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Kotré, Krah, Kalbitz - einflussreiche (Ex)-AfD-Politiker gehen am Lehnitzsee ein und aus
Auch führende Vertreter der Brandenburger AfD sollen regelmäßig auf dem Anwesen verkehren, darunter der Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré und der ehemalige AfD-Landeschef Andreas Kalbitz. Die AfD-nahe Publizistin Silke Schröder hat mindestens einmal den Salonabend „Der konservative Aperitif“ auf dem Anwesen veranstaltet. Schröder ist auch für den verschwörungsideologischen Sender AUF1 tätig gewesen.
Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahl 2024, soll der Geschäftsführerin persönlich nahestehen und war mehrfach bei Veranstaltungen auf dem Gelände. Krah wird dem völkischen Flügel der AfD zugerechnet und steht dem vom Verfassungsschutz beobachteten „Institut für Staatspolitik“ nahe.
So nennt sich die rechtsextremistische Denkfabrik von Götz Kubitschek, er ist so etwas wie ein Chefideologe der gesamten Szene, der Vordenker des Völkischen in der AfD. Kubitschek soll die Inhaber des Anwesens 2021 und 2022 besucht haben. Dasselbe gilt für Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen Compact-Magazins. Beide gelten als führende rechtsextreme Strategen der Szene. Auch Aktivisten der Identitären Bewegung sollen zu Gast gewesen sein.
Die Geschäftsführerin des zum Anwesen gehörenden Gästehauses sagte dem Tagesspiegel: „Keine der Personen war Gast des Gästehauses. Ob sie auf einzelnen Veranstaltungen eines Mieters zu Gast waren, entzieht sich meiner Kenntnis.“ Ähnlich reagierte sie auf Fragen, ob die AfD oder die Junge Alternative sich auf dem Anwesen traf. Sie sei nicht in das Vermietungsgeschäft involviert, Auskünfte würden gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen.
Eigentümer verneint direkte AfD-Veranstaltungen, schließt sie aber über Umweg nicht aus
Der Eigentümer der Villa ließ Fragen des Tagesspiegels zu einzelnen Gästen unbeantwortet. Auf dem Gelände des Gästehauses seien Veranstaltungen der AfD und anderer Organisationen jedoch aufgrund des Mietvertrags ausgeschlossen. Und weiter: „Über Gäste privat gebuchter Veranstaltungen ist weder mir noch dem Betreiber irgendetwas bekannt.“
Auf dem Gelände nebenan wird ein privater Radiosender betrieben. Dessen Mitarbeiter war schon für die AfD-Fraktion in Berlin tätig. Der Redaktionsleiter ist Gastgeber der „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“, einem konservativen bis neurechten Netzwerktreffen . Dort zu Gast war etwa Hans-Georg Maaßen, der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Auch das Anwesen am Lehnitzsee soll Maaßen mehrere Male besucht haben.
Bei einem Treffen im August 2023 waren auch AfD-Politiker dabei, Teilnehmer haben diskutiert, wie die „Brandmauer“ zwischen CDU und AfD überwunden werden kann. Etwa durch die Gründung einer neuen Partei, wie es nun Maaßen mit der rechtskonservativen Werte-Union aus der CDU heraus vorhat. Im November 2023 sprachen die umstrittene Brandenburger CDU-Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig und die AfD-nahe Publizistin Silke Schröder über die „Aufarbeitung der Corona-Pandemie“.
Rechtsextreme und AfD schmiedeten Masterplan für „Remigration“ von Ausländern und Deutschen
In dieses Bild passt, was nun das Rechercheportal Correctiv berichtet. Demnach haben sich am 25. November 2023 einflussreiche AfD-Politiker – darunter der persönliche Referent Alice Weidels – mit Neonazis und potenziellen Geldgebern getroffen. Darunter war dem Bericht zufolge etwa der frühere Chef der rechtsextremistischen „Identitären“ in Österreich, Martin Sellner.
Eingeladen haben soll zu dem Treffen etwa der ehemalige Mitbesitzer der Bäckerei-Selbstbedienungs-Kette „Backwerk“, Hans Christian Limmer, heute einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke „Hans im Glück“.
Thema der Gespräche war nach den Recherchen von Correctiv eine Strategie für die „Remigration“ von Millionen von Ausländern aus Deutschland und Menschen mit deutschem Pass. Schon in der Einladung stand: Es gehe um ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“. Denn die „Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen“, seien „so groß wie nie zuvor“.
Laut dem Schreiben von Unternehmer Limmer und dem früheren Bundeschef des Bundes Heimattreuer Jugend, Gernot Mörig, war eine „Mindestspende von 5000 Euro“ für die Teilnahme nötig. Sie machten klar, dass „die Sammlung von Unterstützungsmitteln eine Kernaufgabe unserer Runde ist“. In einem weiteren Schreiben von Mörig wurde der Rechtsextremist Sellner angekündigt.
„Musterstaat“ in Nordafrika: AfD-Politiker sollen bizarrer Idee zugestimmt haben
Wie Correctiv berichtet, hat Sellner ein rechtsextremistisches Konzept vorgetragen, das die AfD bislang nicht ihr Eigen nennt, sondern sogar Abstand dazu nimmt: die „Remigration“ auch von deutschen Staatsbürgern mit Zuwanderungsgeschichte. Diskutiert wurde auch, wie sich das umsetzen ließe, sollte die AfD in Regierungsverantwortung kommen.
Bei dem Treffen anwesende AfD-Politiker sollen der Idee zugestimmt haben: „maßgeschneiderte Gesetze“ für einen „hohen Anpassungsdruck“ auf Menschen mit Migrationsgeschichte, eine Art „Musterstaat“ in Nordafrika, wo bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, gern auch Flüchtlingshelfer aus der Bundesrepublik.
Auch der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, war dem Bericht zufolge dabei. Demnach habe er zugesagt, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen. Bei dem Treffen soll ferner vereinbart worden sein, dass mit den Spenden der Teilnehmer und mit Unterstützung der AfD Aktivitäten in Social-Media-Kanälen aufgebaut werden. Weidel-Vertrauter Hartwig soll laut Bericht zugesagt haben, der neue Bundesvorstand sei bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Themen zu betreiben, die nicht nur unmittelbar der Partei zugutekommen.
Der AfD-Fraktionschef aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, soll gesagt haben: Man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es „für diese Klientel möglichst unattraktiv zu leben“ werde. Auch die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy soll bei dem Treffen dabei gewesen sein.
Mörig und Limmer widersprachen dem Correctiv-Bericht in Teilen. Spenden seien keine Bedingung für die Veranstaltung gewesen, Mörig sei alleiniger Veranstalter gewesen. Zudem hätten sie sicherlich widersprochen, wenn die Ausweisung deutscher Staatsbürger gefordert worden wäre. Der AfD-Landtagsabgeordnete Siegmund will als Privatperson dabei gewesen sein.
Von Henri Kramer, Dominik Lenze, Alexander Fröhlich
Das Original zu diesem Beitrag "Bei Geheimtreffen mit AfD-Politikern planten Rechte die Abschiebung von Millionen" stammt von Tagesspiegel.
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