Autor Thema: AG Hamburg 248a OWi 310/22 v. 8.9.2022 „Zurückweisung“  (Gelesen 879 mal)

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Offline Reichsschlafschaf

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Hatten wir wohl noch nicht:



Zitat
Gericht:   AG Hamburg 248a OWi 310/22
Entscheidungsdatum:   08.09.2022
Aktenzeichen:   248a OWi 310/22
Dokumenttyp:   Beschluss
Quelle:   juris Logo
Normen:   § 70 Abs 1 OWiG, § 300 StPO
Dokumentreiter


Tenor

    Die „Zurückweisung“ wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Gründe

    I.

Randnummer1

    Der Betroffenen parkte mit seinem Fahrzeug auf dem Mittelstreifen (gepflastert, mittels Bordstein erhöht) der Breitenfelder Straße. Es erging am 01.08.2022 ein Bußgeldbescheid über eine Geldbuße von € 25,-. Mit Schreiben vom 10.08.2022 erklärte der Betroffene seine „Zurückweisung“. Im Briefkopf seines Schreibens bezeichnet er sich als „Mensch mit Natürlicher Person entspr. § 1 des staatlichen BGB, Stand 1896“.

    II.

Randnummer2

    1. Die „Zurückweisung“ war als unzulässig zu verwerfen nach § 70 Abs. 1 OWiG. Danach verwirft das Gericht den Einspruch als unzulässig, wenn die Vorschriften über die Einlegung des Einspruchs nicht beachtet sind.

Spoiler
Randnummer3

    Vorliegend war die im Schreiben des Betroffenen vom 10.08.2022 enthaltene Erklärung nicht als Einspruch auszulegen.

Randnummer4

    Dieser Fall, dass eine Erklärung des Betroffenen von ihrem Inhalt her überhaupt keinen Einspruch darstellt, fällt unter § 70 Abs. 1 OWiG. Die Alternative wäre, dass die Verwaltungsbehörde sofort ins Vollstreckungsverfahren überginge und der Betroffene gegen die Vollstreckung Rechtsschutz suchen müsste. Wenn man den vorstehend skizzierten Fall jedoch unter § 70 Abs. 1 OWiG fasst, wird dem Betroffener ein umfassender Rechtsschutz ermöglicht. Über die sofortige Beschwerde (vgl. § 70 Abs. 2 OWiG) kann der Betroffenen noch vor dem Vollstreckungsverfahren klären, ob er überhaupt Einspruch eingelegt hat.

Randnummer5

    § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i. V. m. § 300 StPO, wonach ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels unschädlich ist, gebietet keine Auslegung des Schreibens als Einspruch. Diese Vorschrift soll bezwecken, dass es nicht auf das gebrauchte Wort ankommen soll, sondern darauf, was der Rechtsmittelführer will. Besteht kein Zweifel daran, dass er eine Entscheidung anfechten will, soll er keinen Nachteil daraus erleiden, dass er sein Rechtsmittel nicht richtig oder gar nicht bezeichnet. Voraussetzung für eine Auslegung des nicht oder irrtümlicherweise falsch bezeichneten Rechtsmittels ist jedoch ein Anfechtungswille. Dieser muss aus der Erklärung deutlich hervorgehen. Die bloße Mitteilung, mit der Entscheidung nicht zufrieden zu sein, ist keine Anfechtungserklärung (Paul, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 300, Rn. 1 f.).

Randnummer6

    Der Betroffene hat das Bußgeldverfahren als Privatrechtsverhältnis zwischen der Stadt Hamburg und sich selbst eingeordnet. Der Bußgeldbescheid sei eine „Täuschung“, „aufgrund fehlender Unterschrift ein Entwurf“, „ungültig“ und ein „Angebotsschreiben“. Er verlangte u. a. „eine notarielle Gründungsurkunde des Staates, auf den Sie Ihre Vereidigung begründen.“ und setzte hierfür eine Frist. Bei Fristüberschreitung kündigte er an, davon auszugehen „daß Sie selbst privat- und vertragsrechtlich und Ihre Firma etc. nach Firmen- und Vertragsrecht als Unternehmen ... handeln“. Es folgte weiterer Sermon dieser Art. Abschließend wurde der Behörde mitgeteilt, das Angebot zurückzuerhalten; dem Schreiben war der Bußgeldbescheid beigefügt.

Randnummer7

    Der Betroffene drückt durch sein Schreiben zum einen seine Missachtung gegenüber dem Rechtsstaat sowie dessen Institutionen aus und versucht beiden die Legitimität abzusprechen; derart verquere Äußerungen sind als von der Meinungsfreiheit gedeckt in einer Demokratie zwar auszuhalten. Entscheidend ist aber, dass er durch die Einstufung des Bußgeldverfahrens als privatrechtlich dem Staat das Gewaltmonopol abspricht. Der Betroffene meint, die Ahndung seines Verhaltens sei von seiner Mitwirkung abhängig; der Staat könne ihm gegen seinen Willen gar kein Bußgeld auferlegen. Daraus zieht das Gericht den Schluss, dass der Betroffenen bei den Gerichten gar keinen Rechtsschutz ersucht. Denn nach seiner Logik bedarf es eines solchen nicht; er habe den Bußgeldbescheid ja nicht angenommen, sodass dieser ihn gar nicht belaste.

Randnummer8

    Dass diese Rechtsansicht nicht bloß abwegig, sondern schlicht falsch ist, führt nicht dazu, das Schreiben des Betroffenen als Einspruch auszulegen. Der wehrhafte Rechtsstaat ist nicht gehalten, seinen Gegnern den roten Teppich auszulegen und jede Injurie auch noch durch die Bühne eines Gerichtsprozesses zu belohnen, wenn es dem Betroffenen gar nicht um die Sache geht, sondern allein um die Verächtlichmachung des Rechtsstaates. Wer als Gegner der Verfassung, die Gerichte in Anspruch nehmen möchte, muss sich zumindest an die Mindestanforderungen halten, die die jeweilige Verfahrensordnung hierfür aufstellt.

Randnummer9

    2. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch in der Sache kein Erfolg gesehen wird. § 12 Abs. 4 StVO verbietet ein solches Parken wie es der Betroffene vorliegend getan hat.

Randnummer10

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 2 OWiG.
[close]
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE230043715


Wie jetz?

Die wollen eine Zurückweisung gar  nicht anerkennen?   :scratch:
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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Offline kairo

Re: AG Hamburg 248a OWi 310/22 v. 8.9.2022 „Zurückweisung“
« Antwort #1 am: 25. März 2023, 12:50:59 »
Hatten wir wohl noch nicht:
...
Die wollen eine Zurückweisung gar  nicht anerkennen?

Die Lektüre tut richtig gut.

Jetzt werden noch Gerichtskosten fällig. Die dürften dann wohl deutlich über 25 € liegen. Schadet ihm gar nichts. Reichsbürger zu sein ist ohne Zweifel eine hohe Ehre, aber nun mal kein billiges Vergnügen.
 
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Offline Landgraf

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Re: AG Hamburg 248a OWi 310/22 v. 8.9.2022 „Zurückweisung“
« Antwort #2 am: 25. März 2023, 13:05:59 »
Vorgehen und Begründung des AG Hamburg würden sich gut als Vorlage für andere Gerichte eignen, welche es mit so einer "Kundschaft" zu tun haben.
2 Dinge sind unendlich: das Universum und die Dummheit der Reichsbürger und Selbstverwalter. Beim Universum bin ich mir aber nicht ganz sicher. (frei nach Einstein)
 
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Re: AG Hamburg 248a OWi 310/22 v. 8.9.2022 „Zurückweisung“
« Antwort #3 am: 25. März 2023, 14:01:47 »
Die Zurückweisung wird zurückgewiesen.
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

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Offline Tuska

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Re: AG Hamburg 248a OWi 310/22 v. 8.9.2022 „Zurückweisung“
« Antwort #4 am: 25. März 2023, 14:20:03 »
Off-Topic:
Jetzt werden noch Gerichtskosten fällig. Die dürften dann wohl deutlich über 25 € liegen. Schadet ihm gar nichts. Reichsbürger zu sein ist ohne Zweifel eine hohe Ehre, aber nun mal kein billiges Vergnügen.

"Bußgeldsachen bemessen sich die Gerichtsgebühren für alle Rechtszüge nach der rechtskräftig festgesetzten Geldbuße. Mehrere Geldbußen, die in demselben Verfahren gegen denselben Betroffenen festgesetzt werden, sind bei der Bemessung der Gebühr zusammenzurechnen."

Hauptverhandlung mit Urteil oder Beschluss ohne Hauptverhandlung (§ 72 OWiG) liegen zB bei 10 % des Betrags der Geldbuße – mindestens 55,00 und höchstens 16 500,00. (Nr. 4110 Kostenverzeichnis/Anlage 1 Gerichtskostengesetz.)
"Tuska jedoch verteufelt alle, die nicht in Sack und Asche gehen. Entweder, weil sie mit Konsum oder aber (doppelmoralistisch, versteht sich) mit Tugenden protzen. Mich deucht, unser Vorzeige-Katholik ist ein kleiner Luther." – Rechtsfinder
 
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Re: AG Hamburg 248a OWi 310/22 v. 8.9.2022 „Zurückweisung“
« Antwort #5 am: 25. März 2023, 15:34:26 »
Das geht noch durch mehrere Instanzen reichsbürgerschen "Denkens". Nach oben ist noch Luft.
«Die Dummheit hat aufgehört, sich zu schämen»
 
(Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Heidi Kastner)
 
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Re: AG Hamburg 248a OWi 310/22 v. 8.9.2022 „Zurückweisung“
« Antwort #6 am: 25. März 2023, 16:26:13 »
Vorgehen und Begründung des AG Hamburg würden sich gut als Vorlage für andere Gerichte eignen, welche es mit so einer "Kundschaft" zu tun haben.

Allerdings. Besonders den Abschnitt sollten sich so einige Gerichte/Behörden ausgedruckt an die Wand nageln:

Zitat
Gericht:   AG Hamburg 248a OWi 310/22

Der wehrhafte Rechtsstaat ist nicht gehalten, seinen Gegnern den roten Teppich auszulegen und jede Injurie auch noch durch die Bühne eines Gerichtsprozesses zu belohnen, wenn es dem Betroffenen gar nicht um die Sache geht, sondern allein um die Verächtlichmachung des Rechtsstaates. Wer als Gegner der Verfassung, die Gerichte in Anspruch nehmen möchte, muss sich zumindest an die Mindestanforderungen halten, die die jeweilige Verfahrensordnung hierfür aufstellt.

Grandios.
Sebastian Leber über Rüdi: Hoffmanns Beweisführung ist, freundlich ausgedrückt, unorthodox. Es geht in seinen Filmen drunter und drüber wie bei einem Diavortrag, bei dem der Vortragende kurz vor Beginn ausgerutscht ist und alle Dias wild durcheinander auf den Boden flogen.
 
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