Siehe Spoiler. Die Frau wird überbewertet und genießt zuviel Aufmerksamkeit. Und sie leidet natürlich an der üblichen kognitiven Dissonanz dieser Kreise. Sie wird ganz böse gecancelt und verfolgt, während das unter Trump natürlich nicht passieren würde.
Spoiler
Eine junge AfD-Influencerin beantragt Asyl in den USA: «Elon Musk hat mir ein ‹Daumen hoch› gegeben», sagt Naomi Seibt
Weil sie in Deutschland nicht mehr sicher sei, sucht die 25-jährige «rechte Greta» Zuflucht in Amerika. Im Gespräch beklagt sie einen linken Meinungsterror in Europa. Dass sich auch unter Trump eine Cancel-Culture entwickelt habe, glaubt sie nicht.
«Ich habe in Trumps ‹Make America great again›-Bewegung schnell Freunde gewonnen», sagt die AfD-Influencerin Naomi Seibt.
Naomi Seibt hat nicht viel Zeit, sie muss gleich zum nächsten Interview. Alex Jones wartet. Der vielleicht prominenteste amerikanische Verschwörungstheoretiker hat die junge Deutsche in seine Sendung eingeladen.
Seit Seibt auf Fox News erklärt hat, Asyl in den USA zu beantragen, weil es ihr in Deutschland zu gefährlich geworden sei, solidarisiert sich die amerikanische Rechte reihum mit ihr. Trump-Anhänger sehen in ihrer Geschichte den Beweis dafür, dass sich jenseits des Atlantiks ein linker Überwachungsstaat breitgemacht habe.
Naomi Seibt, 25 Jahre alt, aus Münster, meldet sich kurz vor der Sendung bei Alex Jones aus Austin, Texas. «Ich hatte ursprünglich nicht geplant, länger in den USA zu bleiben», sagt sie im Video-Anruf. Als sie im Herbst 2024 mit einem Touristenvisum nach Amerika geflogen sei, habe sie bloss die Präsidentschaftswahlen verfolgen wollen. Sie träumte davon, den grossen Moment hautnah zu erleben: «Ich wollte dabei sein, wenn Trump gewählt wird.»
Die Antithese zu Greta Thunberg
Seibt, die gerne die «rechte Greta» genannt wird, ist in Deutschland durch ihren Youtube-Kanal bekannt geworden. Wie eine Antithese zu Greta Thunberg hatte sie bereits als Schülerin den Klimawandel in Zweifel gezogen. Später brachte sie es mit ihren Clips mit dezidiert AfD-nahen Positionen im deutschsprachigen Raum zu grösserer Gefolgschaft. Als junge, blonde Abiturientin bot sie ein publikumswirksames Gegenbild zum Stereotyp des älteren, verhärmten AfD-Wählers. Gleichzeitig stiessen ihre Einwürfe auch jenseits des Atlantiks zunehmend auf Resonanz.
Nach ihrer Ankunft in den USA habe sie in der «Make America great again»-Bewegung schnell Freunde gewonnen, sagt Seibt. Leute, die sie über Social Media gekannt habe, hätten sie zu Trump-Kundgebungen eingeladen. «Ich konnte nah dran sein, mein X-Account wurde immer populärer.» Während sie sich Ende 2024 in Trump-Amerika akklimatisierte, spürte sie jedoch in der Heimat einen Sturm aufziehen.
In Magdeburg war der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt verübt worden. Der saudische Täter, der sich in seinem verqueren Weltbild als Islamkritiker versteht, liess auch AfD-Sympathien erkennen. Weil «Mainstream-Medien» berichteten, dass er einen Social-Media-Beitrag von Naomi Seibt geteilt habe, sei eine geistige Nähe zu ihr suggeriert worden, sagt sie: «Ich habe Drohungen von der Antifa bekommen. Morddrohungen, Vergewaltigungsdrohungen.»
Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass man ihr mit Gewalt gedroht habe, betont sie. Aber weil die Polizei sie in früheren Fällen im Stich gelassen habe, sei sie sich nun machtlos vorgekommen: «Mir wurde klar: Ich werde Weihnachten nicht mit meiner Familie verbringen können. Ich muss in den USA bleiben.»
In Lebensgefahr nach einer OP
Naomi Seibt, die geübte Influencerin, erzählt ihre Geschichte in schnellen, ungeduldigen Sätzen, die kaum Raum für Fragen lassen. Unterschwellig schwingt in dem Stakkato auch ein Rechtfertigungsdrang mit. Als wollte sie immerzu sagen: «Ich muss das jetzt mal klarstellen.» Die linke Wochenzeitung «Der Freitag» bezeichnete sie einmal als «die rechtsextreme Streberin». Tatsächlich propagiert Naomi Seibt sehr beflissen ihre Agenda.
Man mag in dem trotzigen Ton auch eine Reaktion auf eine schwere Erkrankung sehen, die sie durchgemacht hat. Sie berichtet davon, wie sie nach einer notfallmässigen Blinddarmoperation in Lebensgefahr gewesen sei. Nach dem Eingriff habe sie an einer Magenlähmung gelitten und irgendwann nur noch 28 Kilo gewogen.
Mit geradezu religiöser Emphase spricht Seibt davon, sich ins Leben zurückgekämpft zu haben. Jetzt verschreibt sie sich ganz ihrer Mission. Sie will «mit den Amerikanern zusammenarbeiten, um den westlichen Bevölkerungen zu helfen». Die Maga-Bewegung, sagt sie, könne «Deutschland und ganz Europa inspirieren».
Naomi Seibt klingt wie ein Echo von J. D. Vance, der Anfang Jahr auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine alarmierende Verengung des Meinungskorridors beklagte: Auf dem alten Kontinent könne man sich kaum noch frei äussern, hatte der amerikanische Vizepräsident den Europäern vorgehalten. In ihrer Heimat habe ein totalitärer Geist Einzug gehalten, glaubt auch Seibt. Darauf stützt sich gewissermassen der zweite Abschnitt ihres Asylgesuchs: Nicht nur die Antifa-Drohungen hätten sie zur Emigration veranlasst. Der Staat versuche sie mundtot zu machen, sagt Seibt. Der Geheimdienst beobachte sie.
Ein Fall für den Verfassungsschutz?
An dieser Stelle wird die Erzählung etwas unübersichtlicher. Es geht um den rechtsradikalen Online-Aktivisten Aron Pielka, der unter dem Pseudonym Shlomo Finkelstein rassistisches Gedankengut verbreitet hat. Unter anderem wegen Volksverhetzung sass Pielka eine knapp einjährige Haftstrafe ab.
Naomi Seibt gibt an, dass der Nachrichtendienst sie im Zusammenhang mit Pielka überwacht habe. Die «Washington Post» konnte Belege für die Behauptung einsehen. Aus einer Anfrage von ihr an den Verfassungsschutz sei darüber hinaus hervorgegangen, dass sie seit 2019 unter Beobachtung stehe. Danach sei für sie klar gewesen, dass sie nicht aus Amerika zurückkehren könne. Sie habe sich für ihr Asylgesuch auch mit Elon Musk abgestimmt, sagt sie. «Ich habe ihm eine Privatnachricht geschickt, und er hat mir mit ‹Daumen hoch› signalisiert, dass es der richtige Schritt sei.»
Mit dem Tech-Milliardär steht Seibt nach eigener Aussage in regem Austausch. Auf X hat Musk vergangenes Jahr mehrere Beiträge von ihr über die AfD geteilt. Da er selber seine Probleme mit der EU habe, sei es auch für ihn zu gefährlich, nach Europa zu reisen, sagt Seibt. Gerade in Deutschland gebe es gegenwärtig bei zu vielen Leuten Hausdurchsuchungen. «Ich weiss, ich wäre als Nächste dran.»
Sie erinnert an den Polizeieinsatz bei dem Rentner, der Habeck einen «Schwachkopf» genannt hat. Sie denkt auch an David Bendels vom Online-Magazin «Deutschland-Kurier», der zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, weil er eine diffamierende Fotomontage der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser verbreitet hat.
Gegen die gewaltverherrlichende Linke
In Amerika, sagt die Influencerin, könnten die Leute nicht glauben, dass es im deutschen Strafgesetz den Paragrafen 188 gebe, der es verbiete, einen Politiker zu beleidigen oder seinen Ruf zu schädigen. Das müsse eine Demokratie doch aushalten können: «Ich sehe es geradezu als meinen Job, den Ruf von Politikern zu schädigen.»
Dass es nach Charlie Kirks Ermordung auch in den USA zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit gekommen ist, hält Seibt für nicht vergleichbar. Wie das Attentat auf Kirk von manchen Linken glorifiziert worden sei, «geht nicht unter Meinungsfreiheit». Das sei ein Aufruf zur Gewalt, sagt sie. Auch die Bestrebungen der Trump-Regierung, mit Klagen gegen regierungskritische Medien wie die «New York Times» vorzugehen, findet sie unbedenklich.
Zu Recht gehe der Präsident gegen die «massive Diffamierung» vor, sagt sie vielmehr. Wegen ihres Termins bei Alex Jones bleibt keine Zeit, das Thema zu vertiefen. Eine Gefahr, dass sich zunehmend auch eine rechte Cancel-Culture ausbreitet, sieht Seibt jedenfalls nicht. Sie müsse jetzt leider auflegen, sagt sie. Mit dem abschliessenden Einwand, dass eine linksextreme Influencerin im gegenwärtigen Amerika kaum Asyl beantragen könnte, kann sie ohnehin nichts anfangen. «Ich sehe mich nicht als rechtsextrem.»