Autor Thema: 1. Alternativer Wissenskongress  (Gelesen 8281 mal)

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Offline Reichsverweser

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #15 am: 23. Oktober 2014, 21:15:43 »
Die Welt ist noch nicht bereit!
 

Offline physik durch wollen

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #16 am: 23. Oktober 2014, 22:04:40 »
Zitat
Bertholt Brecht „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“:

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch

Ihr argumentiert, daß es nur einen nachvollziehbaren Grund gibt, den Holocaust leugnen zu wollen, und das sei, daß man derjenige selber Antisemit ist

Ich, da kann ich auch nur für mich sprechen (äh schreiben), argumentiere nicht so. Es gibt viele Gründe familiär gesellschaftlich, manche MEnschen brauchen vielleicht gar keinen. Aber es können beispielsweise wirtschafliche Gründe  sein. Viele unserer „Kunden“ entstammen der (mittleren/unteren) Mittelschicht. Nach Forschungen des DIW nimmt diese seit ca. 2000 ab (1).

(Warum wohl? Hartz IV, Liberalisierung ect. pp. → SPD bedeutet links blinken und rechts abbiegen, Aber das ist eine andere Geschichte...)

Warum Nazi
Die NSDAP schöpfte ihr Wählerpotential aus dem Block die Nichtwähler. So schnitt die NSDAP in Gebieten, mit einem hohen Anteil von Arbeitern in Industrie und Handwerksbetrieben schlechter, mit einem relativ hohen Anteil an Land- und Forstarbeitern besser ab (2). Andererseits wählten in Gebieten mit viel KPD-Stimmen  die Angehörigen der Mittelschicht in verstärktem Maße die NSDAP (ebd.).  Dies könnte die Anfälligkeit der „politisch-konfessionell nicht gebundenen“ Mittelschichten erklären. Allerdings gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Teil bestimmte Arbeitergruppen ihre Stimme für die NSDAP abgegeben haben (ebd.).
(eine weitere Analyse erspare ich uns mal, aber ich habs ja verlinkt)

Im übrigen: Seit wann brauchen Menschen, insbesondere Akademiker, einen nachvollziehbaren Grund?

Nicht unbedingt braucht man einen Grund(sonst gäbe es keine Morde im Affekt ect.). Es können ja wirtschaftliche Gründe sein (s.o.), antimodernismus ect.

Gesellschaftliche Grunde für den Antisemitismus im Kaiserreich
Bereits im Kaiserreich kam es zu wirtschaftlichen Spannungen (Gründerkrach des Jahres 1873). Der nun auftretende Antisemitismus war eine Protestbewegung all jener, die beunruhigt durch zunehmende die Modernisierung des gesellschaftlichen Leben waren. Sie bezeichneten jeden als „Juden“ oder als „jüdisch“ was ihren antimodernistischen Vorstellungen widersprach (3 S.7 ff.).

Gleichzeitig verband sich der Antisemitismus mit dem Imperialismus und Nationalismus (3 S.7 ff.). Nach seiner Hochphase in den 1890 Jahren (nur 2% der Stimmen konnten die antisemitischen Parteien erreichen), zerfiel dieser in Politiksekten wobei (4 S. 88 ff.).

Konservative und Nazis
Zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik waren viele Konservative wie Ernst Jünger, Edgar Julius Jung, Jörg Lanz von Liebenfels, Wilhelm Stapel, Theodor Fritsch, August Winnig, Willibald Hentschel oder Carl Schmitt bekannten sich zumindest in einer Phase ihres Wirkens mehr oder weniger offen zu rassistischem und antisemitischem Gedankengut.

Viele Konservative lehnten den Nationalsoziallismus nicht a priori ab,  betrachteten diesen als ein nützliches, später zu beseitigendes Werkzeug zur praktischen Umsetzung ihrer Vorstellungen. Vielleciht ist das ja ein Grund für diesen "Akademiker" sich für diesen Mist starkzumachen.

Die Reaktionen der Konservativen auf die nationalsozialistische Machtübernahme reichten von Zustimmung über „Rückzug ins Privatleben“ oder Protest. Hitler andererseits verachtete die Konservativen als unmodern.

Voltaire ein Holocaustleugner
Nun - wäre denn Voltaire einer?
 
Das Beispiel ist gelinde gesagt deplaciert.

Wäre Voltaire heute ein Relativist?

Voltaire lebte im 18. Jahrhundert.

Vielleicht irre ich mich ja, aber hat zu seinen Lebzeiten ein fabrikmäßigen (oder besser gesagt manufakturmäßigen), staatlich gesteuerter Massenmord stattgefunden, wozu er Stellung beziehen konnte?

Aber es gab die Sklaverei!
Voltaire bezog Stellung in der  l’Encyclopédie (unter dem Stichwort „Esclaves“) dezidiert kritische Äußerungen zur Sklaverei (5).
Auch den Krieg des Spartacus (ein Sklavenaufstand bei den Römern) nannte er gerecht, wenn nicht sogar den einzigen gerechten Krieg (6).

Voltaire ein Antisemit oder Antijudaist?
Voltaire sprach von in der Dictionaire philosophique von den Juden unter anderem als „das abscheulichste Volk der Erde“.

Andererseits lehnte Voltaire die mittelalterliche Verfolgung von Juden ab. Insbesondere die christlichen Motive der Judenverfolgung wies er scharf zurück.

Also war Voltaire antichristlich?

Aber korrigiere mich da, waren nicht wichtige Kennzeichen der Aufklärung :
1. Berufung auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz (bei  :mhk: und der NPD zweifelsfrei gegeben),
2. der Kampf gegen Vorurteile (gerade  :tta: setzt sich ja dafür ein!),
3. die Hinwendung zu den Naturwissenschaften (ich sag nur Schauberger!! Axel Stoll "Implosionstechnologie!" ),
4. das Plädoyer für religiöse Toleranz

Man kann Voltaires Aussagen zu den Juden (er meinte eher das Judentum)  so auffassen, das die Gebote der monotheistischen Religionen in vollständigem Gegensatz zu den Idealen und Zielen der Aufklärung, Toleranz und Rationalismus stehen.

Also wenn wäre Voltaire ein Feind der (religiösen) Intoleranz und damit antichristlich, antijudaistisch und antiislamisch! Aber das ist wie oben geschrieben: Diese Vergleich hinken alle das ist Quatsch mit brauner Soße.

Zum Schluß spekuliere ich mal: Er wäre wahrscheinlich Intolerant gebenüber der Intoleranz!
Es soll gut sein. Das kann nicht beweisen oder widerlegt werden.

Literatur

(1)   Joachim R. Frick und Markus M. Grabka: Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland . In: Wochenbericht des DIW
(2)   Peter Borowsky Wer wählte Hitler und warum ? Ein Bericht über neuere Analysen der Wahlergebnisse 1928 bis 1933
(3)   Daniela Kasischke-Wurm Antisemitismus im Spiegel der Hamburger Presse während des Kaiserreichsh 1884-1914
(4)   Christina von Braun Das "bewegliche" Vorurteil Aspekte des internationalen Antisemitismus
(5)   Questions sur l’Encyclopédie, Cinquième Partie, Cramer, Genf 1771, S. 292 ff.; online.
(6)   Correspondance générale, 461-3

Um mit einem anderen Aufklärer (den finde ich besser) zu schliessen: Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
« Letzte Änderung: 23. Oktober 2014, 22:08:36 von physik durch wollen »
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Offline Natan

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #17 am: 23. Oktober 2014, 22:07:43 »
Wir haben das Thema Holocaust in der Schule innerhalb 2 Schulstunden durchgenommen, anschließend
noch ein Besuch in einem KZ und das wars dann schon. Davon dass man das Thema in Deutschland aufgedrückt
bekommt wie einige behaupten, kann keine Rede sein. (Meistens ist das rechtes Propagandagerede)
Das ganze scheint aber sowieso Schulabhängig und Abhängig
des Bundeslandes zu sein, wie es leider das ganze Bildungssystem in Deutschland ist.
Dass "nur" knapp 50% der Juden damals in Gaskammern oder Gaswagen starben, lernt man sowieso nicht in der
Schule. Von hinter der Front judenjagender Einsatzgruppen mal gar nicht zu sprechen.

Wer sich nicht explizit mit dem Thema beschäftigt, und empfänglich für rechte Propaganda ist, kann schnell
mal in die Fänge der Neo-Nazis bzw. der (Internet)-Propaganda geraten. Tatsächlich gibt es kaum ein geschichtliches Ereignis über das soviele Daten und Details vorhanden sind. Die Beweislast ist geradezu erdrückend. Mir ist kein beteiligter Nazi bekannt der den Judenmord geleugnet hat.

PS: Ich beschäftige mich nebenbei schon länger mit diesem Thema
 
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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #18 am: 23. Oktober 2014, 22:33:15 »
Der Aufstieg der eigentlichen Kleinpartei NSDAP ist meiner Meinung ausschließlich der Person Adolf Hitler zuzuschreiben.
Der wahnhafte Adolf Hitler hat sein Jahrhunderttalent genutzt und das Volk geködert und an der Nase rumgeführt.
Zusätzlich hat er Feinde (Juden, Kommunisten) benannt und direkte Lösungsansätze für ein einfaches nationaldenkendes
Volk geboten um der Schmach der Weltkriegniederlage zu trotzen. Weiterhin hat er fremde Ideen als eigene
ausgegeben und mit einfachen Maßnahmen die Arbeitslosigkeit (zumindest auf dem Papier) gesenkt.
Die Staatspropaganda und der Kult um seine Person taten ihr Übriges. Der Antisemitismus war zwar immer
da in Deutschland, aber den nationalsozialistischen Judenhass musste man den Deutschen trotzdem ersteinmal über Jahre
antrainieren. Dem nationalsozialistischem Wahn konnte man nur mit Bomben ein Ende setzen.

Adolf Hitler war eine Tragödie für Deutschland und man sollte als normaldenkender Mensch den Alliierten, besonders erstmal den Sowjets, später dann den Westalliierten dankbar sein, heute nicht in einem nationalsozialistischem System leben (wenn man überhaupt leben würde) zu müssen.
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Offline Salvatore Dalli

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #19 am: 23. Oktober 2014, 22:47:38 »

bekommt wie einige behaupten, kann keine Rede sein. (Meistens ist das rechtes Propagandagerede)
Das ganze scheint aber sowieso Schulabhängig und Abhängig
des Bundeslandes zu sein, wie es leider das ganze Bildungssystem in Deutschland ist.

Das Thema Drittes Reich als solches bekommt man in der Tat zumindest hier bei uns (NRW) ziemlich stark aufs Auge gedrückt. Wir hatten damals in der 9. oder 10. Klasse Realschule dieses Thema parallel in Geschichte, Politik und Deutsch. In Ersterem haben wir uns mit der Gesellschaft beschäftigt bzw. mit der Wahl Hitlers. Mit dem zweiten Weltkrieg und dem Holocaust hat man sich so gut wie gar nicht befasst, stattdessen sprang man noch kurz in die europäische Integration - Gleiches habe ich übrigens auch später in der Abendschule erlebt, obwohl der Geschichtsunterricht qualitativ deutlich besser war. In Politik beschäftigten wir uns jedenfalls mit Hitlerreden und in Letzterem das Buch "Damals war es Friederich" gelesen und analysiert. KZ-Besuche haben wir leider nicht gemacht, ist aber wohl auch von Schule zu Schule verschieden. Eine Nachbarschule dagegen hat tatsächlich Ausflüge nach Auschwitz unternommen.
 

Offline physik durch wollen

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #20 am: 23. Oktober 2014, 22:52:54 »
Mein Elaborat bezog sich auf meine letzte Antwort auf diese Aussage von Sannmännchen:
Da kommt es für mich jetzt sehr auf den Kontext an. Man kann sich durchaus angemessen darüber unterhalten, ob das Verbot, den Holocaust zu leugnen, in unsere Rechtsordnung paßt, es ist schon ein ziemlicher Sonderfall.
bzw. seinen zweiten Post.

Der Aufstieg der eigentlichen Kleinpartei NSDAP ist meiner Meinung ausschließlich der Person Adolf Hitler zuzuschreiben.
Eine Diskussion wie warum und wodurch Hitler an die mMacht kam. Diese sollten lieber Fachleute (vulgo Historiker) führen, dies würde den Rahmen dieses Forums sprengen...
Ich wollte nur darauf hinweisen, das Begriffe wie "Neue Rechte" (stammt von 1890) oder warum  diese Leute bestimmte Sachen machen, aus der Geschichte erklärt werden kann.

Um mal Samuel Clemens zu zitieren: "Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich."

Salvatore: Der beste Geschichtsunterricht wäre nicht Anne Frank, Auschwitz und das ganze  Gedöns. Sondern was passierte hier vor Ort in diesen Jahren, welche Geschäfte hatten mal jüdische Vorbesitzer. Im Novemeber 1988 (oh gott ist das lang her...) bin ich durch die Stadt gelaufen wo damals lebte und es war interessant wieviel Geschäfte ihr 50-Jähriges Jubileum feierten...

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Offline Natan

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #21 am: 23. Oktober 2014, 22:59:04 »

bekommt wie einige behaupten, kann keine Rede sein. (Meistens ist das rechtes Propagandagerede)
Das ganze scheint aber sowieso Schulabhängig und Abhängig
des Bundeslandes zu sein, wie es leider das ganze Bildungssystem in Deutschland ist.

Das Thema Drittes Reich als solches bekommt man in der Tat zumindest hier bei uns (NRW) ziemlich stark aufs Auge gedrückt. Wir hatten damals in der 9. oder 10. Klasse Realschule dieses Thema parallel in Geschichte, Politik und Deutsch. In Ersterem haben wir uns mit der Gesellschaft beschäftigt bzw. mit der Wahl Hitlers. Mit dem zweiten Weltkrieg und dem Holocaust hat man sich so gut wie gar nicht befasst, stattdessen sprang man noch kurz in die europäische Integration - Gleiches habe ich übrigens auch später in der Abendschule erlebt, obwohl der Geschichtsunterricht qualitativ deutlich besser war. In Politik beschäftigten wir uns jedenfalls mit Hitlerreden und in Letzterem das Buch "Damals war es Friederich" gelesen und analysiert. KZ-Besuche haben wir leider nicht gemacht, ist aber wohl auch von Schule zu Schule verschieden. Eine Nachbarschule dagegen hat tatsächlich Ausflüge nach Auschwitz unternommen.

Das ist alles wie gesagt von Schule, Schulform und Bundesland und auch Lehrer und natürlich Schulzeit abhängig, welcher Lehrstoff unterrichtet wird.
Die einen machen das Thema Nationalsozialismus bis es den Schülern aus dem Hals rauskommt, die anderen schneiden das Thema nur grob an. Dafür haben wir damals alleine 2 Jahre Römer und Ägypter gemacht. Mauerfall kam übrigens gar nicht mehr dran.

KZ ist auch davon abhängig wo man zur Schule geht (Stichtwort Entfernung bzw. Aufwand) und außerdem ist KZ nicht KZ und schon gar nicht mit einem Vernichtungslager & KZ wie Ausschwitz zu vergleichen. Wir waren damals im KZ Natzweiler-Struthof, allerdings ohne die Gaskammer (die etwas außerhalb liegt) zu sehen. Anschließend noch im schönen Straßburg. Wir waren übrigens auch in Verdun, hatten also da Glück gehabt.
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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #22 am: 23. Oktober 2014, 23:01:09 »
Eine Diskussion wie warum und wodurch Hitler an die mMacht kam. Diese sollten lieber Fachleute (vulgo Historiker) führen, dies würde den Rahmen dieses Forums sprengen...

Da hast Du wahrscheinlich recht. Aber die meisten Beiträge könnten in das Diskussionsforum verlegt werden.
Wenn es dann überbordet kann man den Thread ja immer noch schließen. Wäre das okay?
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Offline BlueOcean

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #23 am: 24. Oktober 2014, 12:32:19 »
Man darf nicht vergessen, dass rassistische Thesen zu Beginn der zwanzigsten Jahrhunderts weit verbreitet waren und von den meisten gesellschaftlichen Kreisen hellhäutiger Bevölkerungen als eine sich entwickelnde Wissenschaft betrachtet wurden. Es war damals "gesunder Menschenverstand" und "Stand der Wissenschaft" z.B. die vielen Völker Afrikas grundsätzlich als "die Neger" in einen Topf zu werfen und als in keinem Fall gleichwertige Menschen zu betrachten. Die "wissenschaftlichen" Diskussionen und Forschungen der Zeit drehten sich dann darum, ob sie nun als minderbemittelt, unterentwickelt oder degeneriert anzusehen wären.
Und auch innerhalb von Bevölkerungen wurde versucht Menschen nach äußeren Merkmalen zu klassifizieren und diese mit bestimmten Eigenschaften und Fähigkeiten oder Schwächen zu verknüpfen und zu korrelieren. Althergebrachte Vorurteile und Tatsachen, die durch die Umgebung oder die Gesellschaftsstruktur bedingt waren, wurden fälschlich als Merkmale einer Rasse oder Klasse gedeutet und auf eine damals als wissenschaftlich verstandene Art und Weise festgesetzt.
Vieles davon entsprach den heute nur von randständigen Ideologen kolportierten "Naturgesetzen", die z.B. auch in den Geschlechtern so elementare Unterschiede zu erkennen meinen, dass die Gleichsetzung von Frau und Mann vollkommen unsinnig sei. Und etliche sonst durchaus kluge Menschen haben zu den Themen damals entsetzlich dummes Zeug geredet.

Uns selbstverständliche Postulate wie die allgemeinen Menschenrechte mit der universalen Gleichberechtigung aller Menschen wären den meisten Genossen jener Zeit völlig unsinnig und widernatürlich erschienen. So ähnlich als ob heute jemand fordern würde, die Menschheit in allen Belangen und mit allen Konsequenzen auf eine Stufe mit den Aalen zu stellen.

Es war auch eine Sturm- und Drangzeit vieler Naturwissenschaften, die sich damals erst richtig etabliert haben. Und viele neue Erkenntnisse wurden dann auch politisch umgemünzt oder herzhaft missverstanden. Mendels Vererbungslehre und einige Entdeckungen des viel befehdeten Darwin wurden ausgerechnet von den größten Kritikern in pervertierter Form zum angeblichen Fundament vieler Rassenlehren und Ideologien gemacht.
Die Idee des "Survival of the fittest" (wofür ich im Deutschen nur den Begriff "Gesetz des Dschungels" kenne) ist in grotesker Übertreibung und mit der einhergehenden Angst nicht ausreichend fit genug zu sein die Wurzel unzähliger Ideologien, die eine bestimmte Gruppe von Menschen über andere stellen, und die Rechtfertigung dafür einen Kampf gegen die anderen zu führen, weil dieser ohnehin als unausweichlich angesehen wird bzw. in der Vorstellung der Ideologen sowieso schon geführt wird.

Der Herr aus Braunau war diesbezüglich Kind seiner Zeit und hat solche Ideologien wohl vor allem in Wien eingeatmet, wo es lang anhaltende Auseinandersetzungen über den Umgang mit Juden gab. Wobei die Juden in Wien eine heterogene Gruppe waren, die von integrierten alteingesessenen einflussreichen Familien bis zu ungebildeten Einwanderern "aus Galizien" reichte, die in ihrer Menge das Bild der Stadt veränderten. Meiner Meinung nach hat sich Hitler einiges von Karl Lueger abgeschaut, der als hochangesehener und erfolgreicher Bürgermeister seine Wahlen mit lautstarkem Antisemitismus gewonnen hat. Nur ist Hitler das Detail entgangen, dass Lueger kein Problem damit hatte, Juden in hochrangigen Positionen zu halten oder sogar zu befördern und auf diesbezügliche Kritik ganz non-chalant zu antworten "Wer Jude ist, bestimme ich."
Hitler wurde ein talentierter Redner und ein demagogischer Menschenfänger. Und er entpuppte sich als begabter Machtpolitiker, der viele auszubooten vermochte, die ihn vorher unterschätzt hatten. Aber trotzdem meine ich, dass seine Erfolge weniger an einem "Jahrhunderttalent" von ihm gelegen haben, sondern dass er vielmehr der rechte Mann zur rechten Zeit war und in seiner Karriere mehrfach ein "Jahrhundertglück" hatte, das zum epochalen Unglück gleich mehrerer Generationen vieler Völker und Länder werden sollte.
Hitler war ein Spieler, wie er selbst mal entlarvend zugegeben hat. Und er hatte ein paar ausgeprägt psychopathische Züge, die ihn dazu veranlassten vollkommen unmenschliche Folgerungen aus seiner im Grunde simpel gestrickten Ideologie zu ziehen und in die Tat umzusetzen. In einem millionenfachen Massenmord die logische Konsequenz einer "Weltanschauung" zu sehen und diesen tatsächlich durchzuführen, ist nur ihm und seinen vielen Helfern und Helfershelfern zuzuschreiben.
Dafür die Stichwortgeber und die vielen "Schreibtisch-Rassisten", die es vor ihm gab, in Mithaftung zu nehmen, ist aus meiner Sicht nur eingeschränkt richtig. Himmler hat mal in seiner furchtbaren Rede treffend beschrieben wie himmelweit groß der Unterschied zwischen verbalem rassistischen Geschrei und der Realität einer Massenmordindustrie ist.

Den Rassisten und Ideologen vor Hitler kann man vorwerfen, dass ihre Ideen Hitlers mörderischen Irrsinn initiiert und dazu beigetragen haben - auch wenn sie das nicht beabsichtigt haben oder es selbst als verheerend ansehen.

Den Rassisten und Ideologen nach Hitler ist aber viel mehr vorzuwerfen! Sie können sich auf keinerlei Zeitgeist oder Wissenschaft berufen. Sie wissen definitiv um die massenmörderische Gefährlichkeit solcher Ideen. Sie stellen sich durchaus bewusst in die Schuhe des Postkartenmalers aus Braunau und müssen sich diese Kritik gefallen lassen.
"Teurer als die bittere Wahrheit ist uns der erhabene Wahn." (Alexander Puschkin)
 
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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #24 am: 24. Oktober 2014, 12:50:13 »

Die Idee des "Survival of the fittest" (wofür ich im Deutschen nur den Begriff "Gesetz des Dschungels" kenne) ist in grotesker Übertreibung und mit der einhergehenden Angst nicht ausreichend fit genug zu sein die Wurzel unzähliger Ideologien...

Kleine Ergänzung: Es war nicht nur groteske Übertreibung sondern auch falsch übersetzt. Das englische fit bedeutet passend/geeignet. Er schrieb von den anpassungsfähigsten, nicht den (körperlich) stärksten.
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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #25 am: 24. Oktober 2014, 18:13:15 »
Aber trotzdem meine ich, dass seine Erfolge weniger an einem "Jahrhunderttalent" von ihm gelegen haben, sondern dass er vielmehr der rechte Mann zur rechten Zeit war und in seiner Karriere mehrfach ein "Jahrhundertglück" hatte, das zum epochalen Unglück gleich mehrerer Generationen vieler Völker und Länder werden sollte.
Absolute Zustimmung! Ich möchte hinzufügen, dass meiner Meinung nach der Untergang der Weimarerrepublik nicht allein Hitler geschuldet war. Sondern das es niemanden mehr gab, der die Republik verteidigen wollte. (Ermächtigungsgesetz)
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Offline Salvatore Dalli

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #26 am: 24. Oktober 2014, 21:43:21 »
Ich möchte hinzufügen, dass meiner Meinung nach der Untergang der Weimarerrepublik nicht allein Hitler geschuldet war. Sondern das es niemanden mehr gab, der die Republik verteidigen wollte. (Ermächtigungsgesetz)

Da sind auch viele Historiker auf deiner Seite. Das stand sogar bei uns im Geschichtsbuch. Fast sogar wörtlich so. Die Weimarer Republik hatte nunmal einen schweren Stand. Die SPD galt Dank Dolchstoßlegende als Verräter, die Menschen hatten keinen Bock auf Demokratie und Versailles. Es war ja nicht Hitler allein, der einen militärischen / faschistischen Staat haben wollte. Die Idee ging schon auf Hindenburg und Ludendorff zurück. Militante Fraktionen waren in der WR ziemlich im Kommen, siehe etwa Bayern, eine Hochburg der Braunen. Dann noch Artikel 48... es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis alles den Bach runterging und / oder es zum Putsch durch Militaristen kam. Hitler war - und das ist das besonders Beschissene daran - das Worst Case Scenario. Ohne ihn hätte es den Holocaust wahrscheinlich nicht gegeben, schon gar nicht in der uns bekannten Form. Zwar würden wir heute vermutlich noch verstärkt unter Antisemitismus leiden, aber das wäre rückblickend in jedem Falle besser als 6 Millionen Tote + all die Kriegsopfer auf allen Seiten.

Aber lasst uns nicht in irgendwelche Was-Wäre-Wenn Diskussionen verfallen. Die sind zwar ziemlich interessant (meiner Meinung nach), aber auch sehr anstrengend. Und natürlich sinnlos.
 

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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #27 am: 25. Oktober 2014, 12:49:37 »
Tatsache ist ja, dass ab 1932 NSDAP und KPD zusammen im Reichstag die absolute Mehrheit hatten. Eine Regierung ohne Radikale mit parlamentarischer Mehrheit war also gar nicht mehr möglich. Dazu trugen natürlich die chaotischen wirtschaftlichen Verhältnisse bei.

Aber insgesamt waren die 30er Jahre überhaupt keine gute Zeit für Demokratie und Vernunft. In welchem wichtigen Land außer in Großbritannien gab es eine funktionierende Demokratie? In Skandinavien vielleicht aber Deutschland ... Spanien ... Italien ... eins trauriger als das andere.
 
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Offline A.R.Schkrampe

Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #28 am: 26. Oktober 2014, 01:20:40 »
KZ ist auch davon abhängig wo man zur Schule geht (Stichtwort Entfernung bzw. Aufwand) und außerdem ist KZ nicht KZ und schon gar nicht mit einem Vernichtungslager & KZ wie Ausschwitz zu vergleichen. Wir waren damals im KZ Natzweiler-Struthof, allerdings ohne die Gaskammer (die etwas außerhalb liegt) zu sehen. Anschließend noch im schönen Straßburg. Wir waren übrigens auch in Verdun, hatten also da Glück gehabt.

Wer mag, soll es ungehörig finden, aber ich stehe offen dazu, nach einem KZ-Besuch für politisch inkorrekte (Miß-?)(Zwischen-?)Töne gesorgt zu haben. Weil ich sonst erstickt wäre. Ich würde es heute noch genau so machen.
Es begab sich im späten 1988 nach dem Besuch des KZ Buchenwald im Rahmen unserer Oberstufen-Studienreise in die DDR. Hierzu gehörte nach dem besagten Besuch das obligatorische Gespräch mit einem KZ-Überlebenden. Nach ergreifenden und erschütternden Schilderungen kippte der Vortrag des älteren Herrn -selbstverständlich handelte es sich um einen linientreuen SED-Genossen- in eine Lobhudelei des DDR-Antifaschismus und der Anprangerung der Verdrängung in der "BRD".
Da mußte ich das erste Mal ruhig atmen. Als die Vorwürfe uns Wessis, bzw. unserem Regime gegenüber vehementer -und absurder- wurden, konnte ich mich nicht mehr an mich halten und konterte unter Bezugnahme auf die Weiterführung durch den NKWD ( http://de.wikipedia.org/wiki/Speziallager_Nr._2_Buchenwald ) und stellte entsprechend präzise Fragen, u.a. auf http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_George * bezogen.
Nachdem bei den Anwesenden Schocksekunde und Überwindung eigener ideologischer Beharrungspunkte (mein Gemeinschaftskunde-Leistungskurs bestand aus zwei Anarchisten, zwei Linksradikalen, einem Rechtsradikalen, einem Behäbig-Konservativen, einer Mitte-Links-Demokratin, einem Türken, einem doppelnamentragendem tiefgrünen Lehrer und eben mir) überwunden waren, erhielt ich verhaltene flankierende Unterstützung. Nach ein bißchen immer aggressiver werdendem Hin-und-Her-Geplänkel kam es zu einem resigniert-wutschnaubenden "Ja, das Lager wurde von den Russen weitergeführt" des KZ-Überlebenden.
Warum nicht gleich so? Warum der entwürdigende ideologische Eiertanz zuvor?

 
Eine weiteres KZ-Erlebnis nachgeschoben. KZ Sachsenhausen.
Dieses besuchten meine Ex-Freundin und Jetzt-Gemahlin am Silvestertag 2000. Erschütternd aus vielerlei Gründen, bedrückend aus genausoviel Gründen - aber dann wurde ich wieder sauer. Richtig sauer. In Baracke 4. Wegen Baracke 4. @die Berliner und Berlin-Umländer hier: ist die immer noch so gestaltet? Dann wißt Ihr, warum.
@für die Anderen: die Baracke 4 war anno 2000 unverändert dem -im DDR-Sinne natürlich- antifaschistischen Widerstandskampf gewidmet. Hehren Kommunisten natürlich. Verlogen, geschichtsklitternd, unwahr, unerträglich für jeden Demokraten. Warum? Warum hat die damals schon vorhandene bundeseigene Stiftung nicht vernünftig und korrekt aufgeräumt? Verstehe ich nicht.

*Erst jetzt, fast 26 Jahre später, beim Schreiben dieser Zeilen, stelle ich fest, daß ich diesbezüglich Buchenwald und Sachsenhausen verwechselt habe  :-[



P.S. Zurück zu dem Anlaß des Threads, dem geplanten Happening in WIT. Gedenkt jemand der sich hier tummelnden Persönlichkeiten, dort Spannemann und SSL-Zitatesammler zu machen? Wenn dies möglich sein sollte, würde ich mich dazu bereit erklären. Sofern nicht wieder Urlaubspläne dazwischenkommen. Und gerne in der Hoffnung auf ein kleines SSL-Usertreffen.
Denn: lieber mit der Hand an Titten nippeln als zu Fuß nach Witten tippeln.


Noch'n P.S.: Anfang 1989 kam in einer "Kennzeichen D"-Sendung ein Bericht über einer Klassenfahrt in die DDR. Wiedergegeben wurden die Diskussionen der Schülergruppe mit einer Reiseleiterin namens Anja. Es kam dazu, daß Anja ob des aggressiv-westlichen Auftretens der West-Schüler in Tränen ausbrach "Ich liebe meinen Staat!" etc.
Es war dieselbe Anja, die wenige Wochen zuvor unsere Reiseleiterin war.
Wir -ja, auch ich- kamen mit ihr gut zurecht, hatten Spaß und haben zusammen ordentlich mehrere getrunken. Aber niemand von uns, noch nicht einmal die linksradikalen Klassenkameraden oder der naiv-knallgrüne Lehrer, machten sich Illusionen darüber, in wessen Diensten sie stand und wem sie über uns später Berichte und Einschätzungen ablieferte.



Salvatore: Der beste Geschichtsunterricht wäre nicht Anne Frank, Auschwitz und das ganze  Gedöns. Sondern was passierte hier vor Ort in diesen Jahren, welche Geschäfte hatten mal jüdische Vorbesitzer. Im Novemeber 1988 (oh gott ist das lang her...) bin ich durch die Stadt gelaufen wo damals lebte und es war interessant wieviel Geschäfte ihr 50-Jähriges Jubileum feierten...

Jetzt ist es zu spät, darüber eigene Recherchen anzustellen. Es lebt doch kaum noch jemand von denen, die damals alles, speziell die Reichskristallnacht mitbekommen haben. Das überlege ich gelegentlich vor mich hin, "Was geschah hier zu der Zeit?".

Manchmal empfinde ich es als nachteilig oder gar belastend, so viel Interesse für Geschichte und Politik zu haben und soviel darüber gelesen zu haben. Genaugenommen bedingt dies an unzähligen Orten und zu unzähligen Gelegenheiten Streß. Gedanken wie "was geschah hier am .. .. ...." oder "wie viele Menschen starben hier zum Zeitpunkt xxx", im Extremfall "Was hat mein Opa, meine Oma hier zu der Zeit gemacht/erlebt?" ereilen mich nicht selten.
Klar, in Berlin oder bei Besuchen der Verwandten nahe der Seelower Höhen auf jeden Fall. Aber ebenso verfiel ich in bedrückt-grüblerische Stimmung in Verbindung mit umfassendem Rekapitulieren angelesener Historie, als ich an der Ostsee nahe Gdingen/Gdynia/Gotenhafen stand. Oder an der Weichselbrücke bei Dirschau. Oder bei der Zugfahrt Moskau-St-Petersburg. In St.Petersburg generell. Oder in Flandern wie Ypern und Umgebung. Selbst letzte Woche in London kamen diese Grüblereien hoch. Wenn ich mich in deutschen Innenstädten bewege, meist auch.
Grüblereien, denn Fragen stellen kann ich nicht mehr. Von der Generation meiner Großeltern und der meiner Frau lebt keiner mehr und meine Eltern sind mit Jahrgang 1942 und 1945 zu jung, um dazu etwas beisteuern zu können.

Es stimmt mich wirklich entspannt, daß ich weiß, daß sich auf keinem der Grundstücke, auf denen sich mein Haus, das meiner Eltern oder die meiner Familienangehörigen befinden, vor dem Bau der Häuser irgendetwas anderes außer Ackerbau oder Brachland abgespielt/befunden hat, bzw. daß sich das Haus meiner Ururgroßeltern bereits seit 1902 in Familienbesitz befindet.
Dagegen lassen mich Ereignisse, die keinen Bezug zu meiner Vergangenheit (bzw.der meiner Familie) haben, völlig emotionslos, sei es 9/11, der "Titanic"-Untergang oder die Schlacht von Culloden. Deren Örtlichkeiten wie "Ground Zero", das Titanic-Museum in Belfast und das Culloden Battlefied habe ich besucht - ohne persönliche Betroffenheit zu empfinden. Selbst der Tsunami 2004 berührt mich nicht so, obwohl wir drei Wochen zuvor in Thailand waren. Aber eben nicht dort, wo das passierte.
Eine Emotionslosigkeit, die zu Diskussionen mit meiner Frau führt, die sich über meine vermeintliche Gefühllosigkeit erregt. Sie wiederum war in Belfast wie auch Culloden -selbst im Glen Coe- emotional angespannt - und reagierte ungehalten, als ich ihr entgegnete "Was berühren Dich die toten Highlander, über deren Knochen wir hier in Culloden gerade laufen so? Damit hat keiner von uns was zu tun! Hast Du Dir mal Gedanken gemacht, wieviele Leute 1943 bis 1945 in dem Straßenblock umgekommen sind, in dem Du 30 Jahre später aufgewachsen bist? Hast Du bei Deinem Opa mal nachgebohrt, was er am 9.11.1938 erlebt hat? Oder später im Krieg? Oder möchtest Du Deiner Schwägerin auf den Zahn fühlen, was ihre Eltern als DDR-Lehrer so alles gemacht haben, wenn sie feindlich-negative Tendenzen in ihrer Schülerschaft bemerkt haben?"

Das macht alles nur negative Schwingungen, deswegen vermeide ich entsprechende Äußerungen. Grübeln tu' ich deswegen trotzdem still vor mich hin.
 
« Letzte Änderung: 26. Oktober 2014, 02:56:36 von A.R.Schkrampe »
 
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Re: 1. Alternativer Wissenskongress
« Antwort #29 am: 26. Oktober 2014, 02:29:50 »
Neben Überraschung war ein gewisser Elternstolz unverkennbar, als die Klasse ihre Überlegungen und Wünsche zu den Unternehmungen des kommenden Schuljahrs vortrug und als einen wichtigen von der ganzen Klasse gewünschten Punkt mit guten Argumenten vortrug, warum sie ein KZ besuchen wolle. Lehrer und Eltern blinzelten einander ziemlich erstaunt, beeindruckt und sehr wohlwollend zu.

Bis der überzeugende Vortrag der Schüler ausgesprochen war, der mit den Worten endete "und deswegen möchten wir in diesen Jahr ein KZ besuchen." Nur kam in danach folgenden Stille als ich schon ernsthaft mit erwachsenem Applaus rechnete der doch etwas undurchdachte Nachsatz "Ach so. Also, wenn es geht, aber bitte ein schönes."

Worauf nach der ersten Schreck- und Verständnissekunde seitens der Erwachsenen doch viele merkwürdige Laute zu hören und beeindruckend seltsame Mienenspiele zu beobachten waren. Irgend so etwas zwischen beschämten Stolz mit Zitrone, halb unterdrücktem Lachen, latentem Entsetzen und heilloser Hilflosigkeit.
"Teurer als die bittere Wahrheit ist uns der erhabene Wahn." (Alexander Puschkin)