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Fitzeks Zentrale liegt in einer ehemaligen Konservenfabrik in Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt. 60 Menschen sollen laut seinen Angaben dort arbeiten, was schwer zu überprüfen ist. Inzwischen hat er auch zwei renovierungsbedürftige Schlösser in Sachsen gekauft: Schloss Bärwalde in Boxberg in der Oberlausitz für 1,3 Millionen Euro und das Wolfsgrüner Schlösschen in Eibenstock im Erzgebirge für 2,3 Millionen Euro. In beiden Fällen warnten die Behörden, konnten den Verkauf aber nicht verhindern.
Auf dem Gelände sollen besagte «Gemeinwohldörfer» mit autarker Landwirtschaft, Seminarzentren und Häusern für die «Staatsangehörigen» entstehen. Hier gelte die Reichsverfassung des «KRD» und nicht mehr das Grundgesetz, teilte Fitzek seinen Anhängern im Dezember mit und hisste mit reichlich Pathos die Flagge des «Königreiches».
Nun ist es kein Geheimnis, dass Fitzek über Gefolgsleute seine Immobilienkäufe abwickeln lässt, denn er hat seinen Personalausweis schon lange abgegeben. Das Geld für die Immobilien stammt von seinen Anhängern. Sie zahlen für «gemeinnützige Zwecke des Königreiches» ein. Manche hätten ihm einfach 200 000 Euro oder Goldbarren geschenkt, prahlt Fitzek im Internet. Über das Geld kann er nach Gutdünken verfügen, in seinem «Staat» ist er niemandem rechenschaftspflichtig. «Die Leute verlassen sich auf mein Wort. Wenn ich sage, wir lassen dich nicht im Regen stehen, dann ist das so», sagt er in einem Interview. Dass das wirklich so ist, bezweifeln die Behörden.
Anhänger geben Geld für Scheinversicherungen
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) untersagte ihm schon mehrfach unerlaubte Finanzgeschäfte. Erst vor einigen Tagen liess sie seine «Gemeinwohlkassen» schliessen. Mehrfach wurde Fitzek wegen Urkundenfälschung, unerlaubter Versicherungsgeschäfte, Beleidigung und Fahrens ohne Führerschein, den er schon 2012 abgegeben hatte, verurteilt. Rund zwei Jahre sass er in Haft. Ein Urteil wegen Untreue und unerlaubter Bankgeschäfte hatte der Bundesgerichtshof 2018 wegen mangelnder Begründung wieder aufgehoben. Das Verfahren muss nun neu aufgerollt werden.
Trotz allen Warnungen breitet sich das «Königreich» immer weiter aus. Es gibt das Internetportal Kadari, auf dem jede Art von Dienstleistungen – von esoterischer Energiebehandlung bis zu Handwerksarbeiten – angeboten werden. «Staatsbürger» sind angehalten, Seminare zum «Systemausstieg» zu buchen oder «lizenzierte Redner» einzuladen. Sie können sich zum «Klimagisten» ausbilden lassen oder mit der Geisterwelt kommunizieren. Angepriesen wird auch der Erwerb von Fitzeks Autobiografie «Peter I. – Menschensohn» für umgerechnet rund 990 Euro. Bezahlt wird in der eigenen Währung Engel-Mark. Das Umtauschverhältnis legt Fitzek per Gesetz fest. Weitere Einnahmequellen sind Scheinkrankenkassen und Phantasieversicherungen.
«Das ‹Königreich Deutschland› ist ein reines Geschäftsmodell. Fitzek nutzt seine Jünger gnadenlos aus», sagt Brandenburgs Verfassungsschutzpräsident Jörg Müller. Er rechnet vor, wenn 5000 «Staatsbürger» einmal im Jahr ein Seminar für 300 Euro buchten, nehme Fitzek schon 1,5 Millionen Euro ein. «Es gibt viele Menschen, die ihm Geld schenken, das er veruntreut. Da gibt es noch anhängige Gerichtsverfahren», sagt Müller.
Dorfbewohner verbünden sich gegen Reichsbürger
In dem brandenburgischen Ort Rutenberg schlagen die Bewohner Alarm. Sie befürchten die Übernahme ihres 180-Seelen-Dorfes durch Fitzek und seine Gefolgsleute. Sie wissen, dass es der Phantasiemonarch auf verschiedene Immobilien im Dorfkern abgesehen hat, die zum Verkauf stehen. Gleich daneben befindet sich das Grundstück der Genossenschaft Am Eichengrund mit einer sogenannten «Naturscheune», zu der auch Ackerflächen und Wälder von 44 Hektaren gehören. Der Vorstand der Genossenschaft soll der Anastasia-Bewegung zuzurechnen sein.
Fitzek, der oft im Hemd mit besticktem Königswappen auftritt, war schon mindestens zweimal zu Besuch. Sein Gefolgsmann für Immobilien sei häufig vor Ort, heisst es. Gemein sind beiden Gruppierungen die «Blut-und-Boden-Ideologie» und die Ablehnung der Bundesrepublik. Eine Anfrage der «NZZ» an Fitzek über seine Pläne in Rutenberg liess er unbeantwortet.
Der Rutenberger Duwenhögger ist direkter Nachbar der «Naturscheune» und beobachtet seit einem Jahr die zunehmenden Aktivitäten. Mehr als 50 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet tummeln sich an den Wochenenden auf dem Gelände. Duwenhögger, einem grossgewachsenen ruhigen Mann, wird mit Feindseligkeit begegnet.
Inzwischen hat sich eine Initiative von Dorfbewohnern unter dem Namen Demokratie-Bündnis Rutenberg gegründet, die die Immobilienkäufe verhindern will. Die rechtlichen Mittel dafür sind sehr begrenzt. «Gemeinden können in diesen Fällen nur selten ihr Vorkaufsrecht ausüben. Denn die Hürden dafür sind hoch», sagt Verfassungsschützer Müller. So könne man nicht den Kauf stoppen, das sei zu viel erwartet.
Harmlos klingende Vereine und Öko-Genossenschaften
«Wir wollen es den Reichsbürgern so unangenehm wie möglich machen, jeden Tag», sagt Vera Müller von der Bürgerinitiative. Dafür würden sie alle demokratischen Mittel ausnutzen. Rutenberg liegt in der Uckermärkischen Seenlandschaft, einem beliebten Feriengebiet im Norden von Brandenburg. Viele Dorfbewohner fürchten, dass ein Ruf als Reichsbürger-Dorf dem Tourismus schadet. Zwar hätten etwa 30 Prozent der Rutenberger bei der letzten Bundestagswahl für die AfD gestimmt, sagt Müller. Trotzdem wollten sie keine Menschen im Ort haben, die das Dorf zu einem rechtsfreien Raum erklären wollten, weder Steuern zahlen würden, noch eine Abwasserentsorgung hätten.
Die Strategien der Reichsbürger, Immobilien und Land zu erwerben, ähneln sich. So werden oft harmlos klingende Vereine und kleinere Kooperativen gegründet – oder wie im Fall von Rutenberg Genossenschaften unterwandert. Für die Verkäufer ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wer hinter den Kaufabsichten steckt. Vor mehr als zwei Jahren liessen sich Siedler der Anastasia-Bewegung in Rutenberg nieder. In einem inzwischen gelöschten Video war zu sehen, wie Fitzek zusammen mit Jüngern der Bewegung schon sein neues «Reich» in Rutenberg besichtigt, Felder und Äcker abschreitet.
Der Bürgerinitiative bleibt nur, mit den privaten Verkäufern der Immobilien ins Gespräch zu kommen, sie zu überzeugen, nicht an die Gefolgsleute von Fitzek zu verkaufen. Es ist ihre einzige Chance. Duwenhögger frustriert die Situation. Er will keine Reichsbürger als Nachbarn, er will wegziehen.