Weil wir schon bei den asozialen Medien sind:
Der andere Blick von Beatrice Achterberg, Berlin
Meldestellen sind ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Deutschland braucht keine Zensurapparate
Die Bundesregierung will private Hinweisgeber einsetzen, angeblich um strafbare Inhalte in den sozialen Medien schneller zu löschen. Doch es geht um mehr.
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08.10.2024, 18.10 Uhr
Chefbürokrat der Bundesnetzagentur: Klaus Müller ist eigentlich für Elektrik, Gas, Telekommunikation, Post und die Eisenbahn zuständig. Neuerdings widmet er sich auch der freien Meinungsäusserung.
Imago / Horst Galuschka
Sie lesen einen Auszug aus dem werktäglichen Newsletter «Der andere Blick», heute von Beatrice Achterberg, Redaktorin der NZZ in Berlin. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.
Anfang Oktober verkündete die Bundesnetzagentur freudig, dass Deutschland mit der Meldestelle «Respect!» ihren ersten «Trusted Flagger» habe. Aufgabe dieser angeblich «vertrauenswürdigen Hinweisgeber» sei es, das Internet auf «problematische Inhalte» wie «terroristischer Propaganda» zu untersuchen und diese «schnell und ohne bürokratische Hürde» zu löschen. Es handele sich dabei um die Umsetzung der von der EU verordneten «Digital Services Act», also um die Bekämpfung illegaler Inhalte im Internet. Doch dahinter verbirgt sich mehr: ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.
Digitale Plattformen wie Facebook, Instagram, Youtube und X (ehemals Twitter) sind laut EU-Gesetz verpflichtet, Meldungen von sogenannten «Trusted Flaggern» vorrangig zu behandeln und «unverzüglich Massnahmen» zu ergreifen.
Das wäre schon für sich genommen riskant, selbst wenn es sich ausschliesslich um illegale Inhalte handeln würde. Doch die Äusserungen von Klaus Müller selbst, dem Chef der Bundesnetzagentur, lassen daran Zweifel aufkommen. Er sprach nämlich nicht nur von Terrorpropaganda, sondern auch von «Hass» und «Fake-News». Darunter kann vieles fallen. So unschön Hass ist, er ist nicht verboten. Falsch informiert zu sein, ist ebenfalls nicht verboten. Diese Schwammigkeit ist ein Einfallstor für staatliche Zensur.
Meldeportale widersprechen dem Grundgesetz
Das Grundgesetz ist eindeutig: Es darf keine Zensur stattfinden. Sollten die Meldeportale so umgesetzt werden, wie Müller es andeutet, wäre das verfassungswidrig. Nur Gerichte dürfen entscheiden, welche Aussagen strafbar sind und welche nicht. Für Anzeigen wegen Beleidigungen oder Verleumdung ist die Polizei zuständig.
Spoiler
Doch das ist nicht das einzige Problem der «Trusted Flagger». Wer meint, dass es sich hier tatsächlich um vertrauensvolle Hinweisgeber handelt, wie der Begriff nahelegt, der täuscht sich. Es handelt sich um Privatpersonen, die bei staatlich geförderten Organisationen arbeiten.
Das baden-württembergische Meldeportal «Respect!» etwa wird indirekt vom grünen Bundesfamilienministerium und direkt vom bayrischen Staatsministerium finanziert. Wie die aktivistischen Mitarbeiter mit eingereichten Inhalten umgehen, die «Hass und Hetze» oder «Desinformation» gegen grüne Politiker oder grün besetzte Ministerien enthalten, lässt sich leicht erahnen.
Meldestellen, die unter dem Vorwand der vermeintlich wohlgesinnten Zivilgesellschaft gegen Äusserungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorgehen, sind nichts anderes staatlich geförderte Zensurapparate.
Pandemie war ein Vorgeschmack für Zensur
Während der Corona-Pandemie konnte man sowohl in Deutschland als auch international eine Vorahnung davon bekommen, wie mit Informationen umgegangen wird. Selbst harmlose Aussagen zum Virus, zu Impfungen oder Krankheitsverläufen wurden oft mit dem Hinweis versehen: «Aktuelle wissenschaftliche Informationen finden Sie bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.»
Um vermeintliche Desinformation zu bekämpfen, wurde das mit Steuergeldern finanzierte Portal «Correctiv» beauftragt. Im Falle angeblich problematischer Informationen wurden diese mit einem Hinweis für den Leser versehen. Doch was passiert, wenn die Bundesregierung selbst Falschinformationen verbreitet? Die Behauptung, es werde keine gesetzliche Impfpflicht geben, erwies sich mit der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht als falsch – ein Faktencheck von «Correctiv» dazu steht allerdings bis heute aus.
Durch derart voreingenommene «Faktenchecker» wurden missliebige Meinungen unterdrückt, teilweise diskreditiert. Gesellschaftliche Gräben vertieften sich dadurch. Es ist kaum überraschend, dass der Freiheitsindex im Jahr 2023 zeigte, dass 44 Prozent der Befragten überzeugt sind, dass es besser sei, sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig zu äussern. Im Jahr 1990 stimmten noch 78 Prozent der Aussage zu, dass man in Deutschland frei sprechen könne.
Meldeportale und «vertrauenswürdige Melder», egal wie blumig ihre Etiketten sein mögen, würden dieses Gefühl weiter befeuern. Eine Zeit, in der Privatmeinungen engmaschig überwacht und im Zweifel von anderen Privatpersonen gemeldet wurden, gab es schon einmal: Es war die Zeit des Überwachungsstaates DDR. Die Bundesregierung sollte deshalb von jeglichen privaten «Hinweisgebern» Abstand nehmen.
https://www.nzz.ch/der-andere-blick/bundesnetzagentur-respect-meldestellen-gefaehrden-die-meinungsfreiheit-ld.1851972Da hat die Frau Achterberg doch mal recht: In der Tat gibt es durch das Grundgesetz keine uneingeschränkte Meinungsfreiheit und vor allem nicht das, was einige Herrschaften dafür halten.
Und in der Tat sollte man sich zuvor überlegen, ob man eine „Meinung“ tatsächlich öffentlich kundtun sollte, weil ja Volksverhetzung z.b. nur etwas sein kann, was man öffentlich äußert.
Das mit der Zensur interessiert mich: Wo sitzt diese Behörde und wer ist ihr Leiter?
Ansonsten petzt das RSS sehr gerne bei der Meldestelle Respect, dort sitzen MA, die schon mal vorprüfen und im Falle einer Strafbarkeit an die Ermittlungsbehörden weiterleiten. Da kam es schon vor, dass das RSS einen Anruf von einem Polizeikommissär aus Regensburg erhielt, ob man denn bereit sei als Zeuge auszusagen. Das RSS war bereit.
Bei strafbaren Inhalten wie einem HKNKRZ im Profil veranlaßt man dort das Nötige und das RSS hat nicht so viel Arbeit damit als wenn es das alles selbst machen müßte.
Bei gleichem Ergebnis ist nämlich der Arbeitsaufwand mit etwa 45 Minuten doch ganz erheblich.
Sicherlich gibt es auch in der Schweiz Regulativmechanismen zu dem, was öffentlich „geht“ und was nicht?