KZ ist auch davon abhängig wo man zur Schule geht (Stichtwort Entfernung bzw. Aufwand) und außerdem ist KZ nicht KZ und schon gar nicht mit einem Vernichtungslager & KZ wie Ausschwitz zu vergleichen. Wir waren damals im KZ Natzweiler-Struthof, allerdings ohne die Gaskammer (die etwas außerhalb liegt) zu sehen. Anschließend noch im schönen Straßburg. Wir waren übrigens auch in Verdun, hatten also da Glück gehabt.
Wer mag, soll es ungehörig finden, aber ich stehe offen dazu, nach einem KZ-Besuch für politisch inkorrekte (Miß-?)(Zwischen-?)Töne gesorgt zu haben. Weil ich sonst erstickt wäre. Ich würde es heute noch genau so machen.
Es begab sich im späten 1988 nach dem Besuch des KZ Buchenwald im Rahmen unserer Oberstufen-Studienreise in die DDR. Hierzu gehörte nach dem besagten Besuch das obligatorische Gespräch mit einem KZ-Überlebenden. Nach ergreifenden und erschütternden Schilderungen kippte der Vortrag des älteren Herrn -selbstverständlich handelte es sich um einen linientreuen SED-Genossen- in eine Lobhudelei des DDR-Antifaschismus und der Anprangerung der Verdrängung in der "BRD".
Da mußte ich das erste Mal ruhig atmen. Als die Vorwürfe uns Wessis, bzw. unserem Regime gegenüber vehementer -und absurder- wurden, konnte ich mich nicht mehr an mich halten und konterte unter Bezugnahme auf die Weiterführung durch den NKWD (
http://de.wikipedia.org/wiki/Speziallager_Nr._2_Buchenwald ) und stellte entsprechend präzise Fragen, u.a. auf
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_George * bezogen.
Nachdem bei den Anwesenden Schocksekunde und Überwindung eigener ideologischer Beharrungspunkte (mein Gemeinschaftskunde-Leistungskurs bestand aus zwei Anarchisten, zwei Linksradikalen, einem Rechtsradikalen, einem Behäbig-Konservativen, einer Mitte-Links-Demokratin, einem Türken, einem doppelnamentragendem tiefgrünen Lehrer und eben mir) überwunden waren, erhielt ich verhaltene flankierende Unterstützung. Nach ein bißchen immer aggressiver werdendem Hin-und-Her-Geplänkel kam es zu einem resigniert-wutschnaubenden "Ja, das Lager wurde von den Russen weitergeführt" des KZ-Überlebenden.
Warum nicht gleich so? Warum der entwürdigende ideologische Eiertanz zuvor?
Eine weiteres KZ-Erlebnis nachgeschoben. KZ Sachsenhausen.
Dieses besuchten meine Ex-Freundin und Jetzt-Gemahlin am Silvestertag 2000. Erschütternd aus vielerlei Gründen, bedrückend aus genausoviel Gründen - aber dann wurde ich wieder sauer. Richtig sauer. In Baracke 4. Wegen Baracke 4. @die Berliner und Berlin-Umländer hier: ist die immer noch so gestaltet? Dann wißt Ihr, warum.
@für die Anderen: die Baracke 4 war anno 2000 unverändert dem -im DDR-Sinne natürlich- antifaschistischen Widerstandskampf gewidmet. Hehren Kommunisten natürlich. Verlogen, geschichtsklitternd, unwahr, unerträglich für jeden Demokraten. Warum? Warum hat die damals schon vorhandene bundeseigene Stiftung nicht vernünftig und korrekt aufgeräumt? Verstehe ich nicht.
*Erst jetzt, fast 26 Jahre später, beim Schreiben dieser Zeilen, stelle ich fest, daß ich diesbezüglich Buchenwald und Sachsenhausen verwechselt habe
P.S. Zurück zu dem Anlaß des Threads, dem geplanten Happening in WIT. Gedenkt jemand der sich hier tummelnden Persönlichkeiten, dort Spannemann und SSL-Zitatesammler zu machen? Wenn dies möglich sein sollte, würde ich mich dazu bereit erklären. Sofern nicht wieder Urlaubspläne dazwischenkommen. Und gerne in der Hoffnung auf ein kleines SSL-Usertreffen.
Denn: lieber mit der Hand an Titten nippeln als zu Fuß nach Witten tippeln.
Noch'n P.S.: Anfang 1989 kam in einer "Kennzeichen D"-Sendung ein Bericht über einer Klassenfahrt in die DDR. Wiedergegeben wurden die Diskussionen der Schülergruppe mit einer Reiseleiterin namens Anja. Es kam dazu, daß Anja ob des aggressiv-westlichen Auftretens der West-Schüler in Tränen ausbrach "Ich liebe meinen Staat!" etc.
Es war dieselbe Anja, die wenige Wochen zuvor unsere Reiseleiterin war.
Wir -ja, auch ich- kamen mit ihr gut zurecht, hatten Spaß und haben zusammen ordentlich mehrere getrunken. Aber niemand von uns, noch nicht einmal die linksradikalen Klassenkameraden oder der naiv-knallgrüne Lehrer, machten sich Illusionen darüber, in wessen Diensten sie stand und wem sie über uns später Berichte und Einschätzungen ablieferte.
Salvatore: Der beste Geschichtsunterricht wäre nicht Anne Frank, Auschwitz und das ganze Gedöns. Sondern was passierte hier vor Ort in diesen Jahren, welche Geschäfte hatten mal jüdische Vorbesitzer. Im Novemeber 1988 (oh gott ist das lang her...) bin ich durch die Stadt gelaufen wo damals lebte und es war interessant wieviel Geschäfte ihr 50-Jähriges Jubileum feierten...
Jetzt ist es zu spät, darüber eigene Recherchen anzustellen. Es lebt doch kaum noch jemand von denen, die damals alles, speziell die Reichskristallnacht mitbekommen haben. Das überlege ich gelegentlich vor mich hin, "Was geschah hier zu der Zeit?".
Manchmal empfinde ich es als nachteilig oder gar belastend, so viel Interesse für Geschichte und Politik zu haben und soviel darüber gelesen zu haben. Genaugenommen bedingt dies an unzähligen Orten und zu unzähligen Gelegenheiten Streß. Gedanken wie "was geschah hier am .. .. ...." oder "wie viele Menschen starben hier zum Zeitpunkt xxx", im Extremfall "Was hat mein Opa, meine Oma hier zu der Zeit gemacht/erlebt?" ereilen mich nicht selten.
Klar, in Berlin oder bei Besuchen der Verwandten nahe der Seelower Höhen auf jeden Fall. Aber ebenso verfiel ich in bedrückt-grüblerische Stimmung in Verbindung mit umfassendem Rekapitulieren angelesener Historie, als ich an der Ostsee nahe Gdingen/Gdynia/Gotenhafen stand. Oder an der Weichselbrücke bei Dirschau. Oder bei der Zugfahrt Moskau-St-Petersburg. In St.Petersburg generell. Oder in Flandern wie Ypern und Umgebung. Selbst letzte Woche in London kamen diese Grüblereien hoch. Wenn ich mich in deutschen Innenstädten bewege, meist auch.
Grüblereien, denn Fragen stellen kann ich nicht mehr. Von der Generation meiner Großeltern und der meiner Frau lebt keiner mehr und meine Eltern sind mit Jahrgang 1942 und 1945 zu jung, um dazu etwas beisteuern zu können.
Es stimmt mich wirklich entspannt, daß ich weiß, daß sich auf keinem der Grundstücke, auf denen sich mein Haus, das meiner Eltern oder die meiner Familienangehörigen befinden, vor dem Bau der Häuser irgendetwas anderes außer Ackerbau oder Brachland abgespielt/befunden hat, bzw. daß sich das Haus meiner Ururgroßeltern bereits seit 1902 in Familienbesitz befindet.
Dagegen lassen mich Ereignisse, die keinen Bezug zu meiner Vergangenheit (bzw.der meiner Familie) haben, völlig emotionslos, sei es 9/11, der "Titanic"-Untergang oder die Schlacht von Culloden. Deren Örtlichkeiten wie "Ground Zero", das Titanic-Museum in Belfast und das Culloden Battlefied habe ich besucht - ohne persönliche Betroffenheit zu empfinden. Selbst der Tsunami 2004 berührt mich nicht so, obwohl wir drei Wochen zuvor in Thailand waren. Aber eben nicht dort, wo das passierte.
Eine Emotionslosigkeit, die zu Diskussionen mit meiner Frau führt, die sich über meine vermeintliche Gefühllosigkeit erregt. Sie wiederum war in Belfast wie auch Culloden -selbst im Glen Coe- emotional angespannt - und reagierte ungehalten, als ich ihr entgegnete "Was berühren Dich die toten Highlander, über deren Knochen wir hier in Culloden gerade laufen so? Damit hat keiner von uns was zu tun! Hast Du Dir mal Gedanken gemacht, wieviele Leute 1943 bis 1945 in dem Straßenblock umgekommen sind, in dem Du 30 Jahre später aufgewachsen bist? Hast Du bei Deinem Opa mal nachgebohrt, was er am 9.11.1938 erlebt hat? Oder später im Krieg? Oder möchtest Du Deiner Schwägerin auf den Zahn fühlen, was ihre Eltern als DDR-Lehrer so alles gemacht haben, wenn sie feindlich-negative Tendenzen in ihrer Schülerschaft bemerkt haben?"
Das macht alles nur negative Schwingungen, deswegen vermeide ich entsprechende Äußerungen. Grübeln tu' ich deswegen trotzdem still vor mich hin.