Sie protestieren gegen Bußgeldbescheide, schreiben Landräten ellenlange Briefe und beschimpfen Beamte – das LKA warnt vor Reichsbürgern, die Behördenmitarbeiter behelligen. Wir haben uns umgehört.
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Reichsbürger, die Behörden nerven, gibt es auch in der Region. Zum Beispiel Peter F.. Er besitzt keinen Personalausweis und soll deshalb Bußgeld bezahlen. Das will er nicht. Also schreibt er der Bußgeldbehörde und führt aus, warum. Weil er als Bürger des Deutschen Reichs, das derzeit von Polen besetzt sei, der Bundesrepublik Deutschland gegenüber in keiner Pflicht stehe.
Weil das Personalausweisgesetz nicht gültig sei: „Es wurde von einem auf grundgesetzwidrige Weise gewählten sogenannten Bundestag beschlossen.“ Ohnehin sei die BRD eine Firma und alle in ihrem Rechtskreis Lebenden „nur Untertanen und damit Sachen.“
Es sind Worte, auf mehreren Seiten, die ihn eindeutig als Reichsbürger zu erkennen geben – das ist die sehr heterogene Gruppe, die die Bundesrepublik und ihre Gesetze ablehnt. Der Einspruch, aus dem beispielhaft zitiert wurde, steht online auf einer Seite der Strömung.
Parallelwelt und wirre Gedanken
Der Durchschnitts-Südbadener dürfte mit der auf wirren Gedanken bauenden Parallelwelt der Reichsbürger kaum zu tun haben. Vor Nachbarn und Arbeitskolleginnen leben Mitglieder der Szene meist inkognito. Die Menschen aber, die in Landratsämtern und Rathäusern der Region arbeiten, kennen die Denke der als extremistisch eingestuften Gruppe zu gut. Denn: Geht es um Behörden, die in den Augen der Reichsbürger Repräsentanten eines „Besatzerstaates“ sind, wird das Klientel laut. „Reichsbürger haben den Drang zu opponieren, das geht los beim Schornsteinfeger und endet beim Personalausweis“, sagt Andreas Taube, Leiter der Abteilung Staatsschutz beim Landeskriminalamt.
Eva Marie Stegmann
EVA MARIE STEGMANN
Reichsbürger, die Behörden nerven, gibt es auch in der Region. Zum Beispiel Peter F.. Er besitzt keinen Personalausweis und soll deshalb Bußgeld bezahlen. Das will er nicht. Also schreibt er der Bußgeldbehörde und führt aus, warum. Weil er als Bürger des Deutschen Reichs, das derzeit von Polen besetzt sei, der Bundesrepublik Deutschland gegenüber in keiner Pflicht stehe.
Weil das Personalausweisgesetz nicht gültig sei: „Es wurde von einem auf grundgesetzwidrige Weise gewählten sogenannten Bundestag beschlossen.“ Ohnehin sei die BRD eine Firma und alle in ihrem Rechtskreis Lebenden „nur Untertanen und damit Sachen.“
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SCHWERPUNKT
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Es sind Worte, auf mehreren Seiten, die ihn eindeutig als Reichsbürger zu erkennen geben – das ist die sehr heterogene Gruppe, die die Bundesrepublik und ihre Gesetze ablehnt. Der Einspruch, aus dem beispielhaft zitiert wurde, steht online auf einer Seite der Strömung.
Parallelwelt und wirre Gedanken
Der Durchschnitts-Südbadener dürfte mit der auf wirren Gedanken bauenden Parallelwelt der Reichsbürger kaum zu tun haben. Vor Nachbarn und Arbeitskolleginnen leben Mitglieder der Szene meist inkognito. Die Menschen aber, die in Landratsämtern und Rathäusern der Region arbeiten, kennen die Denke der als extremistisch eingestuften Gruppe zu gut. Denn: Geht es um Behörden, die in den Augen der Reichsbürger Repräsentanten eines „Besatzerstaates“ sind, wird das Klientel laut. „Reichsbürger haben den Drang zu opponieren, das geht los beim Schornsteinfeger und endet beim Personalausweis“, sagt Andreas Taube, Leiter der Abteilung Staatsschutz beim Landeskriminalamt.
Andreas Taube leitet die Abteilung Staatsschutz beim Landeskriminalamt in Stuttgart.
Andreas Taube leitet die Abteilung Staatsschutz beim Landeskriminalamt in Stuttgart. | Bild: Landeskriminalamt
Ellenlange Einsprüche gegen Bußgeldbescheide sind nur ein Beispiel, wie Mitarbeiter der Kreis-Verwaltungen von Konstanz bis Waldshut wertvolle Zeit und Nerven an Reichsbürger verlieren. Das mache viel Aufwand, sagt Heike Frank, Sprecherin des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis. „Je nach Einzelfall kann es sein, dass sich die Sachbearbeiter über einen längeren Zeitraum hinweg mit einem Vorgang beschäftigen müssen.“
Auch Beschimpfungen und Anfeindungen der Sachbearbeiter habe es schon gegeben. Zu Ortsterminen gehe man grundsätzlich nie allein.
Wie präsent ist das Thema im Alltag?
Wie intensiv Reichsbürger die Kreis-Ämter behelligen, unterscheidet sich in der Region. Susanna Heim vom Landkreis Waldshut sagt: „Das Thema Reichsbürger und Selbstverwaltern taucht in unserem Alltag häufiger auf, beschäftigt uns aber auch nicht tagtäglich.“ Marlene Pellhammer gibt Auskunft für den Kreis Konstanz: „Im Alltag spielt das Thema in der Regel keine große Rolle.“
Im Bodenseekreis hingegen gibt es laut Sprecher Lars Gäbler pro Woche im Schnitt zweimal auffälliges Reichsbürger-Verhalten. Und: Häufig treten die Personen mehrfach in Erscheinung. Von einem „gewissen Aufwand“ mit Reichsbürgern berichtetet Heike Frank vom Schwarzwald-Baar-Kreis.
Wo fallen Reichsbürger im Landratsamt auf?
Innerhalb der Landratsämter gibt es Abteilungen, die viel Reichsbürger-Kontakt haben, andere gar nicht. Aus unserer Recherche ergibt sich, dass vor allem Bußgeldbehörden, Straßenverkehrsbehörden und Ordnungsämter im Fokus der Gruppe stehen. Außerdem, sagt Susanna Heim vom Waldshuter Landratsamt, die Waffenbehörde und die Abfallwirtschaft. Im Bodenseekreis nennt Sprecher Lars Gäbler das Jugend- und das Sozialamt. „Grundsätzlich kann jede Stelle, die Kontakt mit Bürgern hat, betroffen sein“, so Heim.
Wie sehen typische Aktionen aus?
„In der Regel geht es hier um den Versuch, behördlichen Anordnungen, beispielsweise Bußgeldbescheiden, zu entgehen oder ein Mehr an Leistungen zu erreichen“, sagt Bodenseekreis-Sprecher Lars Gäbler. Dabei verweisen die Reichsbürger unter anderem darauf, dass das Grundgesetz außer Kraft und der Bußgeldbescheid nicht gültig sei. Oder dass die BRD und das Landratsamt gar nicht existierten.
Grundsätzlich: Keine Diskussion!
Fällt jemand auf, werden Verdachtsfälle, die auf eine mögliche Einstufung zum Reichsbürger oder Selbstverwalter hinweisen, direkt an das Landesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet.„Meistens erhalten wir die Anträge per Post. Tauchen die Reichsbürger aber mal persönlich auf, ist der Ton schon eher aggressiv“, sagt Susanna Heim. Gefährlich sei es bisher noch nie gewesen.
Das bestätigen alle übereinstimmend. Lars Gäbler vom Bodenseekreis sagt: „Über gefährliche Situationen ist bisher nichts bekannt. Wir lassen uns auch grundsätzlich nicht auf Diskussionen zu den Standpunkten der Reichsbürger und Selbstverwalter ein.“
Sind Behördenmitarbeiter gut gerüstet?
Die Kreisverwaltungen rüsten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Umgang mit Reichsbürgern. Das Innenministerium hat Handreichungen und Arbeitshilfen herausgegeben, die in allen Landratsämtern verfügbar sind. In den Kreisen Konstanz und Waldshut benennen die Sprecherinnen keine weiteren Angebote.
Ansprechpartner für Umgang mit Reichsbürgern
Im Schwarzwald-Baar-Kreis und im Bodenseekreis hingegen sitzen zentrale Ansprechpartner, an die sich die Angestellten mit Fragen und Problemen rund um Reichsbürger wenden können. Laut Schwarzwald-Baar-Kreis-Sprecherin Heike Frank bestehe die Option, dass betroffene Mitarbeiter sich mit der Kriminalpolizei austauschen. Sachbearbeiter und zentrale Ansprechpartner können vom LKA geschult werden. Auch im Bodenseekreis setzt man auf externe Schulungen.