Autor Thema: Presseschnipsel - Rechtsextremismus  (Gelesen 67639 mal)

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Offline Froschkönig

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Eigentlich beziehe ich mich auf solche Posts von dir:

https://forum.sonnenstaatland.com/index.php?topic=7997.msg474856#msg474856
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Online Rolly

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Nur damit wir in der ganzen Diskussion nicht den Fokus verlieren, der gemeinsame Feind steht rechts. Wir mögen hier manchmal anderer Auffassung sein und diese auch hart diskutieren, aber das geschieht immer im Geiste des SSL und seiner geliebten Staatsführung. Wer den Diskussionstil nicht verträgt muß sich leider mit den Reptos auseinander setzen.
Da kann man doch sagen: "Beim SSL haben wir etwas gelernt!"
https://www.youtube.com/watch?v=9uZLrHiCMhQ
 
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Offline lobotomized.monkey

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@Froschkönig
Hier versteht mich jemand (siehe o.g. Zitat) aber deutlich falsch

Klar und deutlich schreiben statt Andeutungen und Anspielungen aneinanderreihen hilft mir beim Verständnis.

Definitiv nicht!

Und ich bin so stolz auf mich, dass ich die Steilvorlage nicht genutzt habe.
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Offline Froschkönig

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Nur damit wir in der ganzen Diskussion nicht den Fokus verlieren, der gemeinsame Feind steht rechts.

Und daher möchte ich noch einmal betonen: Ich habe keine Sympathie für ein Hetzblatt wie Compact oder einen Rechtsextremisten wie Jürgen Elsässer. Sie sind für mich ebenso der Feind.

Ich habe aber die ernste Befürchtung, dass AfD-Politiker (oder andere Rechtsextremisten) in größerem Umfang in Machtpositionen kommen. Und zwar nicht irgendwann in ein paar Jahrzehnten, sondern in wenigen Monaten bis 1-2 Jahren, und nicht irgendwo, sondern in der Region, in der ich aufgewachsen bin und mit meiner Familie lebe.

Dann können sie es wie in Polen und in Ungarn machen: Ohne offensichtliche Gesetz- oder Verfassungsverstöße, die eine deutliche Reaktion der verbliebenen Demokraten nach sich ziehen würden, den Staat schleichend zu einem autoritären umbauen. Möglicherweise auch wie in Ungarn dabei dafür sorgen, dass man sie für lange Zeit nicht wieder loswird (in Polen ging es noch).

Als Deutscher denkt man beim Weg von der Demokratie in die Diktatur häufig an die sogenannte "Machtergreifung": Hitler wird am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt, eine Woche später kommt eine Verordnung, die einzelne Grundrechte abschafft, kurz danach beginnt der staatliche Straßenterror, einen Monat später kommt eine neue Verordnung, die alle Grundrechte abschafft, eine Woche danach öffnet das erste KZ, gleichzeitig gibt es eine unfreie Neuwahl, und zwei Wochen später werden Demokratie und Gewaltenteilung durch das Ermächtigungsgesetz endgültig abgeschafft.

Aber so entstehen Diktaturen meist nicht mehr. Stattdessen beginnt es mit einer (zumindest teilweise) gut funktionierenden Demokratie, die dann zu einer "gelenkten Demokratie" wird und die zur Diktatur, und das über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Dadurch, dass in jedem Schritt nur ein bisschen Freiheit und Demokratie abgeschafft wird, gibt es nicht den Zeitpunkt, wo eine große Gegenbewegung entstehen kann, die den Weg in die Diktatur vielleicht noch verhindern kann.

Insofern reagiere ich sehr empfindlich auf alles, was der AfD und ihren rechtsextremen Spießgesellen bei ihrem Staatsumbau möglicherweise helfen könnte: Strukturen mit Möglichkeiten, die man durch Austausch der Leitungsebene für andere Zwecke einsetzen kann, Gesetze, die man auf einem neuen Weg, aber nicht offensichtlich gegen den Wortlaut interpretieren kann und Einschränkungen der Grund- und politischen Rechte, die die AfD gegen ihre Gegner durchsetzen könnte.
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Offline Judge Roy Bean

So, jetzt noch einmal etwas ausführlicher und konzilianter:

Vorab - ich halte das Argument, etwas nicht zu tun, weil eine AfD-Regierung das gleiche in rechtsmissbräuchlicher Weise auch tun (und sich ermutigt fühlen) könnte, für nicht überzeugend und verweise auf ein Bonmot von Volker Pispers: "Asylrecht - wird missbraucht und muss deshalb abgeschafft werden! Ich lese in letzter Zeit häufiger von Kindesmissbrauch ...".

Ich teile die Ängste vom Froschkönig, sehe aber keinen Anlass, deshalb die Aktion gegenüber Compact zu kritisieren.

Worauf ich in diesem Zusammenhang und auch bei anderen Nachrichten zu Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen (oder allgemein zu juristischen Themen) allergisch reagiere, ist das erschreckende Niveau der Berichterstattung und der Kommentare in der Presse. Kaum jemand ist in der Lage, die Angelegenheit tatsächlich und juristisch korrekt zu erfassen, aber jeder muss seinen Senf dazu geben. Vor einigen Jahren wurde eine Sau durchs Dorf getrieben, weil das AG Frankfurt/Main Verfahrenskostenhilfe für eine ("Härtefall-")Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahrs bei Gewalt in der Ehe ablehnte. Die Presse hat daraus ungefähr gemacht: "Gericht urteilt, dass im Islam der Mann die Frau schlagen darf." Dass ich bei derart verzerrender Berichterstattung steil gehe, sollte wohl verständlich sein. Und auf demselben Niveau bewegen sich leider die Kommentare von Yücel und (nunmehr) Kissler.

Weiterhin stoße ich mich an der Zauderei. Es ist eine Erfahrung des "zupackenden" Richters in einem Kollegialgericht, dass es gern den einen Kollegen (m/w/d) gibt, der bei jedem pragmatisch anmutenden Lösungsvorschlag schmerzhaft das Gesicht verzieht und äußert "Aaahhhh, ob man das so machen kann?", ohne etwas Substanzielles einzuwenden oder selbst einen Lösungsvorschlag zu machen. Reichsbedenkenträger werden solche Kollegen genannt, die sich gerne auch dadurch auszeichnen, nichts erledigt zu bekommen. Und solche Reaktionen haben wir hier auch: "Aaahhh, Vereinsverbot, ob das so geht, und Pressefreiheit ...". Wehrhafte Demokratie geht so jedenfalls nicht, und das Innenministerium ist jedenfalls in rechtlich vertretbarer Weise vorgegangen.

Zum Schluss finde ich die Rücktrittsforderungen gegenüber Faeser, falls "sie den Prozess verliert", ungerechtfertigt. Ich lege nicht meine Hand dafür ins Feuer, dass die Verbotsverfügung gerichtlichen Bestand haben wird, aber ein "verlorener Gerichtsprozess" kommt nun einmal in den besten Familien vor, und das Ergebnis hängt oft davon ab, wie ein Gericht zusammengesetzt ist und wie der einzelne Richter abwägt. Beispiel: Einer meiner Lieblingshoteliers erzählte mir einmal einen Fall seiner Eltern (und zwar zutreffend, ich hatte kurze Zeit später einen ähnlichen Fall und stieß bei der Recherche auf die entsprechende Entscheidung, deren Sachverhalt so anonymisiert wiedergegeben war, dass man ihn mit dem Insiderwissen zuordnen konnte). Die Eltern als Vermieter klagten gegen einen Mieter auf Räumung nach Eigenbedarfskündigung. In erster Inszanz vor dem Amtsgericht verloren sie. In zweiter Instanz vor dem Landgericht verloren sie. Eine dritte Instanz gab es damals für solche Fälle noch nicht, also wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt. Und dort gewannen sie, das Urteil des Landgerichts wurde als Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts angesehen. Da es beim BVerfG kein Beratungsgeheimnis gibt, konnte man sehen, dass die Entscheidung denkbar knapp mit 5:3 Stimmen ausgegangen ist, ein überstimmtes Senatsmitglied ist dann auch in einem veröffentlichten Minderheitsvotum böse über die Entscheidung seiner Kollegen hergezogen. Es waren also insgesamt 12 Richter an dem Verfahren beteiligt (1 Amtsrichter, 3 am Landgericht und 8 am BVerfG). Davon haben mindestens 6 (wenn nicht gar 7) dem Mieter Recht gegeben, aber am Ende bekam der Vermieter Recht.

Und so ist es oft in der Juristerei: Auch wenn man rechtlich vertretbar und sauber argumentiert, zieht man leicht vor Gericht den Kürzeren, weil es die eine richtige Lösung nicht gibt. Das ist dann keine Schande und kein Zeichen von Unfähigkeit, sondern Pech. Und das gilt dann auch für das BMI im Fall einer "Niederlage" vor dem BVerwG.
« Letzte Änderung: 25. Juli 2024, 21:52:16 von Judge Roy Bean »
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Offline theodoravontane

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Dann können sie es wie in Polen und in Ungarn machen: Ohne offensichtliche Gesetz- oder Verfassungsverstöße, die eine deutliche Reaktion der verbliebenen Demokraten nach sich ziehen würden, den Staat schleichend zu einem autoritären umbauen. Möglicherweise auch wie in Ungarn dabei dafür sorgen, dass man sie für lange Zeit nicht wieder loswird (in Polen ging es noch).

Wenn es als Recht erkannt wird, dann können demokratiefeindliche Kräfte das Instrument natürlich auch nutzen, ohne Recht zu verletzen. Aber wie Du selbst schreibst, gibt es solche Vorgehen bereits in anderen Ländern, dazu brauchen die Demokratiefeinde also sicher nicht diese eine Aktion in Deutschland. Weder als Blaupause und auch nicht zur Legitimation, denn:

Wenn es als Unrecht erkannt wird, dann hindert das die demokratiefeindlichen Kräfte nicht, es trotzdem so oder ähnlich zu machen, wenn sie die Gelegenheit dazu haben.

Ich glaube, Du regst Dich viel zu sehr über etwas auf, das hauptsächlich in Deinem Kopf passiert.
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Offline Gelehrsamer

Das hohe Gericht (#0904) hat völlig Recht: Es ist Aufgabe der Justiz, die Rechtsanwendung durch die Verwaltung zu überprüfen (und es ist Aufgabe der Verfassungsgerichte, die Rechtsanwendung durch die Fachgerichte am Maßstab der Verfassung zu überprüfen). Dabei spielen im Verwaltungsrecht typischerweise Abwägungen zwischen verfolgtem Zweck und eingesetztem Mittel nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine zentrale Rolle. In eine solche Abwägung fließen aber Wertungen mit ein, was zur Folge hat, dass ein Senat eines Oberverwaltungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts nach einem längeren Verfahren die Rechtmäßigkeit ener Verwaltungsentscheidung anders als die Verwaltung beurteilt. Das ist das "Lebensrisiko der Exekutive". Beispielsweise müssen Polizeibeamte eine Entscheidung möglicherweise in Sekundenschnelle treffen, um später vom Gericht zu erfahren, dass sie nicht wie geschehen hätten entscheiden dürfen.

Im Bereich des Art. 9 Abs. 2 GG gibt es eine Reihe ungeklärter Fragen. So wird diskutiert, ob §§ 2, 3 und 17 des Vereinsgesetzes eigentlich den Begriff der Vereinigung im Sinne des Grundgesetzes ordnungsgemäß abbilden, wie die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern verteilt sind und welche Rolle eben die Pressefreiheit spielt. Diese Fragen muss zunächst die Exekutive beantworten. Es mag sein, dass die Justiz dann am Ende diese Fragen anders beantwortet. Das ist aber kein Rücktrittsgrund für die Verwaltungsspitze, wenn deren Entscheidung (zumindest) vertretbar war. Und das sollten Schlau-Schwurbler wie Kubicki eigentlich wissen.
 
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Offline dieda

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Zitat
Und den der Name "Thomas Röper" sollte Dir im Zusammenhang mit Compact auch unbedingt was sagen, nur so am Rande.

Sorry, ich meinte übrigens nicht den Anti-Spiegel-Röper, der zwar auch wiederholt für Compact geschrieben hat, sondern den Verurteilten rechtsextremen Ex-Mitgesellschafter und Migrantenschreckshop- Waffenhändler Mario Rönsch.

Es ist im wieder erstaunlich, wie diese krass- bizarren Geschichten aus der Anfangszeit in der öffentlichen Wahrnehmung schon wieder so in Vergessenheit geraten können.
D adaistische I lluminatinnen für die E rleuchtung D es A bendlandes

Tolereranzparadoxon: "Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, (...) dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ Karl Popper
 
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Offline Schrohm Napoleon

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U.a. Ralf Ludwig.

Ohne Gewähr: Meine Quellen flüsterten mir auch den Namen Vosgerau, leider ohne Quellenangabe. Könnte m.M. allerdings passen.

(Mein Gott, der ist deutlich jünger als ich, sieht aber deutlich älter aus. Instant Karma. :D)
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Offline lobotomized.monkey

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Kaum jemand ist in der Lage, die Angelegenheit tatsächlich und juristisch korrekt zu erfassen, aber jeder muss seinen Senf dazu geben.
Ich reihe mich mit meinem weiteren Text mal bei den Senfausschenkenden ein.

Und so ist es oft in der Juristerei: Auch wenn man rechtlich vertretbar und sauber argumentiert, zieht man leicht vor Gericht den Kürzeren, weil es die eine richtige Lösung nicht gibt.

Als eher MINTler fehlt mir nahezu jegliches juristischen Fachwissen, daher kompensiere ich das mit einer natürlichen Aversion gegenüber Juristen (Anwesende (m/w/d) natürlich ausgenommen).
Der Knackpunkt aus meiner externen Perspektive (klingt besser als fachliche Unwissenheit) liegt in dem Anspruch komplexe Dinge, wie menschliches Zusammenleben und Interaktion, wozu auch amoralische Handlungen gehören, durch Regeln zu bewerten und ggf. zu sanktionieren.
Komplexe Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass die Gesamtzahl der unterschiedlichen Interaktionen eben nicht bekannt sind und bei den bekannten Interaktionen häufiger nicht-lineare Wirkzusammenhänge vorliegen. Anders ausgedrückt: Man kann ein komplexes System nicht zuverlässig vorhersagen, weil es sich der vollständigen Berechenbarkeit (Computer oder Expertise) entzieht, so dass stets eine Unsicherheit bestehen bleibt.
Aus diesem Grund sind juristische Regeln (Gesetze, Verordnungen und vorgegebene Abläufe) inhärent mit dem Makel der Unvollständigkeit einer daraus resultierenden Unsicherheit versehen, d. h. es existiert stets ein Interpretationsspielraum, den @Judge Roy Bean mit
Das ist dann keine Schande und kein Zeichen von Unfähigkeit, sondern Pech.
ausdrückt.
Unsicherheit ist übrigens etwas, was der als komplex einzustufenden menschlichen Natur zuwider ist, also wird die Unsicherheit durch irgendeine Sicherheit ersetzt, wie z. B. Glauben. Alternativ ignoriert man einfach die Komplexität und behauptet nur ein kompliziertes System vor einem zu haben, dann kann man mit einfachen Regeln und Berechnungen zeigen, dass man im Recht ist und die anderen einfach nur zu blöd; dieses ist typischerweise bei unserer Kundschaft stark ausgeprägt, trifft man man jedoch auch ohne Kundschaft im normalen Leben zuhauf an.
Die Wissenschaft geht übrigens deutlich klarer mit dieser Unsicherheit um, in dem Aussagen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit belegt werden. Für Nichtwissenschaftler sieht das wie Unsicherheit im Sinne von Unwissenheit oder Unentschlossenheit aus, bis hin zu der Änderung einer wissenschaftlichen Meinung, weil sich die Bewertungsgrundlage geändert hat. Ist für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar, also sind die alle "gekauft".
« Letzte Änderung: 26. Juli 2024, 06:35:30 von lobotomized.monkey »
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Offline Judge Roy Bean

Und jetzt komme ich auf die vom Froschkönig in #818 zitierte Pressemitteilung des MVFP zurück. Dort wird die Binsenweisheit aufgestellt, dass die Grenzen des Vereinsverbots letztlich durch die Gerichte und nicht durch die Exekutive zu klären sei. Der Gelehrsame hat nochmals ausführlich und hoffentlich für alle verständlich erklärt, dass erst die Exekutive handelt und dann die Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme urteilen (und nicht etwa die Exekutive zuerst einen Antrag bei Gericht stellen muss, wie wir das etwa bei der Entfernung des Jens Maier aus dem Richteramt kennen). Und genau darauf wollte ich mit meiner kürzer geratenen Kritik an der Presseerklärung hinaus (vielleicht setze ich ja zu viel voraus).

@Schrohm Napoleon: Erstaunlich, genau den gleichen Gedanken hatte ich vor geraumer Zeit beim Anblick von Vosgeraus Konterfei auch. Wie steht oft in den Gutachten zur Betreuungsbedürftigkeit: "Patient in deutlich vorgealtertem Zustand, Gebiss sanierungsbedürftig ...". Ob jetzt Vosgeraus Gemütszustand zu ähnlichen gesundheitlichen Folgen führt wie jahrelanger Alkoholabusus, müsste in einer breit angelegten Studie geklärt werden.

@lobotomized.monkey: Der Unterschied deines Senfs ist, dass es sich nicht um die Sorte "Scharfe Henne" von Koal in Lübbenau handelt (die hauptsächlich durch undifferenzierte Schärfe auffällt).
« Letzte Änderung: 26. Juli 2024, 07:10:53 von Judge Roy Bean »
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Offline Schrohm Napoleon

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Erstaunlich, genau den gleichen Gedanken hatte ich vor geraumer Zeit beim Anblick von Vosgeraus Konterfei auch. Wie steht oft in den Gutachten zur Betreuungsbedürftigkeit: "Patient in deutlich vorgealtertem Zustand, Gebiss sanierungsbedürftig ...".

Du bist wieder böse. Ich liebe das.  ;)

So sehen unsre Gutachten nicht aus, nicht einmal ähnlich. Wir testen unsere Systeme und wissen dann, ob sie (voraussichtlich) gut sind oder einfach nur Shize. Ich konnte beide Ergebnisse "genießen".


Off-Topic:
Kleine Geschichte am Rande. Unser Boss bezahlte unserem Team eine Woche Malle als Prämie. Alles Westfalen. Von hier bis zum Flughafen Düsseldorf oder Köln/B. sind Westfalen regelmäßig angeschickert.

Irgendwann flogen wir los. Kollegen und ich natürlich weiter am zechen. Ich außen, neben einem Ehepaar, dessen Frau rausdeutete und ihren Mann darauf hinwies, dass die Flügel wackeln würden! Er beschleunigte auch gleich seine Atmung.

Trunken, aber lieb wie ich war, sagte ich den beiden, sie sollten sich keine Sorgen machen. Ernst würde es erst, wenn sich der Flügel nicht bewegen würde oder gar keiner mehr dran wäre. :P

Der Mann: "Sind Sie sicher? Wie kommen Sie darauf?"

Ich, voller Stolz, auf meine besoffenen Kollegen-Brüder deutend: "Es sind Leute wie wir, die so etwas entwickeln."  :D :D :D

Ich glaube, er hätte mir jede Summe für zwei Fallschirme bezahlt.  ;D


(Zur Aufklärung: Flügelspitzen eines Airbus/Boing bewegen sich locker ± 3,5 ± 0,5 m. Oft auch mehr. Ruhe bewahren! Vertraut uns einfach! ;))

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Wenn eine neue Regierung beginnt, den Staat umzubauen, achtet sie üblicherweise darauf, zumindest oberflächlich die bisherigen Strukturen und Möglichkeiten nur leicht zu verändern statt komplett neu zu starten. Dies hilft dabei, dass die eigene Vorgehensweise durch Beamte und Bevölkerung als legitim angesehen wird, weil es scheinbar genauso weitergeht wie es bekannt war.

Sogar die Nazis, die sich gerne als Revolutionäre sahen, gingen so vor. Auch wenn man heute Begriffe wie "Schutzhaft", "Ermächtigungsgesetz" und "Notverordnung des Reichspräsidenten" mit den Nazis assoziiert, die Vorgehensweise war älter.

Schon im Königreich Preußen, aber auch in der Weimarer Republik, konnte die Exekutive Menschen ohne Anklage und ohne Haftbefehl in "Schutzhaft" nehmen. "Ermächtigungsgesetze", die mit 2/3-Mehrheit im Reichstag Macht auf die Reichsregierung übertrugen, gab es bereits 1919, und auch Präsidialkabinette waren bereits drei Jahre alt (und bezogen sich ihrerseits auf frühere Notverordnungen).

Natürlich haben die Nazis die Instrumente massiv umgebaut: Die ursprüngliche "Schutzhaft" dauerte wenige Tage und wurde in einem normalen Gefängnis vollzogen, nicht jahrelang in einem Folter-KZ; die ursprünglichen "Ermächtigungsgesetze" wurden von einem frei gewählten Reichstag beschlossen, ermöglichten kein Abweichen von der Verfassung, waren auf kurze Zeiträume und einzelne Themen beschränkt und der Reichstag konnte die Verordnungen wieder aufheben, und die früheren Notverordnungen wurden in echten Notsituationen angewendet und hoben die Grundrechte nicht auf.

Aber auf den ersten Blick konnte man denken, dass man alle diese Instrumente schon aus früheren Zeiten kannte. Das verschaffte Legitimität.

Es erklärt auch einige Bestimmungen im Grundgesetz, alle erwähnten Punkte sind nun explizit verboten (nach Ablauf des folgenden Tages richterliche Entscheidung über Freiheitsentzug, Ewigkeitsklausel, Änderung des GG nur durch Änderung des Texts, nicht durch verfassungsdurchbrechendes Gesetz mit gleicher Mehrheit, kaum Rechte für den Bundespräsidenten und keine Notverordnungen).

Auch bei den heutigen Staatsumbauten war es nicht anders: In Polen lieferte die Vorlage für die Ausschaltung des Verfassungsgerichts, dass die frühere PO-PSL-Koalition vor der PiS-Regierung ein Gesetz beschloss, das den in der Verfassung nicht ausdrücklich geregelten Wahlzeitpunkt vorverlegte, um fünf statt drei Verfassungsrichter noch in ihrer Amtsperiode wählen zu können. Die PiS-Regierung nannte das illegitim und wählte dann ihrerseits fünf Verfassungsrichter, obwohl sie selbst nach alter Gesetzeslage nur zwei hätte wählen dürfen. Damit war die Staatskrise perfekt. In Ungarn nutzte Orban die Corona-Pandemie, die auch in anderen Ländern mit einer Machtverschiebung zur Exekutive einherging, um sich erhebliche Vollmachten vom Parlament übertragen zu lassen, und stellte mit einer Verordnung die "Verbreitung von Falschnachrichten" unter hohe Strafe.

Wenn ein solcher Staatsumbau durchgeführt wird, werden die Gewalten nicht gleichzeitig umgebaut, sondern die Exekutive ist mit dem Amtsantritt sofort in den Händen der Rechtsextremisten und hat Zugriff auf einen erheblichen Apparat, der schnell dienstbar gemacht werden kann, in der Legislative gibt es aber meist noch eine Koalitionsregierung, mehrere Lesungen und öffentliche Debatten und die Judikative kann nur schrittweise umgebaut werden, da Richter meist weisungsfrei und nicht absetzbar sind oder zumindest lange Amtsperioden haben. Insofern sind gerade Exekutivbefugnisse am kritischsten zu sehen.

Jetzt ist es so, dass diese Aktionen, selbst wenn sie später für rechtswidrig erklärt werden, durch die Durchführung bereits eine große Auswirkung haben, und Gerichte langsam sind. Es gibt jetzt mehr als vier Jahre später noch letztinstanzliche Urteile, dass eine bestimmte coronabedingte Verordnung aus dem Frühjahr 2020 entweder rechtskonform oder rechtswidrig war - aber eigentlich ist es egal, was rauskommt, weil es bis auf die Verteilung der Gerichts- und Anwaltskosten heute keine Auswirkungen mehr hat. Und genau das könnte sich bei anderen Themen auch ein AfD-Minister zu Nutze machen.

Was sollte man also tun? Beim Thema Vereinsverbot gibt es in anderen Ländern andere Herangehensweisen. Zum Beispiel entscheidet direkt ein Gericht über das Vereinsverbot, entweder ein Strafgericht, das den Verein und seine Mitglieder durch ihre Verurteilung zur kriminellen Vereinigung erklären kann, oder ein Zivil- bzw. Verwaltungsgericht, das auf ein Vereinsverbot erkennen kann. Durch eine Änderung des Vereinsgesetzes könnte man auch in Deutschland einen ähnlichen Prozess einführen.
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(Zur Aufklärung: Flügelspitzen eines Airbus/Boing bewegen sich locker ± 3,5 ± 0,5 m. Oft auch mehr. Ruhe bewahren! Vertraut uns einfach! ;))

Müssen sie ja auch. Ein Vogel bewegt ja auch seine Flügel, um zu fliegen!



Au nein, nicht hauen, bitte, war nur Spaß. Bin ja selber Inschenör oder wie das heißt...

Ich habe mir bereits eine feste Meinung gebildet! Verwirren Sie mich bitte nicht mit Fakten!
 
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Offline Goliath

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Die Flügel müssen sich nach oben biegen, damit der Treibstoff zum Triebwerk läuft. Logisch oder?
 
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