Autor Thema: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt  (Gelesen 17510 mal)

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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #45 am: 12. November 2019, 12:51:50 »
Tja - man kann ja durchaus geteilter Meinung sein, was es noch für einen Sinn hat, neunzigjährige Greise noch vor Gericht zu stellen.

Aber man darf dabei nicht übersehen: die "Unrechtsjustiz" geht mit ihnen weitaus gnädiger um, als sie damals mit ihren Opfern!
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
 
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #46 am: 12. November 2019, 12:59:13 »
Tja - man kann ja durchaus geteilter Meinung sein, was es noch für einen Sinn hat, neunzigjährige Greise noch vor Gericht zu stellen.
(...)

Eigentlich nicht, denn das Prinzip eines Rechtsstaates sollte immer "gleiches Recht für Alle" sein unabhängig von Alter und Herkunft - bei einem Verbrechen das nicht verjährt können dann eben auch solche Effekte passieren.
Gut so können die Nazis die Menschlichkeitkeule schwingen, aber würde man sowas nicht verhandeln würde das viel problematischeren Kampangen Tür und Tor öffen. Genau deshalb gehört soetweas eben auch verfolgt.
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #47 am: 12. November 2019, 13:08:14 »
Abgesehen davon, dass es immer absolut unglaubwürdig ist, wenn Nazis sich auf "Menschlichkeit" berufen.
Eine von VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer erfundene Statistik besagt, dass 90% der Prozessgewinner die fragliche Entscheidung für beispielhaft rechtstreu halten, 20% der Unterlegenen ihnen zustimmen, hingegen von den Verlierern 30% sie für grob fehlerhaft und 40% für glatt strafbar halten.
 
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #48 am: 12. November 2019, 13:47:32 »
Zur Vermeidung von Mißverständnissen: Mitleid habe ich mit diesen unwürdigen Greisen auch nicht. Man hätte sie nur viel früher belangen müssen!

Heute dagegen hat man kaum noch verhandlungs- bzw. später haftfähige Wackelgreise vor Jugendkammern. Wirklich bestraft werden die kaum noch.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
 
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #49 am: 12. November 2019, 14:27:30 »
man kann ja durchaus geteilter Meinung sein, was es noch für einen Sinn hat, neunzigjährige Greise noch vor Gericht zu stellen.


Der Sinn liegt jetzt darin, daß, nachdem die jahrzehntelange fehlerhafte Rechtsprechung erkannt wurde, nun nicht mit dieser fortgefahren wird nach dem Motto "jetzt ist es die paar Jahre auch noch wurscht", sondern - wenn auch reichlich spät - endlich tatsächlich Recht gesprochen wird.

Das ist unbefriedigend, keine Frage.
Aber die Alternative wäre eben noch unbefriedigender.
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #50 am: 12. November 2019, 16:36:46 »
Zitat
Stand: 12.11.2019 16:00 Uhr
Emotionale Geste bei Stutthof-Prozess in Hamburg

Im Hamburger Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann im KZ Stutthof haben sich ein Zeuge aus den USA und der 93 Jahre alte Angeklagte am Dienstag umarmt. Nach seiner Aussage als Zeuge und Nebenkläger ging der 76-jährige Moshe Peter Loth auf den in einem Rollstuhl sitzenden Angeklagten zu. An die Zuschauer gewandt sagte er: "Passen Sie alle auf! Ich werde ihm vergeben." Dann umarmten sich die beiden Männer fest.

Zeuge berichtet über Kindheit und Jugend
Der in Florida lebende Zeuge hatte in seiner Aussage berichtet, dass seine jüdische Mutter am 1. März 1943 festgenommen worden sei, als sie mit ihm im dritten Monat schwanger war. Sie habe ihn in Gefangenschaft zur Welt gebracht. Im Jahr 1944 seien beide ins KZ Stutthof bei Danzig gebracht worden. Bei Kriegsende habe man ihn von seiner Mutter getrennt. Nach seiner Kindheit und Jugendzeit in Polen sei er über Deutschland in die USA gekommen.

"Ich empfinde keinen Hass"

Erst Ende der 1950er-Jahre fand der heute 76-Jährige seine Mutter wieder. "Als Kind wusste ich gar nicht, wer ich bin", so der Zeuge. Über den Angeklagten sagte er, er empfinde für ihn keinen Hass und wisse nicht, was dieser Mann getan habe.

Bruno D.: "War nicht freiwillig Soldat"
Da keiner der Prozessbeteiligten - auch nicht der Verteidiger - Nachfragen hatten, erlaubte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring dem Zeugen, als Nebenkläger den Angeklagten zu befragen. Der 93-Jährige betonte dabei erneut, dass er nicht freiwillig Soldat und Wachmann in Stutthof geworden sei und dass es ihn erschüttere, was in dem KZ geschehen sei.
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Emotionale-Geste-bei-Stutthof-Prozess-in-Hamburg,stutthof144.html
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #51 am: 13. November 2019, 22:44:58 »
Ist schon thematisiert worden, was der Angeklagte zwischen dem 25.01.1945 und dem 08.05.1945 gemacht hat. Das Lager wurde ja im Januar geräumt.

Man erinnere sich

Zitat
Nach Berichten wurden Marschkolonnen von je 1000 bis 1500 Häftlingen gebildet, die durch die kaschubische Schweiz Richtung Lauenburg marschierten. Zwischen den Kolonnen lagen jeweils sieben Kilometer Abstand. Jede Kolonne wurde von ca. 40 Wachmännern beaufsichtigt. Zurückbleibende wurden von ihnen getötet. Fast ohne Verpflegung dauerte der Marsch für die Überlebenden bei Schnee und schneidender Kälte zehn Tage statt sieben Tage lang. Am 31. Januar wurden beim Massaker von Palmnicken rund 3000 jüdische Häftlinge von der SS mit Maschinengewehrfeuer in die Ostsee gehetzt oder erschossen, andere im Hof der Bernsteinfabrik erschossen. Es sollen nur 15 Menschen dieses Massaker überlebt haben.

Martin Bergau: Todesmarsch zur Bernsteinküste. Das Massaker an Juden im ostpreußischen Palmnicken im Januar 1945. Zeitzeugen erinnern sich. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2006. S. 220 ISBN 3-8253-5201-3.

Hat er sich abgesetzt, oder ist er mitmarschiert?
Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleicher Richtung blickt.
Antoine de Saint-Exupéry (1900-44), frz. Flieger u. Schriftsteller
 
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #52 am: 16. November 2019, 07:17:58 »
Entweder hat er nichts gelernt oder er will nichts lernen.
Sein Verteidiger sollte ihm doch erklärt haben, daß die alte Schiene
a) Befehlsnotstand
b) keine direkte Tötung nachweisbar

schon seit 2010 nicht mehr funktioniert?


Zitat
Gerichtsprozesse Hamburg
15.11.2019 16:12 2.253
EHEMALIGER SS-WACHMANN BRICHT VOR GERICHT IN TRÄNEN AUS: "ES WIRD MIR EWIG LEIDTUN"
GROSSE ERLEICHTERUNG IM HAMBURGER STUTTHOF-PROZES

Hamburg – Im Hamburger Stutthof-Prozess hat der 93-jährige Angeklagte die Begegnung mit einem KZ-Überlebenden als Erleichterung bezeichnet.

"Ich bin erleichtert, dass ich mich bei einem entschuldigen konnte", sagte der ehemalige SS-Wachmann am Freitag vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht.

Am Dienstag war es in dem Prozess zu einer emotionalen Geste gekommen: Ein Zeuge aus den USA war auf den 93 Jahre alte Angeklagten zugegangen, hatte ihn umarmt und gesagt, er werde ihm vergeben (TAG24 berichtete).

Nach der Verhandlung sagte der 76-jährige Zeuge Moshe Peter Loth, dass beide geweint hätten.

"Es wird mir ewig leidtun, was Herrn Loth geschehen ist", sagte der ehemalige Wachmann. Er könne verstehen, dass ihn das sein Leben lang verfolgt hat - so wie das auch sein Leben verfolgt hat.

Trotzdem sehe er die Schuld für das Geschehene nicht bei sich. "Ich habe niemanden ein Leid angetan", sagte der 93-Jährige. Er sei nicht freiwillig in dem Lager gewesen. "Ich bekam den Befehl." Und er habe niemanden erschossen.

Die Anklage wirft ihm Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vor. Als SS-Wachmann soll er zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 "die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt" haben. Zu seinen Aufgaben habe es gehört, die Flucht, Revolte und Befreiung von Häftlingen zu verhindern.
https://www.tag24.de/nachrichten/hamburg-gerichtsprozess-ehemaliger-ss-wachmann-konzentrationslager-ueberlebender-stutthof-danzig-1287792
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #53 am: 16. November 2019, 11:18:58 »
Ist schon thematisiert worden, was der Angeklagte zwischen dem 25.01.1945 und dem 08.05.1945 gemacht hat. Das Lager wurde ja im Januar geräumt.
[...]
Hat er sich abgesetzt, oder ist er mitmarschiert?

Gute Frage, interessiert mich auch sehr. Der Landweg in Richtung Westen war bis zum 10. März 1945 offen, dann erreichten die Sowjets bei Köslin die Ostsee und schnitten die dt. 2. und 4. Armee östlich davon ab. An ein Absetzen mag ich nicht glauben, Chef der neugegründeten sog. Herresgruppe Weichsel war der Reichsheini Himmler.

Eine Option ist, dass er vom Heldenklau einkassiert und noch als Soldat eingesetzt wurde, zumal ab Mitte Februar im Rahmen der "Operation Sonnenwende" eine Vielzahl von W-SS Verbänden in der Gegend um Stargard eingesetzt wurden. Ich glaube mich allerdings erinnern zu können, dass es ein Verbot gab Personal aus den KZ's an der Front einzusetzen. Ob es dieses Verbot Anfang 45 noch gab oder ob es noch Anwendung fand, nach den beträchtlichen dt. Verlusten durch die sowj. Offensive ab dem 12. Januar, die deutscherseits die allerletzten Reserven zusammenkratzen ließ, weiß ich nicht. Da es einen permanten Personalaustausch zwischen den Totenkopfstandarten und der W-SS gab, scheint mir das am wahrscheinlichsten zu sein.

Nicht ausgeschlossen, dass er an den Todesmärschen in Richtung Westen beteiligt war. 

So oder so, sein weiterer "Werdegang" müsste doch in den Akten gut dokumentiert sein. Ich bin ein wenig verwundert, dass die Zeit nach Stutthoff bis Kriegsende bislang nicht im Prozess thematisiert wurde bzw. in der Berichterstattung nicht aufgegriffen wurde.

Hirsche nicht aufs Sofa!
 
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #54 am: 16. November 2019, 13:05:49 »
Die "Todesmärsche" werden immer etwas komisch behandelt, liegt wohl auch daran, dass dabei die KZ-Häftlinge offen durchs Land getrieben wurden, vor den Augen der Bevölkerung. Da ist es dann irgendwie Essig mit "Ich hab nix gewusst/gesehen/gehört/gerochen". Dazu kommt, dass gerade in der Endphase des Krieges von etlichen zivilen NS-Kadern auch noch fanatisch Widerstand geleistet  und/oder "Volksgenossen" ans Messer geliefert wurden.


Sorry, aber ich kann diese Mischung aus Horror, Ekel, deutschem Selbstmitleid, Verdrängung und Opferumkehr nur mit Ironie und Sarkasmus ertragen.
 
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #55 am: 16. November 2019, 22:19:22 »
Die "Todesmärsche" werden immer etwas komisch behandelt, liegt wohl auch daran, dass dabei die KZ-Häftlinge offen durchs Land getrieben wurden, vor den Augen der Bevölkerung. Da ist es dann irgendwie Essig mit "Ich hab nix gewusst/gesehen/gehört/gerochen". Dazu kommt, dass gerade in der Endphase des Krieges von etlichen zivilen NS-Kadern auch noch fanatisch Widerstand geleistet  und/oder "Volksgenossen" ans Messer geliefert wurden.

Sorry, aber ich kann diese Mischung aus Horror, Ekel, deutschem Selbstmitleid, Verdrängung und Opferumkehr nur mit Ironie und Sarkasmus ertragen.

Beim Todesmarsch aus Stutthof und dem Massaker von Palmnicken waren mit Sicherheit die Fanatischten der Fanatischen
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Erich_Koch
 beteiligt, denn in der Zeit an dem Ort war die gesamte gesellschaftliche Ordnung, genaugenommen die Zivilisation an sich in die totale Apokalypse zerfallen, siehe u.a.:
 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Gustloff_(Schiff)

Es gab noch eine staatliche Institution, die funktionierte, wie mir meine Oma -die auf dem der Gustloff folgenden Schiff war- erzählte: die Deutsche Reichspost.
 
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #56 am: 9. Dezember 2019, 10:55:20 »
Die "Todesmärsche" werden immer etwas komisch behandelt, liegt wohl auch daran, dass dabei die KZ-Häftlinge offen durchs Land getrieben wurden, vor den Augen der Bevölkerung. Da ist es dann irgendwie Essig mit "Ich hab nix gewusst/gesehen/gehört/gerochen".



Ein Zeuge wird zu diesem Komplex heute gehört werden:

Zitat
Der 91-Jährige stammt ursprünglich aus Litauen, wie ein Gerichtssprecher sagte. Er sei im August 1944 als 16-Jähriger in das Konzentrationslager bei Danzig gebracht worden.

Im Januar/Februar 1945 habe er als Gefangener zu Fuß in ein Nebenlager nach Lauenburg in Pommern gehen müssen. Dort sei er von der sowjetischen Armee befreit worden.
https://www.tag24.de/nachrichten/kz-stutthof-ex-ss-wachmann-hamburg-gericht-5230-mord-anklage-zeuge-israel-aussage-1313517


wobei der Angeklagte seine Verteidigungstaktik wohl weiterhin auf "das kleine Rädchen" beschränkt sehen möchte:

Zitat
Am vergangenen Verhandlungstag hatte der 93-Jährige erklärt, er sei sich keiner Schuld bewusst.

"Warum sollte ich daran Schuld haben? Das frage ich mich immer wieder. Was hätte ich tun sollen?" Als Einzelner hätte man den Menschen in den Konzentrationslagern nicht helfen können. "Die Menschen haben mir leid getan. Aber ich konnte ihnen nicht helfen", beteuerte der Angeklagte.
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #57 am: 9. Dezember 2019, 18:10:59 »
Hier der Bericht von heute:


Zitat
Prügel, Hundebisse und Stromschlag: Zeuge über KZ Stutthof

74 Jahre nach seiner Gefangenschaft im KZ Stutthof hat Abraham Koryski noch ganz konkrete Bilder vor Augen. Als Zeuge im Prozess gegen einen früheren Wachmann schildert er unfassbare Grausamkeiten. Koryskis wichtigste Frage lässt das Hamburger Gericht unbeantwortet.

Hamburg (dpa/lno) - Im Hamburger Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann im KZ Stutthof hat ein Überlebender des Lagers von schwersten Misshandlungen der Gefangenen berichtet. «Wir wurden ständig verprügelt, die ganze Zeit, auch während der Arbeit», sagte Abraham Koryski am Montag nach den Worten eines Dolmetschers. Jeder Tag habe damit angefangen, dass die Leichen der nachts Gestorbenen aus seiner Baracke gebracht wurden.

Er habe 1944/45 mehrfach erlebt, wie die SS spontane sadistische «Shows» veranstaltete, sagte Koryski. Einmal habe ein Sohn seinen Vater zu Tode prügeln müssen, vor den versammelten Häftlingen. Ein SS-Offizier haben einen Stuhl zerbrochen und gedroht, irgendeinen der Gefangenen zu erschießen, wenn nicht der Vater den Sohn oder der Sohn den Vater mit einem Stuhlbein erschlage. Daraufhin habe sich der Vater von dem Sohn zu Tode prügeln lassen, der hinterher selbst erschossen wurde.
Spoiler
Der 91 Jahre alte Zeuge wandte sich mit lauter, bewegter Stimme an die Anwesenden im Gerichtssaal: «Ich frage euch alle hier: An was kann man glauben, wenn Menschen so etwas Menschen antun können?» Die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring antwortete: «Das ist eine Frage, die wir nicht beantworten können.»

Angeklagt in dem Prozess ist ein 93-Jähriger aus Hamburg. Ihm wird Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorgeworfen. Als SS-Wachmann in Stutthof soll er zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 «die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt» haben. Zu den Aufgaben des damals 17- bis 18-Jährigen habe es gehört, die Flucht, Revolte und Befreiung von Häftlingen zu verhindern.

Koryski war 1944 als 16-Jähriger aus Litauen in das Lager bei Danzig gebracht worden. Er sei zusammen mit anderen Juden in einer Baracke untergebracht gewesen. Anfang 1945 überlebte er einen Todesmarsch mit Tausenden Gefangenen Richtung Westen, bis ihn die Rote Armee befreite. In Israel arbeitete er später als Automechaniker.

Der Zeuge berichtete, dass auch sein Onkel und eine Tante in Stutthof inhaftiert gewesen seien. Eines Tages habe sein Onkel es gewagt, der Tante im Frauenlager eine Zwiebel über den Zaun zuzuwerfen. Beim Versuch, die Zwiebel aufzuheben, sei die Frau gegen den Elektrozaun gekommen und habe einen tödlichen Stromschlag erlitten. Sein Onkel habe sich danach erhängt.

Nicht nur die SS-Offiziere und Wachmannschaften begingen nach Angaben von Koryski Grausamkeiten. Bei einem Appell habe der Lagerälteste - ein von der SS bevollmächtigter Häftling - einmal seinem Hund zugerufen: «Lux, bring diesen Banditen her!» Der Hund habe sich auf einen Gefangenen gestürzt und ihn zu Tode gebissen.

Der Zeuge musste mehrfach das Krematorium im KZ reinigen. Die Knochen der verbrannten Leichen hätten sie auf einen Wagen geworfen und in einen Graben gekippt. Wenn der Graben heute noch existiere, müsse er voller Knochen sein. Die Überreste aus den Öfen seien sehr heiß gewesen. «Es gab noch brennende Knochen», sagte Koryski. Einmal habe er bei der Arbeit ein kleines Stück Brot gefunden, das er sogleich gegessen habe. Die weitere Befragung durch die Richterin ergab, dass es vermutlich einem vergasten Mitgefangenen gehörte.

Meier-Göring fragte den Zeugen, warum er sich zu der Aussage vor Gericht entschlossen habe. Vor genau dieser Frage habe er Angst gehabt, bekannte Koryski. Er könne sie nicht beantworten, aber es gehe ihm nicht um Rache. «Meine Rache ist, dass ich es geschafft habe (zu überleben).»

In einer Verhandlungspause unterhielt sich der Zeuge kurz mit der in Hamburg wohnenden Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano (94) und übergab ihr ein Schriftstück. Bejarano, die den Prozess als Zuschauerin verfolgte, sagte nach der Verhandlung mit Blick auf den angeklagten ehemaligen Wachmann: «Der Mann muss verurteilt werden, weil er eben dabei war. Jeder, der dabei war, war damit einverstanden, dass die Menschen umgebracht werden.»
[close]
https://www.welt.de/regionales/hamburg/article204165806/Pruegel-Hundebisse-und-Stromschlag-Zeuge-ueber-KZ-Stutthof.html

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/hamburg-was-der-kz-ueberlebende-abraham-koryski-als-zeuge-vor-gericht-aussagt-a-1300426.html

https://www.evangelisch.de/inhalte/163397/09-12-2019/zeuge-aus-israel-sagt-verhandlung-gegen-ehemaligen-ss-wachmann-aus

https://www.rnd.de/politik/zeuge-im-stutthof-prozess-sadistische-shows-der-ss-im-kz-27HH4EMOBE42YTNAOQUJ2WAPLQ.html


Da fehlen einem die Worte.
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #58 am: 16. Dezember 2019, 18:17:14 »
Die sächsische Blöd ist heute gar nicht mal so schlecht:


Zitat
Gerichtsprozesse Hamburg
16.12.2019 14:34 445

EHEMALIGER KZ-WACHMANN: "KONNTE MICH DEN BEFEHLEN NICHT ENTZIEHEN"
93-JÄHRIGER WEGEN BEIHILFE ZU TAUSENDFACHEM MORD IN HAMBURG VOR GERICHT

Hamburg – Mit energischen Fragen hat die Vorsitzende Richterin im Hamburger Stutthof-Prozess am Montag den Angeklagten unter Druck gesetzt.

Mehrfach wollte Richterin Anne Maier-Göring von dem ehemaligen KZ-Wachmann wissen, warum er sich dem Dienst in dem Lager bei Danzig 1944/45 nicht entzogen habe.

"Ich konnte mich den Befehlen, die dort gegeben wurden, nicht entziehen, ohne mich in Lebensgefahr zu bringen", antwortete der 93-Jährige. Die Gefangenen, besonders die Juden, hätten ihm Leid getan, beteuerte er. Aber er habe ihnen nicht helfen können.

Die Richterin ließ das nicht gelten. Es seien damals Millionen unschuldige Menschen umgebracht worden, nach Gutachten von Historikern aber kein einziger SS-Mann, weil er sich einem verbrecherischen Befehl widersetzte. "Ich sehe keine Schuld bei mir, ich habe niemandem ein Leid angetan", bekräftigte der Angeklagte.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 93-Jährigen Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vor. Als SS-Wachmann soll er zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 "die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt" haben. Zu seinen Aufgaben habe es gehört, die Flucht, Revolte und Befreiung von Häftlingen zu verhindern.

Der Prozess findet vor einer Jugendkammer statt, weil der Beschuldigte zur Tatzeit erst 17 bis 18 Jahre alt war.
https://www.tag24.de/nachrichten/hamburg-landgericht-stutthof-gerichtsprozess-ehemaliger-ss-wachmann-konzentrationslager-1320910

https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Ehemaliger-KZ-Wachmann-in-Hamburg-vor-Gericht,brunod108.html
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Re: Prozess gegen Aufseher im KZ Stutthof beginnt
« Antwort #59 am: 17. Dezember 2019, 07:57:50 »
Die ZEIT geht etwas ausführlicher auf den Angeklagten ein:


Zitat
Prozess gegen Bruno D.
:
"Ich war vom Herzen aus kein SS-Mann"
Der Prozess gegen den KZ-Wachmann Bruno D. kommt kaum voran – auch, weil der Angeklagte große Erinnerungslücken hat. Unklar ist, wie lange er noch verhandlungsfähig ist.
Von Hauke Friederichs, Hamburg
16. Dezember 2019, 16:59 Uhr
Spoiler
Mit einer gelben Akte schützt Bruno D. sein Gesicht vor dem Fotografen. Nur ein Mann mit Kamera ist gekommen – das mediale Interesse an dem Prozess gegen den früheren SS-Wachmann am Landgericht Hamburg hat merklich nachgelassen. "Heute Morgen wird nur fotografiert, nicht gefilmt. Das ist ja was!", sagt die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring überrascht. Dann wird das Verfahren fortgesetzt – in gemäßigtem Tempo.

Heute befragt die Richterin wieder Bruno D. selbst, nachdem in den vergangenen Wochen einige Zeugen das Wort bekamen. Darunter ein Mann, der zur Tatzeit gerade erst geboren worden war. Er umarmte den Angeklagten und verzieh ihm. Zu den konkreten Taten, die Bruno D. selbst begangen hatte, konnte jener Mann aber genauso wenig sagen wie zuvor schon einige andere Zeugen. Doch für die Richter, die Ankläger und die Nebenkläger geht es in diesem Verfahren nicht nur darum, einen früheren SS-Mann zu einer hohen Strafe zu bringen: Den KZ-Opfern soll die Möglichkeit gegeben werden, öffentlich über ihr Leiden zu sprechen.

Bruno D. hat bereits gestanden, als SS-Wachmann auf dem Wachturm gestanden zu haben. Er habe beobachtet, wie Menschen in die Gaskammer gebracht wurden. Er bestreitet allerdings, jemals selbst geschossen oder Gewalt gegen Gefangene verübt zu haben. "Auf dem Turm ging es darum, den Zaun zu bewachen, es ging um die Sicherheit des Lagers", sagt er. Der Angeklagte beruft sich auf den Befehlsnotstand­, behauptet aber, dass er sich einer verbrecherischen Order, jemanden zu erschießen, schlicht verweigert hätte. 
An diesem Montag befragt die Richterin Bruno D. zu seinen Kontakten zu seiner Familie, zu den Freizeitbeschäftigungen der SS-Männer, zu Freundschaften. "Herr D., Weihnachten ist ja bald. Erinnern Sie sich noch an das Weihnachtsfest 1944 in Stutthof?", will die Juristin wissen. "Nein", antwortet der Angeklagte. Und erklärt auf Nachfrage: "Ich habe keine Feier in Stutthof mitgemacht." Die Richterin daraufhin: "Wir haben einen Kommandanturbefehl in der Akte, dass eine Jul-Feier stattgefunden hat." Doch Bruno D. erinnert sich nicht an ein solches Fest. Nur einmal sei er im Kino gewesen, mit Kameraden.

"Mein Vater hat mich einmal besucht, dort im Lager", sagt er. Wenige Stunden seien sie spazieren gewesen, außerhalb des Lagers. Ansonsten habe er keinen persönlichen Kontakt zur Familie gehabt. Das hatte er bereits zu Beginn des Verfahrens erklärt, im Oktober. Seither sind einige Wochen vergangen – aber viele neue Erkenntnisse über die Zeit von Bruno D. in Stutthof hat das Verfahren nicht gebracht.

"Ich war vom Herzen aus kein SS-Mann", sagt D. "Ich bin übernommen worden, ohne gefragt worden zu sein." Auch das hatte Bruno D. zuvor bereits einmal erklärt. Die Richterin wiegelt ab: "Ich weiß, ich weiß."

Die Befragung ist noch lange nicht vorbei
Der Prozess wegen Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen kommt kaum voran. Ursprünglich waren Termine bis zum Dienstag vom Gericht angesetzt worden. Ein Urteil wäre demnach am 18. Dezember gefallen. Ein Zeitplan, der sich schon bald als sehr optimistisch erwies: Mittlerweile sind zehn weitere Verhandlungstage bis Ende Februar angesetzt. Weitere Zeugen und Nebenkläger sowie ein historischer Sachverständiger sollen bis dahin angehört werden. Auch die Befragung von Bruno D. ist lange noch nicht vorbei.

"Wie fanden Sie es, SS-Mann zu sein? Fanden Sie das nicht auch schick?", fragt die Richterin.

Der Angeklagte lacht verächtlich, ruft: "Nee."
Die Richterin: "Das hat Ihnen nichts bedeutet?" Bruno D.s Antwort: "Nein."

Eine halbe Stunde ist zu diesem Zeitpunkt bereits vergangen. Länger als zwei Stunden tagt die Kammer nie, um den Angeklagten nicht zu sehr zu belasten. Immer gibt es Pausen, nie sind mehr als zwei Verhandlungstage pro Woche angesetzt. Wegen seines hohen Alters und seines schlechten Gesundheitsstandes könnte es jederzeit passieren, dass Bruno D. plötzlich nicht mehr verhandlungsfähig ist. Andere Prozesse gegen frühere SS-Männer mussten aus diesem Grund bereits eingestellt werden.

Seine Antworten werden aggressiver, aber nicht deutlicher
Energisch wird die Richterin, als sie nach der Zahl der Häftlinge fragt, die in das KZ gebracht wurden, während Bruno D. dort Wache hielt. Er erinnere sich nicht, sagt der Angeklagte.

"Ich kann das nicht glauben", die Vorsitzende. Es gehe immerhin um 50.000 Neuankömmlinge.
Doch Bruno D. sagt nur: "Ich habe das nicht mitbekommen, ich weiß das nicht."
"Entweder Sie lügen uns an oder es sind Bilder, die so schrecklich waren, dass Sie sie verdrängt haben", sagt die Vorsitzende. Oder sei etwas anderes passiert, dass er verschweigen möchte? Ob sein Gewehr womöglich doch zum Einsatz gekommen sei? Bruno D. verneint. Er bleibt meistens ruhig, antwortet in der Regel sehr kurz. "Was konnte ich denn dagegen machen", sagt er. "Ich konnte das Leid nicht mindern." Immer wieder hakt Meier-Göring nach, sie fragt, ob Bruno D. es denn "okay" gefunden habe, auf dem Turm gestanden zu haben. In Ordnung sei das nicht gewesen, erwidert D. Seine Antworten klingen nun lauter, aggressiver – doch seine Aussagen werden nicht klarer.

"Haben Sie sich in die Bequemlichkeit des Gehorsams geflüchtet?", fragt die Juristin. "Ich habe niemandem etwas getan", sagt der Angeklagte.
Er habe nicht das Gefühl gehabt, jemanden retten zu können. Wenn er nicht Wache gestanden hätte, dann wäre ein anderer an seine Stelle getreten. "Was sollte ich da machen?"

Vergeblich versucht Meier-Göring, Bruno D. zu einem klaren Schuldeingeständnis zu bewegen. Sie ist Jugendrichterin und scheint auch diesen Angeklagten bessern, läutern zu wollen. Doch bei Bruno D. kommt sie damit nicht weiter.

Warum er sich nicht habe versetzen lassen? "Ich kann dazu nichts mehr sagen", sagt Bruno D. müde. "Ich sehe keine Schuld bei mir." Er glaube nicht, dass alle SS-Männer Verbrecher gewesen seien. Auch diese Haltung hatte er schon während der ersten Prozesstage an den Tag gelegt.

Morgen, am Dienstag, steht der letzte Verhandlungstermin in diesem Jahr an. Der Inhalt von vier Aktenordnern soll verlesen werden, zwar nur die Titel der Dokumente, den Rest bekommen die Verfahrensbeteiligten zum Selbststudium. Doch allein das Einführen der Dokumente werde lange dauern, kündigt die Vorsitzende an.

Den Prozessbeteiligten steht also ein weiterer zäher Verhandlungstag bevor. Ob Ende Februar tatsächlich mit einem Urteil zu rechnen ist? Sicher ist das nicht, das Verfahren könnte sich durchaus noch länger hinziehen. Die Kammer geht damit ein hohes Risiko ein: Der Gesundheitszustand von Bruno D. ist weiterhin schlecht. Sein Anwalt bittet darum, seinen Mandanten am Dienstag nicht weiter aussagen zu lassen: "Die Aussicht, dass er an zwei Tagen am Stück aussagt, würde ihm sehr belasten." Auch der elfte Tag im Saal 300 des Landgerichts dürfte das Verfahren also nicht wesentlich weiterbringen.
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https://www.zeit.de/hamburg/2019-12/prozess-kz-wachmann-bruno-d-landgericht-hamburg/komplettansicht



Mit seiner Argumentation
Zitat
"Ich war vom Herzen aus kein SS-Mann", sagt D. "Ich bin übernommen worden, ohne gefragt worden zu sein."
liegt der Angeklagte vollkommen auf der nationalsozialistischen Argumentationsschiene.

Das ist jedem klar, der die Ausführungen Thomas Fischers zur Beihilfe und den Ansichten dazu auch noch nach dem Krieg gelesen hat.

Die aktuelle Situation:

Zitat
Nach Ansicht der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung ist es auch nicht erforderlich, dass die Beihilfe für die Vollendung der Haupttat kausal ist; es reicht aus, dass sie sie "irgendwie fördert", sei es durch objektive Unterstützung, sei es durch psychische Bestätigung des Haupttäters.

und die Nazi-Rechtsprechnung:

Zitat
… das Reichsgericht ... entschied ...: Täter ist, wer die Tat "als eigene will" und ein Interesse daran hat; Gehilfe, wer die Tat "nicht als eigene, sondern als fremde will" und nur diese fremde Tat unterstützt.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/ns-verbrecher-beihilfe-taeter-strafrecht-justiz-fischer-im-recht/komplettansicht

Der Angeklagte hätte also bei den Nazis nur sagen müssen, er habe die Tat ja gar nicht gewollt und keine böse Absicht gehabt. Und wäre damit durchgekommen

Ob der Anwalt des Angeklagten ihm erklärt hat, daß diese Masche seit 2010 nicht mehr zieht?
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)