Danke für die letzte verlinkte Sendung. Da bin ich wenigstens mal im Bild
.
So, da Ihr durch die Pressemitteilungen schon einen ersten Eindruck gewonnen habt hier mal der erste Teil meines Berichtes. der zweite folgt morgen, da ich heute noch ein paar private Verpflichtungen habe.
09.10.2017
Nach meinem vergnüglichen Ausflug nach Zwickau zum Prozess gegen die Pionierin der Maltamasche Birgit Fazekas, nun mein zweiter Ausflug als Prozessbeobachter. Diesmal zum Prozess gegen Adrian Ursache, der angeklagt ist, am 25.08.2016 im Rahmen einer bei ihm in Reuden bei Zeitz durchzuführenden Zwangsräumung, mit einer illegalen Waffe auf einen anwesenden SEK-Beamten in Verletzungsabsicht geschossen zu haben und nur durch das erwidern der Schüsse durch weitere anwesende SEK-Beamten an weiteren Tathandlungen zu Lasten der anwesenden Beamten abgehalten wurden zu sein. Soweit die, zugegeben sehr trockene, Zusammenfassung der Ereignisse für den noch nicht oder nicht mehr orientierten Leser.
Aber beginnen wir von Anfang an. Ich bin tatsächlich mal nicht in letzter Minute bei Gericht, sondern schon 45 min. vor Verhandlungsbeginn. Eine Leistung, da die Stadt H
öalle scheinbar zu Geld gekommen ist und gefühlt alle Straßen gleichzeitig saniert.
Die Sicherheitsvorkehrungen im Gericht sind auch nicht ohne. Überall stehen vermummte Polizisten und Justizangestellte herum und halten die Augen offen. Wie üblich gibt es 2 Sicherheitsschleusen. Eine am Eingang und eine vor dem Saal. Der Andrang von Journalisten, vor allem von den TV-Sendern ist beeindruckend. Alle mit den großen Kalibern im Gepäck. Von den Unterstützern des Angeklagten ist noch nicht viel zu sehen. Ein paar Personen, die sich von den zivilisiert gekleideten Vertretern der „Lügenpresse“ stark unterscheiden, trudeln ein. Sie sind aber äußerst ruhig und nicht im geringsten auf Krawall oder Show gebürstet. Alle 5 oder 6 haben Ausweise und keiner wird abgewiesen Keiner ist irgendwie skurril. Das ist zu ein himmelweiter Unterschied zu den Unterstützern von Birgit Fazekas vor einem Monat. Auch erkenne ich außer der Frau des Angeklagten, die zum heutigen Verhandlungstag als Zeugin geladen ist, niemanden.
Die Kameras werden im Gerichtssaal aufgebaut und 8:45 wird der Angeklagte in den Saal geführt. Er ist das völlige Gegenteil zu den anderen aufmerksamkeitssüchtigen Reichsdeppen. Er ist sich seines Aussehens und seines Auftretens bewusst. Man merkt, das der Angeklagte ein Profi vor der Kamera ist. Er bleibt einen Moment in der Tür stehen lächelt großspurig und blickt zufrieden auf die Kameras. Dann betritt er langsam den Raum. Gekleidet ist in einem modisch geschnittenen dunkelblauen Anzug, einem schwarzen Hemd und einer im Ton der Anzugs gehaltener Krawatte und als einzige Insignie, die Ihn als Untersuchungsgefangenen ausweist, ein paar Fussfesseln. Erst auf dem zweiten Blick erkennt man, dass der rechte Arm frei liegt und immer noch fest geschient ist. Er ist dadurch aber in keiner Weise beeinträchtigt. Der Angeklagte stellt sich neben die Anklagebank. Er wird diesen Platz während des gesamten Prozesstages nur verlassen, wenn er zu den Verhandlungspausen herausgeführt wird.
Kurzer Einwurf, das Cafe in Halle, in dem ich gerade sitze und diesen Bericht verfasse, hat gerade der Pianist Joja Wendt betreten und gibt am Klavier ein Interview. Und spielt auch gleich noch etwas. Nice!
Der Angeklagte hält ein Grundgesetz und eine Verfassung (vermutlich die des Landes Sachsen-Anhalt) in die Höhe. Die Reporterin des ZDF springt sofort darauf an. Was er den damit sagen wolle, fragt sie. Er wolle damit nichts sagen. Er sei deutscher Staatsbürger nach Art. 116 GG und dies sei er durch Einbürgerung und er bestehe hier nur auf seine verfassungsmäßigen Rechte. Auf die Frage ob er ein Reichsbürger sei, antwortet er wenig überraschend, sie (die Reporterin) solle ihm doch bitte erklären was das ist. Schon in diesen ersten Worten wird klar, worauf der Prozess hinauslaufen wird. Adrian Ursache wird im Prozess nicht schweigen, aber er wird versuchen, den Prozess zu seinen Gunsten zu manipulieren. Er spricht flüssig, eloquent und unerträglich pathetisch. Auf die Frage ob er schuldig sei, antwortet der Angeklagte das wisse er nicht. Die Anklage sei rechtswidrig und er habe nur von seinem Widerstandsrecht nach Art. 20 GG während eines illegalen Angriffs auf sein Eigentum, auf das unantastbare Zuhause seiner Familie, Gebrauch gemacht hat.
In mir keimt der unangenehme Gedanke, dass dieser Mann unter anderen Umständen heute für die AFD im Bundestag sitzen könnte. Er hat alles was man zum demagogischen Verführer leicht beeindruckbarer Personengruppen braucht.
Von seinem Phantasiereich Ur ist keine Rede, trotzdem kann er sich das Reichsdeppengeschwurbel doch nicht ganz verkneifen. Er fragt in die Runde ob er eine juristische Person sei. Auf direkte Fragen antwortet er erst einmal mit Gegenfragen. Ob er geschossen hätte lautet die nächste Frage. Letztendlich sagt er darauf, er habe nicht geschossen, er habe vielmehr mit einer Waffe in der Hand Widerstand geleistet. Als dann die Kameramänner und -frauen aufgefordert werden den Saal zu verlassen, zitiert der Angeklagte einen Paragrafen des GVG und fragt in die Runde, wie den Gerichtsvollzieher, die nicht teil des Gerichts seien und damit keine Beamte (seine interpretation) Rechtshilfe verlangen können. Antworten bekommt er natürlich keine, obwohl man sieht, dass es seine Absicht ist solche zu provozieren. Wie gesagt seine Show ist gut vorbereitet, aber ihm fehlt das dankbare Publikum. Ein Unterstützer namens Heiko steht kurz auf ruft "Adrian" und streckt kurz eine geballte Faust nach oben.
Es ist 9.00 Uhr und das Gericht bestehend aus den VriLG Stengel, RinLG Franz, RinLG Rosenfeld und 2 Schöffen betreten den Saal. Die Strafsache 1 Ks 560 Js 207746 / 16 (3 / 17) wird aufgegerufen. Auf die Frage ob der Angeklagte Angaben zu seiner Person machen will, anwortet Anwalt Lüdtke mit nein.
Als der Vorsitzende die Staatsanwaltschaft auffordern will die Anklage zu verlesen wird wie nicht anders zu erwarten, von Verteidiger Lüdtke unterbrochen, der den obligatorischen Antrag auf Nichtverlesung der Anklage und Einstellung des Verfahrens nach § 260 StPO. Nach ellenlangen Legaldefinitionen was eine Anklage zu leisten hat und das sie klar umrissen eine Tathandlung darstellen muss, zeigt Herr Lütke, dass er bis 60 zählen kann. Sogar zweimal. Er erläutert dazu, das dies die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Schusssequenz sein und es nicht aus der Anklage hervorgehe ob den zum Zeitpunkt der 2. Schüsse noch eine Gefahr von dem Angeklagten ausgegangen sei. Auch sei aus der Anklage nicht klar herauszulesen, an welchen Positionen der verletzten Polizist und auf welchen Positionen genau die schießenden Polizisten gestanden hätten. All diese mangelnden Angaben würden dem Angeklagten eine effektive Verteidigung unmöglich machen. Der Vorsitzende fragt, ob die Zählerei im Antrag steht. Der Verteidiger verneint und es gibt die erste Unterbrechung damit Lüdtke seine Aufzählung im Antrag ergänzen kann.
Während der Pause fasst der Gerichtssprecher die Anklage und den Prozessbeginn für die wartenden TV-Kameras zusammen. Der Andrang ist immer noch riesig.
Nach der Pause nimmt die Staatsanwaltschaft Stellung und verweist einzig darauf, das die von der Verteidigung aufgeworfene Fragestellung in der Hauptverhandlung zu klären sei. Auf die Frage ob Verteidiger Meyer noch etwas sagen will. Brummt der erst nein, danach das er sich anschließt. Auch der Angeklagte wird gefragt. Worauf Ursache sagt, dass er eine öffentliche Aufzeichnung eines öffentlichen Verfahrens beantragt. Der Vorsitzende schreitet ein, der Angeklagte schwurbelt weiter, der Richter ließt aus dem typischen Reichsbürgerduktus letztendlich auch eine Zustimmung zum Antrag heraus.
Die Sitzung wird diesmal deutlich länger unterbrochen. Interessanterweise sind nach der ersten Unterbrechung die Unterstützer draußen bei Sandra Ursache geblieben. In der Pause sitzt Anwalt Lüdtke charmant plaudernd bei den Staatsanwälten und RA Meyer verbringt seine Zeit inmitten der Unterstützer.