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Zwönitzer soll nun für 18 Monate hinter Gitter
Er kutschierte die Tochter oder die Mutter, nahm dazu den Wagen seines Vaters und war viel mit geliehenen Autos unterwegs. Nur: Fahren durfte er gar nicht - der Mann hatte die Fahrerlaubnis entzogen bekommen. Gestern fand der Prozess statt. Aber warum unter Polizeischutz?
Von Jan Oechsner
erschienen am 07.12.2016
Zwönitz/Chemnitz. Die kurze Version dieser Geschichte, die doch sehr bizarr daherkommt: Das Landgericht Chemnitz schickt einen Zwönitzer zu anderthalb Jahren ins Gefängnis. Weil der Angeklagte dort unterwegs war, wo er nicht sein durfte: Als Fahrer eines Autos irgendwo auf einer öffentlichen Straße. Zwölf Mal hat er dies getan. Obwohl er keine Fahrerlaubnis hatte.
Dafür 18 Monate Knast? Das klingt hart - aber es gibt ja noch die lange Version: Die fand gestern kurz vor 18 Uhr im besagten Landgericht, Raum 231, ein Ende. Womöglich ein Ende. Denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig - es ist mehr als denkbar, dass der Verurteilte nach dem Richterspruch nun erneut in Berufung geht und vors Oberlandesgericht zieht. Warum, weiß allerdings nur er. Denn eigentlich hat er seine Verfehlungen zugegeben.
Doch von vorn: Der Zwönitzer ist mittlerweile an vielen Gerichten der Region bekannt. Er hat bereits die Zwönitzer Stadtratswahl beim Verwaltungsgericht angefochten - ohne Erfolg. Neben Insolvenzverschleppung wurde er auch schon mehrfach wegen Urkundenfälschung sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt - zuletzt 2015. Das Urteil damals: Neun Monate Freiheitsentzug, ausgesetzt zu drei Monaten auf Bewährung. Plus zeitweiligem Verbot, selbst Auto zu fahren.
Doch das nahm er offenkundig nicht besonders ernst und war weiter im Auto unterwegs - sammelte über die Jahre zehn Punkte in Flensburg und wurde in der Bewährungszeit wieder und wieder erwischt. Etwa ein Dutzend Polizeibeamte mussten gestern vor Gericht nacheinander aussagen. Alle bestätigten im Kern die gleiche Prozedur: Der Zwönitzer - oft mit geliehenen Autos und einer Kopie eines DDR-Führerscheins unterwegs - wurde gestoppt, seine Personalien geprüft. Immer stellte sich heraus: Der Mann darf gar nicht fahren. "Jeder im Revier kannte ihn bald", so ein als Zeuge geladener Polizeibeamter.
Der Angeklagte, der sich gestern zumeist selbst über die fünf Verhandlungsstunden verteidigte, die Zeugen vieles fragte, eigene Anträge stellte und gar seinen Pflichtverteidiger infrage stellte, wollte vor allem den Sinn des Entzugs der Fahrerlaubnis infrage stellen. "Ich habe die Behörden immer wieder nach dem Grund gefragt, aber offenbar bin ich manchem zu unbequem", so der Mann. Das Fahrverbot hatte einst das Landratsamt angeordnet, zudem eine medizinisch-psychologische Untersuchung, die die Fahreignung einer Person feststellt - im Volksmund "♥♥♥entest" genannt. Die hat der Zwönitzer abgelehnt. Er argumentierte mehrfach, dass der Staat in seine grundgesetzlich verankerten Freiheiten eingreifen wolle.
Manche zählen den Zwönitzer zum Dunstkreis der sogenannten Reichsbürger - er selbst lehnt dies ab. Auf seiner eigenen Internetseite hat er sich unter behördliche Selbstverwaltung gestellt. Dazu gehören Proklamationen an die Vereinten Nationen, an Russland, Frankreich, England, China, die USA. Er hat sich eine eigene Verfassung gegeben, ein eigenes Siegel, eine eigene Gesetzgebung - etwa für Ausweiswesen und Fahrerlaubnis.
Deshalb fand der Prozess gestern unter Sicherheitsauflagen statt - Zuschauer mussten vor Eintritt in den Verhandlungssaal Personalausweise und Handys an Polizeibeamte abgeben, wurden auf Waffen überprüft.
"Er hatte seine Chance, das letzte Urteil war sehr moderat. Deshalb geht er jetzt zu Recht ins Gefängnis", sagte ein sichtlich genervter Richter Markus Zimmermann am Ende des langen Verhandlungstages..