Aber jetzt, ausnahmsweise, was zum Thema: Ich kenne mich nicht besonders gut in der "Anwalts-Szene" aus und bin vielleicht zu sehr von Grisham und anderen Mainstreamika beeinflusst, aber würde es sich nicht für einen jungen, aufstrebenden Anwalt lohnen, Peterle zu verteidigen, damit in Funk&Fernsehen zu gelangen und seine Karriere zu "boosten"? Bitte sagt mir, dass dies eine lächerliche Vorstellung, geboren aus Unwissenheit, ist...... Bitte!
Hmja, natürlich könnte ein junger, ehrgeiziger Anwalt dies versuchen, wird aber wohl a) nicht nach dem Geschmack junger, ehrgeiziger Anwälte in Deutschland sein und b) eher nicht zum Ziel führen.
Grisham hat die Lage in den USA vor Augen, seine Bücher setzen Besonderheiten des US-Rechtswesens voraus. Ein Verfahren in Deutschland unterscheidet sich erheblich von einem Prozess in den USA.
Kurz und plakativ gesagt, ist in den USA das Gericht weitgehend passiv, Anklage (Staatsanwalt) und Verteidigung (Rechtsanwalt) liefern sich ein Duell, greifen u. U. auch zu Mitteln, die nicht streng rechtlicher Art sind (Rhetorik, Überraschung bei der Präsentation von Beweismittel u. dgl.), um das Gericht zu einer Entscheidung in ihrem Sinne zu bewegen. Zudem besteht die Möglichkeit von Absprachen zwischen den Parteien. Dem vorsitzenden Richter fällt vor allem die Aufgabe zu, das Verfahren fair zu leiten. Man spricht daher auch vom
Parteienprozess.
In Deutschland sind Hauptakteure eines Strafverfahrens die Staatsanwaltschaft und das Gericht. Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Vorverfahrens, sie entscheidet über die Anklageerhebung und ist gehalten, die rechtserheblichen Sachverhalte umfassend zu ermitteln und dem Gericht vorzulegen. Das Gericht entscheidet dann über die Zulassung der Anklage, muss den Sachverhalt in der Hauptverhandlung selbst erforschen und daher z. B. wo nötig auch Beweismittel anordnen, Gutachten in Auftrag geben usw. Das Verfahren wird also vom Staat betrieben, man spricht in der rechtshistorischen und rechtstheoretischen Literatur daher auch von einem Abkömmling des
Inquisitionsprozesses.
Die Möglichkeiten der Parteien, auch eines Rechtsanwaltes, sind daher vergleichsweise beschränkt. Ein Anwalt ist zwar Organ der Rechtspflege, hat aber im Wesentlichen die Aufgaben, seinen Mandaten zu beraten, Anträge ans Gericht zu stellen, die Beweise im Sinne seines Mandaten zu würdigen, auf Lücken und Probleme in den Beweisen hinzuweisen und allgemein die Sicht seines Mandanten zur Geltung zu bringen. Einen gleichen Einfluss auf den Gang des Verfahrens wie ein US-Anwalt hat er jedoch nicht, da die Verfahrenshoheit beim Gericht liegt, nicht bei den Parteien. Auch Absprachen zwischen den Parteien sind nur in Grenzen möglich.
Das bedeutet, dass ein deutscher RA im Vergleich zu einem US-Kollegen weniger prominent in Erscheinung treten kann. Die Prozessordnung bietet dafür schlicht nicht die geeignete Plattform. Auftritte in den Medien, wie sie in einem südwestlich angrenzenden Nachbarland beliebt sind, dienen der Sache meist eher nicht.
Um von einem Prominenten zu profitieren, muss dieser schon ziemlich prominent sein. Fatzke ist aber letztlich ein zu kleines Licht, als dass man in seinem Windschatten Prominenz gewinnen könnte.
Auch eine spektakuläre Wendung des Verfahrens ist, so wie es sich mir darstellt, eher nicht zu erwarten. Im Grunde gehe ich davon aus, dass Fatzke verurteilt werden wird, die Frage ist eigentlich nur die, wie schwer die Strafe ausfallen wird.
Sich für eine verlorene Sache einzusetzen, mag zwar gerade für einen jungen Anwalt lobenswert sein, bringt aber kaum Schub für die Karriere.
Nach meiner Kenntnis der deutschen Verhältnisse ist dies also durchaus eine eher unrealistische Vorstellung.