Autor Thema: Na gut, dann sind wir halt in Gottes Namen zuständig...  (Gelesen 2759 mal)

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Offline Ceilo

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...sagten sich die Richter des 2. Senats des FG Sachsen-Anhalt schon vor längerer Zeit (Urteil vom 16.02.2005 - 2 K 788/04) als eine ziemlich komische Feststellungsklage einer angeblichen "Reichsdeutschen" bei ihnen einging. SIe hatten zwar Zweifel, ob es Sache des Finanzgerichts sein könnte, über den Status der Staatsangehörigkeit "deutsch" und ähnlich weltbewegende Fragen zu entscheiden. Da ihnen aber auch kein Gericht einfiel, das für die Sache eher in Frage käme (Narrengerichte gibt es in Sachsen-Anhalt wohl keine), erklärten sie sich trotz aller Bedenken für zuständig - und brauchten dann nur einen einzigen Satz, um die Unzulässigkeit der Klage zu begründen. Da es den Text offenbar nirgends frei im Netz gibt, stelle ich mal die ganze Entscheidung hier ein:

In dem Rechtsstreit ...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Februar 2005 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzenden, den Richter am Finanzgericht ..., die Richterin am Finanzgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ... die ehrenamtliche Richterin ... für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Firma ... GmbH & Co KG ... schuldet dem Beklagten Lohnsteuer Solidaritätszuschlag und Lohnkirchensteuer sowie Säumniszuschläge hierzu. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mit Beschluss vom 11. Juni 2003 mangels Masse abgewiesen.

Die Klägerin war Kommanditistin und Geschäftsführerin der ... GmbH. Der Beklagte nahm die Klägerin als Geschäftsführerin der ... GmbH für Steuerschulden der ... in Anspruch.

Zur Begründung der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, sie sei Reichsdeutsche.

Die Klägerin hat im Klageschriftsatz (im Wesentlichen wörtlich) beantragt,

festzustellen,

1. ob die Staatsangehörigkeit "deutsch" auf dem Personalausweis der Klägerin eine rechtsgültige Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist oder ob die Klägerin Staatsbürgerin des Staates Deutsches Reich ist,

2. ob das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt und jemals rechtsgültig war,

3. ob der Beklagte berechtigt ist, Haftungsbescheide gegen Staatsbürger des Staates Deutschen Reiches zu erlassen und

4. ob in der Bundesrepublik Deutschland derzeit ein rechtmäßig funktionierendes gesetzliches und damit rechtstaatliches System vorliegt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seinen Einspruchsbescheid.

Für die Klägerin ist trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand zur mündlichen Verhandlung erschienen.

Da die Klägerin ordnungsgemäß geladen war, durfte der Senat die mündliche Verhandlung durchführen und zur Sache entscheiden. Hierauf ist die Klägerin in der Ladung hingewiesen worden (§ 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Da die Klägerin der mündlichen Verhandlung ohne ausreichende Entschuldigung ferngeblieben ist, war es dem Senat auch nicht möglich, das Klageziel durch Befragen der Klägerin näher aufzuklären. Der Senat geht daher davon aus, dass die Klägerin tatsächlich die in der Klageschrift beantragte gerichtliche Feststellung begehrt.

Für die so verstandene Klage bestehen erhebliche Zweifel, ob der Finanzrechtsweg gemäß § 33 Finanzgerichtsordnung überhaupt eröffnet ist. Da jedoch nicht erkennbar ist, welches Gericht für die von der Klägerin begehrte Feststellung zuständig ist, erklärt sich der Senat für den Rechtstreit zuständig. Eine Verweisung der Klage gemäß § 17 a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz kommt daher nicht in Betracht.

Die Klage ist unzulässig, weil ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht erkennbar ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
 
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Offline Pantotheus

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Re: Na gut, dann sind wir halt in Gottes Namen zuständig...
« Antwort #1 am: 2. Januar 2016, 23:50:15 »
Ach, manche lernen's nie.
Erstens ist es schon einmal verkehrt, mit einer Feststellungsklage operieren zu wollen. Diese kann nach meiner laienhaften Kenntnis nur in sehr seltenen Fällen erfolgreich sein, wenn entweder kein anderer Klageweg eröffnet ist oder wenn ein besonderes Schutzbedürfnis besteht, jedenfalls in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wie dem Verwaltungs- oder Steuerrecht.
Zweitens ist es fundamental falsch, sich in einem Verfahren, das man selbst losgetreten hat, nicht zu zeigen.
Drittens verstehe ich nach wie vor nicht, wie man glauben kann, die BRD sei nicht zuständig, wenn man in deren Staatsgebiet lebt. Ich bin zum Beispiel auch nicht Deutscher, aber wenn ich mich in Deutschland aufhalte, gelten deutsche Gesetze auch für mich, sind deutsche Behörden zuständig usw. Genau gleich verhält es sich, wenn ich mich z. B. in Italien aufhalte: Dann muss ich italienische Gesetze beachten, mich mit italienischen Behörden befassen usw.
Ausnahmen gibt es nur sehr beschränkt, wenn ich z. B. in Deutschland einen neuen Pass benötige, dann muss ich mich dafür schon ans Konsulat meiner Heimat wenden, oder wenn ich etwa in meiner Heimat wählen möchte. U. U. ist es auch möglich, dass ich in Deutschland ein Testament nach dem Recht meiner Heimat erstelle, das dann auch in Deutschland anerkannt wird (was mir aber nichts nützt, da die Testierfreiheit in Deutschland größer ist als im Recht meiner Heimat, ich also besser das deutsche Recht wähle, um meinen letzten Willen niederzulegen).
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Offline echt?

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Re: Na gut, dann sind wir halt in Gottes Namen zuständig...
« Antwort #2 am: 3. Januar 2016, 11:48:33 »
Noch duemmer ist es doch bei einem gericht eines nicht existierenden staates feststellen lassen zu wollen, dass dieser nicht existiert. Und dann das urteil ohnehin nicht anzuerkennen, da ja die unterschrift fehlen wird.
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Offline Sandmännchen

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Offline Ceilo

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Re: Na gut, dann sind wir halt in Gottes Namen zuständig...
« Antwort #4 am: 4. Januar 2016, 21:32:44 »
Erstens ist es schon einmal verkehrt, mit einer Feststellungsklage operieren zu wollen. Diese kann nach meiner laienhaften Kenntnis nur in sehr seltenen Fällen erfolgreich sein, wenn entweder kein anderer Klageweg eröffnet ist oder wenn ein besonderes Schutzbedürfnis besteht, jedenfalls in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wie dem Verwaltungs- oder Steuerrecht.

Das ist nun wirklich das kleinste Problem. Die Gerichte werden schlecht formulierte Anträge regelmäßig "sachdienlich auslegen", also nicht auf dem Wortlaut herumreiten, sondern sich überlegen, was der Kläger eigentlich will, und das dann, soweit es erkennbar ist, selbst ins Juristendeutsch übersetzen. Wenn die richtige Klageart also etwa eine Anfechtungsklage ist, wird das Gericht die Klage auch als solche behandeln, selbst wenn der Kläger beantragt hat, etwas "festzustellen". Gerade in Entscheidungen in Reichsdeppensachen findet sich oft die Formulierung "der Kläger beantragt sinngemäß" - worauf dann das sinnvollste Anliegen genannt wird, das das Gericht aus dem Geschwurbel noch herauslesen konnte. Das ist dann natürlich gewöhnlich immer noch Unfug - aber wer mit einem vernünftigen Anliegen vor Gericht erscheint, muss kaum Abweisung fürchten, nur weil er nicht die richtigen Zauberworte gebraucht hat.
 

Offline Noldor

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Re: Na gut, dann sind wir halt in Gottes Namen zuständig...
« Antwort #5 am: 4. Januar 2016, 22:12:49 »
@Ceilo

Aber wenn man weiss mit was für Argumenten die Deppen und ihre "Rechtsvertreter" vor Gericht auftreten wird wissen, dass da die Vernunft meilenweit entfernt ist.

Wir haben hier ja schon öfter geschrieben, dass durch eine fähige Rechtsberatung mit einem (Nicht-Reichsdeppen-) Anwalt viel Unheil für die Verlierer im Rechtsstreit verhindert werden könnte.
 

Offline BlueOcean

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Re: Na gut, dann sind wir halt in Gottes Namen zuständig...
« Antwort #6 am: 5. Januar 2016, 02:00:51 »
"Go away, you don't exist."

Eine meiner Lieblingsmeldungen wenn ich mal wieder irgendwo mit admin-Rechten unterwegs bin ;D (zumal die im Grunde kluge Erkenntnis fast völlig folgenlos bleibt)
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