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Für den sächsischen Verfassungsschutzpräsidenten Dirk-Martin Christian ist klar, "mit welchem Selbstbewusstsein diese Verfassungsfeinde unsere Demokratie und unseren Wertekonsens ablehnen. Wer sich auf diese Gruppierung einlässt und Peter Fitzek vielleicht sogar seine Ersparnisse anvertraut, gerät nicht nur in existenzielle Abhängigkeit vom selbsternannten 'König' bzw. 'Diktator', sondern auch in den Strudel extremistischer Ideologien und Verschwörungstheorien."
Verbotene Geschäfte in Bestlage
In der Wittenberger Fußgängerzone, gerade mal 250 Schritte vom Luther-Denkmal am Markt entfernt, bekommt man eine Idee, wie sicher sich Fitzek seiner Sache ist. "Gemeinwohlkasse" steht in blauer Schrift auf dem Schaufenster, ein gelber Sonnenkranz drumherum, gleich nebenan die Filiale der Ergo-Versicherung. Erst auf den zweiten Blick unterscheiden sich die Auslagen, denn Fitzeks Werk "Peter I. Menschensohn - Autobiographische Einblicke. Lehrjahre sind keine Herrenjahre", hat die Ergo-Versicherung nicht im Angebot. An der Tür stehen die Öffnungszeiten und der versteckte Hinweis "Kein öffentliches Ladengeschäft. Zutritt nur für Staatsangehörige und Zugehörige des Königreiches Deutschland".
Drinnen Schreibtische, Prospekte, Wasserkaraffen und Wartezimmerkunst, dazu zwei junge Männer, schwarz gekleidet. Sie grüßen höflich und sagen mit dem treuherzigen Blick des Hütchenspielers, der den bestellten Lockvogel gewinnen lässt, hier würden keine verbotenen Finanzgeschäfte betrieben. Für weitergehende Fragen möge man bitte Website oder Pressestelle kontaktieren. Die antwortet prompt und teilt mit: "Bei den Tätigkeiten der Gemeinwohlkassen handelt es sich nicht um Bankgeschäfte."
Doch so einfach ist es nicht. Wer in Deutschland Finanzdienstleistungen, Versicherungs- oder Einlagengeschäfte betreibt, braucht dafür eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die haben weder Fitzek noch seine Gefolgsleute. Immer wieder hat die BaFin daher das Betreiben der "Gemeinwohlkassen" untersagt, Konten gesperrt und Anleger aufgefordert, ihre Ansprüche bei eigens bestellten Abwicklern geltend zu machen.
Nicht nur in Wittenberg, auch im Dresdner Viertel Laubegast ist die "Gemeinwohlkasse" aktiv, ein Bäcker hat Teile seiner Geschäftsräume an sie vermietet. Auch hier hat die BaFin den Betrieb untersagt, droht mit Zwangsgeld und Pfändung - das Büro aber existiert einfach weiter. An der Eingangstür klebt ein Zettel, der Medienvertretern den Zugang untersagt, Fotografieren verboten. Mitte Mai organisierte eine Bürgerinitiative Veranstaltungen, um über die Machenschaften von Peter Fitzek zu informieren. Anwohner demonstrierten vor dem Haus. Große Hoffnung, dass es bald vorbei sein könnte mit den illegalen Geschäften in ihrem Viertel, haben sie nicht.
Warum ist es so schwer, Fitzeks Läden zu schließen? 2017 wurde der gelernte Koch vor dem Landgericht Halle schon einmal wegen Untreue und unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Im Prozess dröselte die Staatsanwaltschaft seinerzeit auf, dass zwischen 2010 und 2013 knapp 500 Anleger insgesamt 2,4 Millionen Euro in Fitzeks damals Kooperationskasse genanntes System gezahlt hatten. Viele verloren beträchtliche Summen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil allerdings 2018 auf, weil das Landgericht nach Auffassung der Karlsruher Richter nicht nachgewiesen hatte, dass die Gelder zweckwidrig eingesetzt wurden. Auch das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften sah der BGH "nicht rechtsfehlerfrei belegt". Das Verfahren wurde schließlich 2019 auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt, weil die zu erwartende Strafe zu gering für einen neuen Prozess schien. Eine Niederlage für die Justiz, die Fitzek seither als eine Art Gütesiegel für sein Finanzgebaren zu nutzen weiß.
Manche, die viel Geld verloren haben, schweigen offenbar aus Scham
Strafverfolger sagen, es sei auch deshalb schwierig, gegen sein Treiben vorzugehen, weil selbst Menschen, die viel Geld verloren hätten, aus Scham lieber schwiegen als Anzeige zu erstatten oder vor Gericht auszusagen. Ähnlich schwierig seien nur Ermittlungen auf dem Feld der Clankriminalität. Auch Fitzek agiere mit einer Art Helfer-Clan. Nach SZ-Informationen laufen bei verschiedenen Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland aber mehrere Ermittlungsverfahren gegen Fitzek und weitere Protagonisten des KRD, unter anderem wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz. Offenbar auch in Dresden, ein Sprecher der Staatsanwaltschaft will sich dazu aber offiziell nicht äußern.
Doch wenn es darum geht, die verbotenen Geschäfte der "Gemeinwohlkassen" zu schließen, schieben sich BaFin und Kommunen die Verantwortung zu. Die Stadtverwaltung Wittenberg "möchte sich generell nicht zum Fall Peter Fitzek äußern", die Gewerbeaufsicht in Dresden teilt mit, es sei Sache der BaFin, Geschäftsräume zu schließen und zu versiegeln, da es sich bei Kreditgeschäften nicht um ein Gewerbe handele. Die BaFin wiederum sagt der SZ, sie teile "die Rechtsauffassung der Gewerbeaufsicht der Stadt Dresden und der Stadt Wittenberg nicht. .... Zuständig sind die örtlichen Gewerbeämter." Die Finanzaufsicht könne ihre Bescheide nur mit den gesetzlichen Mitteln des Verwaltungszwangs durchsetzen. "Bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges ist die BaFin auf die Amtshilfe der örtlichen Behörden angewiesen." Welche Summen diesmal im Spiel sind, sagt die BaFin auf Anfrage nicht.
Mangelnden Ermittlungseifer will man sich bei der Bonner Behörde nicht vorwerfen lassen. Seit Jahren informiere man bei allen Fällen mit Bezug zu Fitzek umfassend die zuständigen Strafverfolgungsbehörden, denn die BaFin selbst könne weder Anklage erheben noch Strafverfahren einleiten. Auch die Gewerbeaufsicht sei im Fall Fitzek immer im Bilde. Die Einleitung gewerberechtlicher Maßnahmen "liegt insoweit bei den örtlichen Gewerbeämtern". Und Fitzek? Lässt die Pressestelle mitteilen, der Beschluss des Bundesgerichtshofs zeige, dass die BaFin nicht zuständig sei. "Die Schreiben dieser Organisation haben keinerlei Einfluss auf gemeinwohlorientierte Aktivitäten. Herzliche Grüße aus dem Gemeinwohlstaat."
Defizite staatlicher Stellen im Umgang mit Fitzek vermag man im Magdeburger Innenministerium nicht zu erkennen. Der Verfassungsschutz sensibilisiere Bedienstete von Kommunen, Verwaltungs- und Justizbehörden für die Vorgehensweise der Reichsbürger und Selbstverwalterszene, "so auch des KRD als dem wichtigsten Beobachtungsobjekt dieses Phänomenbereichs in Sachsen-Anhalt", heißt es auf Anfrage. In Magdeburg hält man sich zugute, dass es Fitzek in Sachsen-Anhalt bisher nicht gelang, Grundstücke für seine Kommunenprojekte zu erwerben.
Dass Fitzek seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird, die BaFin seine Finanzgeschäfte untersagt hat, staatliche Stellen vor Landnahme warnen, all das schreckt potenzielle Investoren oder Opfer beim Tag der offenen Tür in Wittenberg nicht. Ein extra aus Hannover angereistes Ehepaar, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, findet es gut, dass jemand "Alternativen zum System" anbietet. Sie fürchten nur, dass es im Wohnprojekt wie immer Ärger gebe, wenn unterschiedliche Parteien zusammenleben. Außerdem finden sie die Seminare zu teuer.
Ein Rentner aus Strausberg bei Berlin, der seinen Namen ebenfalls für sich behalten möchte, ist da schon weiter. Er sei "so kurz davor, einzusteigen", sagt der Mann und hält Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter auseinander. Einziger Hinderungsgrund sei seine Frau, "die steigt mir jetzt schon aufs Dach, wenn ich so Reichsbürgersachen besuche". Dass er sein Geld wahrscheinlich nicht wiedersehe? Ach, winkt er ab, das könne doch immer passieren, wenn man Freunden etwas borge.