Damit die Justiz papierlos funktionieren könnte, müssten Gesetze geändert werden. Die Grundlagen der heute noch geltenden Verfahrensgesetze stammen aus den 1870er-Jahren. Damals gab es z. B. noch nicht die Möglichkeit, Fotokopien anzufertigen. Dass es z. B. von Urteilen ein Original gibt, das im Archiv des Gerichts bleibt, von dem nach Bedarf Ausfertigungen angefertigt und beglaubigt werden, ist wohl nur historisch aus den damaligen Möglichkeiten zu erklären. Heute läge es ja nahe, die Urteile mittels EDV zu redigieren und davon die benötigte Anzahl Exemplare auszudrucken, zu unterschreiben und zu stempeln. Damals ging dies einfach nicht, ein Urkundsbeamte musste das Original für jede Ausfertigung abschreiben, auf Übereinstimmung prüfen und danach beglaubigen, dass beide übereinstimmten. Dass Ausfertigungen herzustellen und herauszugeben sind, steht weiterhin im Gesetz.
Was auch noch ungelöst ist, ist das Problem der Langzeitarchivierung. Auf Papier stehende Dokumente sind teilweise viele Jahrhunderte alt und heute noch lesbar. Ob und wie sich elektronische Daten über einen Zeitraum von mehr als ca. 50 Jahre so speichern lassen, dass sie nicht verloren gehen, beschädigt werden und dabei noch lesbar bleiben, ist noch immer ungeklärt. Dabei stellt noch nicht einmal die physische Aufbewahrung das Hauptproblem dar. (Es gibt durchaus sehr solide Datenträger.) Vielmehr ist ungeklärt, welche Codierungen in 50 oder 100 Jahren noch lesbar sind. Allein z. B. frühe Word-Dokumente (z. B. Word 2.0) können heute von vielen Leuten nicht mehr geöffnet werden, weil die von ihnen verwendeten Programme die entsprechenden Dateiformate schlicht nicht mehr implementiert haben.
Zentralschlüssel und Einheitsschlüssel sind ein ebenso leidiges Thema. Von ihnen gibt es verschiedene Arten für eine ganze Reihe von Anwendungen. In Deutschland sind z. B. die meisten Poller, Absperrpfosten, aber z. T. auch Tore an Feuerwehrzufahrten u. dgl. durch genormte Dreikant-Schlösser verriegelt. Entsprechende Dreikant-Schlüssel sind erstens frei im Handel und zweitens wahrlich nicht besonders schwer herzustellen. Grundsätzlich kann also jeder, der einen entsprechenden (nicht schwer zu beschaffenden) Dreikant-Schlüssel hat, überall in Deutschland Poller und Absperrpfosten entfernen, Feuerwehrzufahrten öffnen u. dgl. Bei den Eisenbahngesellschaften wird, zumindest an Fahrzeugen für den grenzüberschreitenden Verkehr, aber durchaus auch bei ortsfesten Anlagen, ein genormter Vierkantschlüssel verwendet. Um entsprechende Schlösser zu bedienen, genügt sogar eine Flachzange. Ein Bekannter macht das sogar mit zwei flachen Schlüsseln, die er gekonnt zusammenpresst.
Die Forstverwaltungen in Niedersachsen, aber auch anderswo in Deutschland verwenden ein genormtes Schloss z. B. an Toren, Sperrbäumen u. dgl. Es handelt sich dabei um ein Buntbartschloss, dessen Schlüssel frei im Handel erhältlich, aber durchaus auch durch einen einfachen Dietrich ersetzbar sind.
Der Beispiele gibt es noch weit mehr. Zugleich zeigen sie aber auch, wo die Probleme bei einem Ersatz der verwendeten Systeme liegen: Zunächst stellt sich einmal die Kostenfrage. Ausnahmslos alle Poller, Absperrpfosten, Tore an Feuerwehrzufahrten usw. in ganz Deutschland von Dreikantschlössern auf ein sichereres System umzustellen, würde enorme Kosten verursachen. Zugleich stellt sich auch das Problem, dass in den meisten Fällen sowohl die Feuerwehr als auch z. B. der Grundeigentümer, Mieter usw. Zugang haben müssten. Wenn ich vor meinem Haus einen Weg habe, der normalerweise nicht befahren werden soll, der aber neben dem (wohl deutlich selteneren) Brandfall etwa auch durch Bauhandwerker, Lieferanten u. dgl. benutzt werden muss, muss ich als Grundeigentümer die Möglichkeit haben, bei Bedarf auch ohne die Feuerwehr diesen Weg freigeben zu können. Das bedeutet, dass es ein System sein müsste, das sowohl eine Art Zentralschlüssel für die Feuerwehr bereit stellt, mit der diese alle Schlösser öffnen kann, aber zugleich einen zweiten, individuellen Schlüssel für die einzelnen Berechtigten jedes Grundstücks umfasst. Das wäre dann eine Art Hauptschlüsselanlage mit sehr vielen Einzelschlüsseln und einem Hauptschlüssel für die Feuerwehr. Mit mechanischer Schlosstechnik ist dies in den notwendigen Stückzahlen nicht mehr zu leisten, da müsste dann wohl ein elektronisch codiertes System verwendet werden, was die Kosten noch weiter hoch triebe. Der Hauptschlüssel müsste dann auch so gesichert sein, dass er selbst bei Verlust nicht missbraucht werden kann usw. Neben finanziellen stellen sich also vor allem technische, organisatorische und logistische Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden dürfen.
Daher wird zwar von Zeit zu Zeit immer wieder über das eine oder andere Zentral- bzw. Einheitsschlüssel-System geklagt, ernsthafte Bestrebungen zu einer Veränderung sind hingegen bisher nicht aufgetreten, zumal sich der Missbrauch solcher Systeme offenbar in so engen Grenzen hält, dass kein Schadens- oder Leidensdruck zu solchen Bestrebungen führte.