Autor Thema: LVerfG MV 1/19, Urt. v. 19. 12. 2019, "Neger"  (Gelesen 1719 mal)

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LVerfG MV 1/19, Urt. v. 19. 12. 2019, "Neger"
« am: 21. Dezember 2019, 11:07:10 »
Heute eine Entscheidung, die nicht so gefällt, aber in einem Rechtsstaat ausgehalten werden muß.


Zitat
Greifswald (dpa/mv) - Der AfD-Landtagsfraktionschef Nikolaus Kramer hat vor dem Landesverfassungsgericht in Greifswald im Streit mit dem Landtagspräsidium Recht bekommen. Dem Gericht zufolge verstieß der Ordnungsruf der Landtagspräsidentin im November 2018 wegen der mehrfachen Verwendung des Wortes "Neger" gegen die Landesverfassung.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/prozesse-greifswald-streit-um-zwischenruf-verfassungsgericht-gibt-afd-ler-recht-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-191219-99-198957

Auch als Nichtjurist halte ich das Ausgeurteilte für nachvollziebar, vor allem durch die Kenntnis des BVerfG nach der meinungsfreundlichsten Auslegung:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/staatsanwaltschaft-traunstein-afd-andreas-winhart-aussage-neger-erlaubt-meinungskampf/


Hier der Link zur Entscheidung:
https://www.mv-justiz.de/static/MVJ/Gerichte/Landesverfassungsgericht/Entscheidungen/2019/1%20-%2019%20Urteil%2019.12.2019.pdf
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Re: LVerfG MV 1/19, Urt. v. 19. 12. 2019, "Neger"
« Antwort #1 am: 21. Dezember 2019, 11:38:19 »
Das Kernproblem war, dass man nicht ein Wort in jedem beliebigen Zusammenhang verbieten kann. Was der Ordnugsruf aber getan hat.
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

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Re: LVerfG MV 1/19, Urt. v. 19. 12. 2019, "Neger"
« Antwort #2 am: 1. Januar 2020, 16:29:30 »
Anna Katharina Mangold und Sinthiou Buszewski üben in

https://verfassungsblog.de/worueber-man-nichts-sagen-kann-darueber-soll-man-schweigen/

Urteilsschelte an der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts MV zur Rüge wegen des N-Wortes.


Frage an die Juristen: verkennen die beiden Autoren hier nicht die Bedeutung der Entscheidung des BVerfG?
Die LTO hat das anhand des Falles Winhart - auf den Frau Mangold ja selbst rekurriert - schon vor einiger Zeit angesprochen:

Zitat
Und in der Tat: Die Meinungsfreiheit, so entschied es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und so lernt man es im Jurastudium, gebietet eine besonders meinungsfreundliche Auslegung des Gesagten. Ist auch eine Auslegung einer Äußerung denkbar, die den Tatbestand nicht erfüllen würde, so ist die Äußerung nicht strafbar (u. a. BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991, Az. 1 BvR 1555/88).
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/staatsanwaltschaft-traunstein-afd-andreas-winhart-aussage-neger-erlaubt-meinungskampf/
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Re: LVerfG MV 1/19, Urt. v. 19. 12. 2019, "Neger"
« Antwort #3 am: 3. Januar 2020, 14:45:28 »
Ach, die beiden Autorinnen übersehen soviel...
Allerdings muss man, wenn man sauber juristisch arbeitetin bester juristischer Manier eine typische juristische Strategie ergreift und differenziert, festhalten, dass parlamentarisches Innenrecht und Strafrecht zwei verschiedene Paar Schuhe sind und auch parlamentarische Äußerungen von Abgeordneten nicht notwendigerweise an der Meinungsfreiheit, sondern am parlamentarischen Äußerungsrecht zu messen sind.

Aber vermutlich ist das eine ebenso unvorstellbare Herangehensweise, wie die Annahme, dass auch ein AfD-Abgeordneter doch einmal recht haben könne.
Eine von VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer erfundene Statistik besagt, dass 90% der Prozessgewinner die fragliche Entscheidung für beispielhaft rechtstreu halten, 20% der Unterlegenen ihnen zustimmen, hingegen von den Verlierern 30% sie für grob fehlerhaft und 40% für glatt strafbar halten.
 
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Re: LVerfG MV 1/19, Urt. v. 19. 12. 2019, "Neger"
« Antwort #4 am: 3. Januar 2020, 22:58:57 »
Ach, die beiden Autorinnen übersehen soviel...

In der Tat: Der Beitrag ist von einer gewissen Dürftigkeit und springt deutlich zu kurz. Bricht man die Fragestellung runter, so ist sie darauf zu reduzieren, ob es die (parlamentarische) "Ordnung" verletzt, wenn jemand das N-Wort verwendet. Eine Anleihe an die "öffentliche Ordnung" zeigt, dass eine solche öffentliche Äußerung als Verletzung der Ordnung wahrgenommen werden kann (Ein Fall von "Das tut man nicht"), wenngleich reflektierende Zusammenhänge denkbar sind, in denen eine Verwendung (ausnahmsweise) zulässig sein könnte. Das ausgerechnet ein AfD-Abgeordneter den Begriff in anderer als herabsetzender Weise verwendet oder hier über sprachliche Regeln philosophieren wollte, ist indes auszuschließen.

Außerdem wird der Ordnungsruf nicht schon deshalb rechtswidrig, weil möglicherweise eine einzelne von mehreren Verwendungen des Begriffs zulässig war, sofern die weiteren Verwendungen den Ordnungsruf tragen. Und schließlich weisen die Autorinnen zu Recht darauf hin, dass ein solches Urteil dazu beiträgt, die Herabsetzung gesellschaftlich salonfähig zu machen.

Meines Erachtens ist das Urteil daher (grob) falsch und schwer erträglich.