Der Nachfolger des SED Organs Freundschaft, die Mitteldeutsche Zeitung, hat im letzten Jahr einen interessanten Artikel zu Wolfgang Ebel veröffentlicht. Bei den erwähnten Grabungen im alten Gipsstollen wurde nach dem Bernsteinzimmer gesucht, aber das ist eine andere Geschichte...
Reichsbürger“ sorgen vor Jahren für Unruhe Drohung mit Todesstrafe im Mansfelder Land
von Wolfram Bahn, 27.10.16, 11:30 Uhr
http://www.mz-web.de/image/24987098/2x1/940/470/bab4d6019e95736b79781e03176c9a22/ey/b-schreiben-reichsbuerger-271016.jpgDieses Schreiben schreckt 1999 den Landkreis auf.
Eisleben/Hettstedt -
Die „Reichsbürger“ sorgen in diesen Tagen für Schlagzeilen. Wenn Detlef Stamfus darüber liest und hört, muss er unwillkürlich an jene skurrilen Vorgänge zurückdenken, die kurz vor der Jahrtausendwende im Mansfelder Land erhebliche Unruhe ausgelöst haben. „Das war alles irgendwie so abstrus“, erinnert sich der damalige Chef des Rechtsamtes im Landkreis an die Schreiben, die eine „Kommissarische Reichsregierung“ im Jahre 1999 an das Landratsamt in der Eisleber Lindenallee geschickt hatte. Über die kruden Ansichten der Verfasser habe man nur den Kopf geschüttelt und manches belächelt, so Stamfus heute. Doch spätestens nach den jüngsten Zwischenfällen mit einem erschossenen Polizisten in Bayern „dürfte uns das Lachen über diese Reichsbürgerbewegung vergangen sein“, glaubt Stamfus, der nach wie vor als Jurist in der Kreisverwaltung beschäftigt ist.
„Reichskanzler“ Wolfgang Ebel und seine kruden Vorstellungen.
Am Anfang der dramatischen Ereignisse vor 17 Jahren stand ein Schreiben, das ein gewisser Wolfgang Ebel als „Reichskanzler“ an Stamfus und den damaligen Landrat Hans-Peter Sommer gerichtet hatte. Darin wird dem Landkreis mitgeteilt, dass ein „Fürstentum Seeland“ im Auftrag der „Kommissarischen Regierung des Deutschen Reiches“ handle. In dessen Auftrag sollte das imaginäre Fürstentum mit Sitz in Trebbin im Land Brandenburg bei Wiederstedt nach dem vermissten Bernsteinzimmer und dem ebenso verschwundenen Reichspostschatz suchen.
In dem Schreiben von Ebel folgen mehrere Passagen, in denen Stamfus und Sommer mitgeteilt wird, dass das Deutsche Reich nicht 1945 untergegangen sei, sondern völkerrechtlich in den Grenzen von 1937 weiterbestehe, bis ein Friedensvertrag geschlossen sei. Solange müssten auch die Behörden der preußischen Provinz Sachsen, zu der einst das Mansfelder Land gehörte, den Weisungen der „Kommissarischen Reichsregierung“ Folge leisten, hieß es weiter. Was der Landkreis nach einer rechtlichen Prüfung allerdings nicht tat.
Wolfgang Gerhard Günter Ebel - Erfinder der „Kommissarischen Reichsregierung“
„Das erschien mir alles so abwegig“, sagt Landrat Sommer in der Rückschau. Was er und Stamfus nicht ahnen konnten: Jener Wolfgang Gerhard Günter Ebel, so der volle Name des Absenders, galt seit 1985 als Erfinder der „Kommissarischen Reichsregierung“. Seine Legitimation leitete der frühere Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn in Westberlin von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges ab. Anfangs war der gebürtige Berliner kaum bekannt, doch mit dem Internet wuchs seine Anhängerschar. Ebel, der 2014 starb, hatte mit seinen Vorstellungen großen Einfluss auf die „Reichsbürgerbewegung“, die heute verschiedene Strömungen kennt. Inzwischen gibt es über ein Dutzend von „Reichskanzlern“. Sie stellen eigene Ausweise und sogar Diplomatenpässe aus. Ihre Anhänger halten sich nicht an die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, die für sie einfach nicht existiert.
Davon hatten Stamfus und Sommer im Jahre 1999 keine Ahnung. Und so geraten sie in einen Strudel von Ereignissen, die bis hin zur Androhung der Todesstrafe führten. Als die Behörden und die Polizei damals die Grabungen in den alten Gipsstollen bei Wiederstedt stoppten, ereilte sie der „Fluch der bösen Tat“. Denn sie reagierten nicht auf angebliche Ermittlungen wegen Landes- und Hochverrats. Man warf ihnen vor, das Fortbestehen des Deutschen Reiches geleugnet und deren „Repräsentanten“ missachtet zu haben. Darauf stehe die Todesstrafe, heißt es im Schreiben des „Generalbevollmächtigten für den verfassungsrechtlich Besonderen Status von Berlin“.
Haftbefehl gegen Landrat, Kreisverwaltungsdirektor und Dezernenten erlassen
Als die Frist zur Stellungnahme verstrichen war, bekamen Landrat Sommer, Kreisverwaltungsdirektor Wolfgang Haase und Dezernent Hartmut Freier im September 1999 die Quittung: Ihnen wurde mitgeteilt, dass Haftbefehl gegen sie erlassen worden sei und sie sich demnächst vor dem „Reichsgericht“ zu verantworten hätten. Dazu gab es genaue Instruktionen.
„Sie wollen sich nach der erfolgten Proklamation von Groß-Berlin umgehend beim nächsten (Militär)Polizeiposten der durch die Vereinten Nationen eingesetzten Polizeibehörde unter Vorlage dieses Schreibens einfinden, damit ihr Abtransport in ein geeignetes Kriegsverbrecher- und Hochverrätergefängnis vorgenommen werden kann. Bringen Sie ... auch noch für Ihren persönlichen Gebrauch frische Unterwäsche und Körperhygieneartikel in der Menge, die bis zu Ihrer Aburteilung von Nöten ist, mit“, heißt es in dem Schreiben.
„Das haben wir nicht für voll genommen“, räumt Sommer, der das jetzt eher mit gemischten Gefühlen sieht, ein. Immerhin wurden damals auch der Staatsschutz und die Landeskriminalämter mehrerer Bundesländer eingeschaltet. Doch so unverhofft wie die „Reichbürger“ in jenem Jahr aufgetaucht sind, verschwanden sie wieder. (mz)
Quelle:
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