Ganz viel Mimimi vom Landvolk:
Bauern beklagen: Wir werden völlig falsch dargestelltVier Landwirte aus Oberstadion waren in Biberach bei den Protesten dabei. Der Abbruch der Veranstaltung der Grünen sei nie das Ziel gewesen.
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Sie fühlen sich ungerecht behandelt - von der Politik, aber auch von den Medien. Die Proteste in Biberach beim politischen Aschermittwoch seien medial hochgepuscht worden, sagen vier Landwirte aus Oberstadion. Namentlich wollen die drei Männer und eine Frau nicht in der Zeitung genannt werden, bezeichnen sich als Winkelbauern.
Sie waren unter den Protestierenden beim Treffen der Grünen dabei, standen unter anderem vor den beiden Begleitfahrzeugen von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, als diese die Stadthalle verlassen wollten. Und sie sagen: „So wie wir dargestellt werden, als rechtsradikale Neonazis, das ist ein Problem.“
Bauern wollen Präsenz zeigen
Sie hätten die Ereignisse anders erlebt, als sie letztendlich dargestellt wurden. Am Morgen seien sie - etwa 15 Landwirte aus dem Winkel - bereits um 6.30 Uhr mit ihren Traktoren in die Biberacher Innenstadt gefahren. Das Ziel war dabei, in die Nähe der Stadthalle zu kommen. „Wir wollten Präsenz zeigen“, sagen sie.
Doch zu dem Zeitpunkt sei die Stadt schon so voll gewesen, dass sie nicht weiter vorangekommen seien. So seien sie schließlich ausgestiegen und hätten sich unter die anderen Landwirte gemischt. „Die Situation war wie immer“, erinnert sich einer von ihnen. Man habe zusammengestanden und sich ausgetauscht.
Begleitfahrzeuge standen schon am Morgen neben der Halle
Sie seien dann weiter zur Stadthalle gezogen und von dort weiter den Hügel Richtung Gigelberg hoch. Man habe nette Gespräche mit den Polizisten geführt, mit den „normalen Uniformierten“, wie sie sie nennen. „Da ist keine Hundertschaft gestanden“, sagen sie. Am Seiteneingang der Halle hätten bereits die beiden leeren Limousinen gestanden.
„Wir haben uns immer überlegt, warum parken die die Limousinen in so eine Falle rein“, sagen sie. Denn dass sie aus der Sackgasse nicht so schnell wegkommen könnten, sei für die Landwirte zu dem Zeitpunkt schon klar gewesen. „Das war eine bewusste Falle für uns“, sagt einer. Auch wenn der Theorie nicht alle von ihnen zustimmen.
Landwirte geben der Polizei Schuld an der Eskalation
Schließlich sei Bewegung in die Sache gekommen, als die Limousinen losfahren wollten. „Wir sind einfach vor den Limousinen stehen geblieben“, sagen die Winkelbauern. „Keiner hat irgendjemanden blockiert, sondern wir standen einfach nur.“ Auch das Sicherheitspersonal sei ganz entspannt gewesen. „Die Fahrer hatten nicht mal die Tür verriegelt, sind manchmal ausgestiegen. So verhält man sich nicht, wenn man Angst hat“, sagen sie.
Hupen habe man dabei gehabt, man habe schließlich auf sich aufmerksam machen wollen. Als das Sicherheitspersonal gemerkt habe, dass die Menge sie nicht durchlässt, seien irgendwann schwarz gekleidete Polizisten mit Schlagstöcken aufgetaucht. Wenige Tage nach den Vorkommnissen in Biberach sagen sie: „Eskaliert ist es erst, als die Einsatzkräfte kamen.“
Die Demonstrierenden hätten schon „geschoben“, aber nicht mit Fäusten agiert, sagen die Landwirte. „Wir wollten da halt nicht weg.“ Als die Einsatzkräfte auf die Menge zugegangen seien, sei man schon zusammengerückt. Schließlich war das Ziel, die Autos nicht wegzulassen.
Schlagstöcke und Pfefferspray seien unverhältnismäßig gewesen
Es sei unverhältnismäßig gewesen, dass die Polizei Schlagstöcke einsetzte, um die Menge zurückzutreiben. „Die haben auch gar nicht versucht, mit uns zu reden“, sagen die Bauern aus Oberstadion. Eine Rauchbombe hätten sie zwar gesehen, aber außer dem Meterstab - der seit einigen Tagen für Aufsehen sorgt, weil er eine Scheibe des Autos eingeschlagen haben soll - sei nichts geflogen.
Auch der Einsatz von Pfefferspray sei unverhältnismäßig gewesen. „Die haben einfach in die Menge reingesprüht, egal, wen sie treffen“, sagen die Bauern heute. Einer von ihnen habe es direkt abgekriegt: „Ich war blind wie ein Maulwurf.“ Mit Hilfe von zwei Frauen sei er auf die Seite gebracht worden, aus der Stadthalle habe ihm jemand eine kleine Flasche Wasser gebracht. Schließlich sei er ins Krankenhaus gebracht worden. Die Autos hätten vorher wegfahren können, sind die Landwirte überzeugt. So habe man geradezu ein Aufeinandertreffen provoziert.
Demo am Gigelberg sei zu weit weg gewesen
Die Videos, die im Internet kursieren, kennen sie alle. Ihrer Meinung nach zeigen sie die einseitige Brutalität der Einsatzkräfte - auch wenn der zweite Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Ehingen-Ulm, Hanns Roggenkamp, in der vergangenen Woche noch gemahnt hatte, die Situation und Videos von allen Blickwinkeln aus zu betrachten.
Auch bei der Demonstration am Gigelberg oben seien die Winkelbauern kurz gewesen. Die Wahl des Veranstaltungsortes bezeichnen sie als „ein abgekartetes Spiel“. Denn dort seien die Bauern weit weg von den Grünen Politikern in der Stadthalle gewesen. Für sie deshalb sei von vornherein klar gewesen: „Wir wollten unten an die Halle.“ Auch wenn dort keine Versammlung angemeldet gewesen war: „Das ist doch eine öffentliche Veranstaltung.“ Man habe den Grünen zeigen wollen, dass man mit der Politik nicht zufrieden ist. Am Gigelberg wäre das nicht gegangen, sind sie überzeugt.
Abbruch der Veranstaltung sei nie das Ziel gewesen
Dass sie vor dem Eingang der Stadthalle vielleicht auch den ein oder anderen Besucher des Politischen Aschermittwochs behindert oder verunsichert haben könnten, sehen sie nicht. Die Leute seien zum Eingang der Halle durchgelassen worden. Dass manche durch den Anblick ein bisschen verängstigt sein könnten, sei verständlich. Es habe aber keinen Grund dafür gegeben.
Der Abbruch der Veranstaltung sei nie das Ziel gewesen, sagen die Winkelbauern. „Ich fand es schade, dass die Veranstaltung abgesagt wurde.“ Sie hätten auch gern den ein oder anderen Politiker gesehen, wenn möglich auch mit ihm geredet. Klar seien die Grünen mit ihrer Politik das größte Feindbild, sagen die Landwirte aus Oberstadion. „Wenn SPD oder CDU da gewesen wären, hätten wir auch demonstriert“, sind sie überzeugt. „Wir sagen nicht: Die Ampel muss weg. Wir wollen einfach einen Politikwechsel.“
Wochenlang habe man Ortsschilder umgedreht, Gummistiefel aufgehängt, den Verkehr lahmgelegt und demonstriert. Nie habe man ihnen richtig zugehört. Jetzt werde eine halbe Stunde in Biberach so aufgebauscht zu etwas, das es nicht sei. „Und jetzt sind alle gewalttätig und rechtsradikal.“ Klar hätte auch jemand einen Strohballen angezündet und Mist abgeladen. Aber das seien nicht sie gewesen. Sie sagen deshalb: „Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen. Wir demonstrieren weiter.“
https://www.schwaebische.de/dumme-bauern-2286235Mein Lieblingssatz ist
Schließlich sei Bewegung in die Sache gekommen, als die Limousinen losfahren wollten. „Wir sind einfach vor den Limousinen stehen geblieben“, sagen die Winkelbauern. „Keiner hat irgendjemanden blockiert, sondern wir standen einfach nur.“ Irgendwie ist das für mich die Definition von "Blockieren", aber was weiß ich schon...
Um die Kartoffelernte muss man sich wohl keine Sorgen machen.
Von derselben Redakteurin, ein paar Tage früher:
Landwirt schildert: „Da schimpfen Leute, denen es richtig gut geht“Spoiler
Ein Landwirt, der zugleich Grünen-Politiker ist, hat die Ausschreitungen in Biberach miterlebt. Was er erzählt, ist krass.
Die Aufregung um die Protestaktionen der Bauern rund um den politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach ebbt nicht ab. Auch Landwirte und Grünen-Politiker aus dem Raum Ehingen waren in Biberach mit dabei - und berichten von schlimmen Zuständen.
„Es war beängstigend“, sagt Hubert Dangelmaier, der seit 20 Jahren zum politischen Aschermittwoch der Grünen nach Biberach geht. Heuer war er quasi in Doppelfunktion vor Ort.
Zum einen als Fraktionsvorsitzender der Grünen im Ehinger Gemeinderat und somit Grünen-Parteimitglied, zum anderen aber auch als Landwirt. „Wir sind wohlweislich mit dem Zug nach Biberach gefahren. Wir wussten ja, dass die Bauern die Straßen blockieren wollten“, sagt Dangelmaier.
Als er sich dann aber der Stadthalle in Biberach am frühen Morgen näherte, traute er seinen Augen und vor allem seinen Ohren kaum. „Es war ein Szenario, das ich so noch nie in meinem Leben erlebt habe. Der Lärm war ohrenbetäubend, Demonstranten sind mit laufenden Kettensägen und irgendwelchen Lärmmaschinen unterwegs gewesen. Die Menge war extrem aufgebracht, ich hatte sofort das Gefühl der Bedrohung“, betont Dangelmaier.
Als Landwirt kennt Dangelmaier natürlich viele Menschen aus seinem Berufsstand und konnte so auch zumindest ganz grob abschätzen, wie sich die Menge der Demonstranten zusammengesetzt hat.
„Es waren, das muss ich ehrlich sagen, Landwirte dabei, die absolut gewaltbereit waren. Es waren unter den Gewaltbereiten aber auch Leute dabei, die keine Landwirte sind. So zu tun, als ob die Gewaltbereiten aber nicht aus der Landwirtschaft kommen und sich nur unter die Bauern gemischt haben, ist falsch“, sagt Dangelmaier, der sich noch gewundert hat, dass viele Schlepper Nummern aus Heidenheim, Dillingen oder Reutlingen hatten.
Dangelmaier selbst wollte eigentlich in der Biberacher Stadthalle zusammen mit Parteifreunden an einem Stand über das Thema Gentechnik informieren. So kam der Ehinger Stadtrat auch als einer der wenigen schon relativ früh in die Halle, die dann abgeriegelt wurde.
„Aus Sicherheitsgründen wurden anfangs eben nur Leute in die Halle gelassen, die dort eine Aufgabe hatten“, so Dangelmaier. Dass die Veranstaltung, bei der eigentlich Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hätten sprechen sollen, dann nach rund einer Stunde Beratung abgesagt wurde, war laut Dangelmaier „die einzig sinnvolle Entscheidung“.
„Wie können wir das hinbekommen, dass diese Gewaltbereitschaft und dieser Hass wieder verschwinden?“, ist die Frage, die sich Dangelmaier nach seinen schlimmen Erlebnissen und verstörenden Gesprächen mit Bauern in Biberach stellt. „Das muss aufhören. Es macht mir große Sorgen, dass gerade keine konstruktiven Dialoge mehr stattfinden und mit Argumenten nichts mehr beurteilt werden kann“, so Dangelmaier.
Dass es vielen seiner Berufskollegen längst nicht mehr um „die Steuer für die grüne Nummer und den Agrardiesel geht“, ist Dangelmaier indes klar. „Beängstigend ist auch, dass da viele Bauern dabei waren, die ich kenne und die beispielsweise mit ihren Biogasanlagen richtig gutes Geld verdienen. Da schimpfen und jammern Leute, denen es richtig gut geht.“
Bilder schaden dem Anliegen der Landwirte
Hanns Roggenkamp, stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Ulm-Ehingen, war wegen eines anderen Termins selbst nicht vor Ort beim Protest in Biberach. Deshalb könne er die Situation nur von weiter weg beurteilen. Er sagt aber: „In Biberach sind bestimmt einige Dinge aus dem Ruder gelaufen.“
Die Bilder, die jetzt überall zu sehen sind, würden dem Anliegen der Landwirte schaden. „Wir sind immer für einen friedlichen Protest eingestanden“, sagt er. Von gewalttätigen Aktionen distanziere sich der Verband entschieden. Dass vor der Stadthalle mitten in der Stadt Protestierende Stroh angezündet haben, verurteilt er stark: „Das sind französische Verhältnisse, die brauchen wir hier nicht.“
Lückenlose Aufarbeitung nötig
Auf den Videos, die nun kursieren, seien auch einige ihm bekannte Gesichter zu sehen, sagt er: „Auch bei denen, die Schläge abbekommen haben.“ Einige hätten ihm aber auch berichtet, dass sie eher zufällig zwischen die Fronten von gewaltbereiten Demonstrierenden und Polizei geraten seien, „die sind da einfach nicht mehr weggekommen“.
Roggenkamp erhofft sich eine lückenlose Aufarbeitung der Vorkommnisse in Biberach - von allen Seiten und aus verschiedenen Blickwinkeln, wie er sagt. Die Polizei habe die Situation unterschätzt und sei mit zu wenigen Einsatzkräften vor Ort gewesen. „Da waren zu viele Leute aufeinander“, sagt der Landwirt.
Dass rechte Gruppierungen die Proteste gekapert hätten, sieht er nicht gegeben, auch wenn es durchaus extremistische Gruppen gebe, die versuchen, die aktuelle Stimmung auszunutzen. Die Landwirte seien in der überwiegenden Mehrheit rational, sagt er - „es gibt wenige schwarze Schafe“.
Dass die Proteste in Biberach so aus dem Ufer gelaufen seien, habe großen Schaden in der Bevölkerung angerichtet, ist sich der Vorsitzende sicher. Die Landwirte könnten mit ihren Anliegen so an Rückhalt in der Gesellschaft einbüßen. Er appelliert jedoch an alle Seiten, sich kein vorschnelles Urteil zu erlauben.
Jetzt gehe es darum, die Videos zu sichten und die Ereignisse aufzuarbeiten. Dass bei den Videos jedoch auch die Blickwinkel in Betracht gezogen werden müssten, sei wichtig, betont Roggenkamp. So gebe es zum Beispiel ein Video, in dem es so aussieht, als würde die Polizei ohne Grund Pfefferspray einsetzen. Auf einem anderen Video sieht man jedoch vorangegangene Provokationen von Demonstrierenden.
https://www.schwaebische.de/andere-bauern-2279447