblich (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 24 ZB 21.2041 – juris Rn. 9).Ob eine Person der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seinen prozessualen und außerprozessualen Verhaltensweisen und Einlassungen (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2019 – 21 CS 18.701 – juris Rn. 22 f.; B.v. 4.10.2018 – 21 CS 18.264 – juris Rn. 12; U.v. 27.1. 2022 – 24 B 20.2539 – juris Rn. 21).
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Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, dürften im Fall des Antragstellers unter Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertigen. Die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Antragstellers dürften in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme begründen, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es dürften keine durchgreifenden Zweifel daran bestehen, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch seine innere Einstellung widerspiegeln.
Rest wegen des Umfangs in zwei Stunden.
Oder falls ein Agent dazwschenpostet ...