Autor Thema: LG Passau, Beschluss v. 14.03.2023 – 2 T 29/23 HD bei Reichspolizist  (Gelesen 358 mal)

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Er hat obsiegt, aber so richtig bringen wird ihm das vermutlich nichts:



Zitat
LG Passau, Beschluss v. 14.03.2023 – 2 T 29/23

Titel:
Beschwerde, Waffen, Wohnung, Rechtsmittel, Durchsuchung, Gefahr, Bedrohung, Vertrag, Einwilligung, Verdacht, FamFG, Durchsuchungsbeschluss, Annahme, Polizei, ohne Einwilligung, dringende Gefahr

Schlagworte:
Beschwerde, Waffen, Wohnung, Rechtsmittel, Durchsuchung, Gefahr, Bedrohung, Vertrag, Einwilligung, Verdacht, FamFG, Durchsuchungsbeschluss, Annahme, Polizei, ohne Einwilligung, dringende Gefahr
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6323

Tenor
1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Passau vom 24.01.2023, Az. 7 II 2/23, aufgehoben.
2. Die Staatskasse hat die im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen zu erstatten.

Gründe
I.
1
Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen Justizvollzugsbeamten, welcher in der JVA ... beschäftigt ist. Er ist dort als Waffenwart zuständig und im Besitz verschiedener waffenrechtlicher Erlaubnisse. Legal ist der Beschwerdeführer im Besitz von 13 Schusswaffen. Bei einer Überprüfung der Waffenverwahrung wurde allerdings auch am 16.03.2022 eine Schreckschusswaffe von PTB-Zeichen aufgefunden; der Beschwerdeführer wurde deswegen angezeigt. Durch das Landratsamt ... ist der Widerruf der Waffenbesitzkarte und der Entzug der Waffen angestrebt. Am 20.01.2023 erging hierzu ein Durchsuchungsbeschluss des VG Regensburg zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen und Waffenbesitzkarten.
2
Nach den polizeilichen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass der Beschwerdeführer Mitglied der Reichsbürgerbewegung ist. So machten bei einer Vernehmung vom 11.01.2023 verschiedene Teilnehmer eines auch von dem Beschwerdeführer besuchten Messerschmiedekurses Angaben dahingehend, dass der Beschwerdeführer sich seit 10 Jahren intensiv mit der Reichsbürger-Thematik beschäftigte und Aussagen machte wie „der Vertrag von Versailles sei ungültig“, „die Staatsform von Deutschland sei ungültig“ etc. Im Sommer 2020 habe der Beschwerdeführer die Angaben gemacht, dass der deutsche Staat und die Ärzte durch die Corona-Spritze eine Vergiftung beabsichtigten würden und einen Chip implantieren wollten um Abhören zu ermöglichen.
3
Nach weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung sei das Haus des Beschwerdeführers zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben und dieser habe hierzu angekündigt, „jeden zu erschießen, der das Haus ersteigert“ bzw. „alternativ alles in die Luft zu sprengen“. Der Zwangsversteigerungsvorgang wurde nach Ermittlungen der Polizei ... bestätigt. Die KPI ... stufte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.01.2023 als Reichsbürger ein. Dies war dem Dienstherrn des Beschwerdeführers mitzuteilen, sodass der Verlust des Arbeitsplatzes und/oder des Beamtenstatus droht.
4
Mit Beschluss des Amtsgerichts Passau vom 24.01.2023 wurde die Durchsuchung der Person, des Fahrzeugs und der Wohnung des Beschwerdeführers sowie des in der JVA befindlichen Spinds nach (illegalen) Waffen, Mobiltelefonen, Laptops/Notebooks, elektronischen Datenträgern, schriftlichen und Unterlagen und weiteren Beweismitteln hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung angeordnet. Ausweislich der Begründung diene die präventivpolizeiliche Maßnahme der Abwehr einer dringenden Gefahr für bedeutende Rechtsgüter. Dies aufgrund der Ankündigungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Tötung möglicher Erwerber seines Hauses oder der Sprengung desselben. Zudem stehe der Beschwerdeführer aufgrund der Einstufung als Reichsbürger möglicherweise vor einer existentiellen Bedrohung. Es sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer im Besitz weiterer illegaler Waffen sei und diese illegal zu verwenden gedenke.
5
Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mittels Beschwerde vom 11.02.2023, welche mit Schreiben vom 24.02.2023 begründet wurde. Der Beschluss sei rechtswidrig, da eine Durchsuchung nicht der Ausforschung einer Gefahr dienen dürfe. Das Auffinden von Beweismittels hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung sei durch Art. 23 PAG nicht gedeckt, da von diesen Beweismitteln an sich keine Gefahr ausgehe. Der Beschluss sei zudem unverhältnismäßig, da bereits vor Beschlusserlass schon ein Durchsuchungsbeschluss durch das VG Regensburg ergangen und vollzogen sei. Überdies sei der Beschluss nicht hinreichend bestimmt, da er auch „und weitere Beweismitteln“ umfasse. Die Zeugenangaben seien unzutreffend; der Beschwerdeführer sei politisch nicht interessiert. Die Zwangsversteigerung sei inzwischen abgewendet.
6
Das Amtsgericht Passau hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Spoiler
II.
7
1. Das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Amtsgerichts ist zulässig (Art. 99 Abs. 1 PAG i.V.m. § 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1, §§ 63, 64 FamFG).
8
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.
9
Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG kann die Polizei ohne Einwilligung des Inhabers eine Wohnung betreten und durchsuchen, wenn (1) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach Art. 15 Abs. 3 vorgeführt oder nach Art. 17 in Gewahrsam genommen werden darf, (2) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PAG sichergestellt werden darf, oder (3) das zur Abwehr einer dringenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut erforderlich ist.
10
Ausweislich des Beschlusses stützt sich dieser auf Art. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 PAG, mithin die Abwehr einer dringenden Gefahr.
11
a) Hinsichtlich der Durchsuchung nach Mobiltelefonen, Laptops/Notebooks, elektronischen Datenträgern und weiteren Beweismitteln hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung ist schon nicht ersichtlich, inwieweit hierdurch eine dringende Gefahr abgewehrt werden könnte bzw. inwieweit von den genannten Sachen eine Gefahr ausgehen könnte.
12
Auch eine Durchsuchung nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 PAG, also nach Sachen, die nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PAG sichergestellt werden dürfen greift hierbei nicht. Die Gefahr kann hierbei in der Sache selbst liegen oder durch ihre mögliche Verwendung entstehen (Schmidbauer/Steiner/Schmidbauer, 6. Aufl. 2023, PAG Art. 25 Rn. 11). Allein die Zugehörigkeit zu der Reichsbürgerbewegung stellt noch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dar. Es ist auch durch die Zeugenaussagen nicht deutlich, ob der Beschwerdeführer möglicherweise eine führende Rolle in dieser Bewegung übernommen hat und Straftaten geplant sind. Dass der Beschwerdeführer die Tötung von möglichen Erwerbern im Zwangsversteigerungsverfahren angekündigt haben soll bzw. die Sprengung seines Hauses, stellt zwar eine dringende Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut dar – diese Gefahr kann jedoch nicht durch die Sicherstellung der genannten Sachen abgewendet werden.
13
b) Hinsichtlich der Durchsuchung nach (illegalen) Waffen fehlt es an der Verhältnismäßigkeit.
14
Maßnahmen nach Art. 23 Abs. 1 PAG müssen im Zeitpunkt ihrer Anordnung und während ihrer Dauer verhältnismäßig (Art. 4 PAG) sein; Ermessensfehler dürfen ebenfalls nicht vorliegen (Art. 5; vgl. zur a.F.: BKK BayPAG Rn. 6 m.w.N.; s.a. BayVGH BeckRS 2015, 50370 Rn. 57 ff.).
15
Vorliegend ist bereits vor dem Erlass des streitgegenständlichen Beschlusses ein Durchsuchungsbeschluss des VG Regensburg am 20.01.2023 ergangen, welcher auch Akteninhalt ist. Dieser Beschluss hat zum Gegenstand die Durchsuchung zum Zwecke der Sicherstellung von Waffenbesitzkarten sowie Waffen inklusive Munition. Ein weiterer Durchsuchungsbeschluss wenige Tage nach Erlass des ersteren – ebenfalls nach Waffen in denselben Örtlichkeiten – ist unverhältnismäßig.
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https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2023-N-6323?hl=true
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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