Kurzer Prozess mit dem ICCJV, Teil 7: Beweisverfahren, abgelehnte Anträge, Hauptfragen, Plädoyers, Schlussworte der Angeklagten, UrteilsverkündungNun eröffnet der VR das Beweisverfahren, und zwar, indem er – vermutlich einer rituellen Vorschrift folgend – in sehr schnellem Tempo eine Liste von Urteilen verliest, die gegen hochrangige Mitglieder des ICCJV schon ergangen sind. Ich zähle hier nicht alle auf, aber erwähnenswert scheint mir das Urteil gegen Willibald Landschützer vom 13. Mai 2022 in Graz; ausserdem gibt es nun auch Urteile gegen Doris Schweizer, die im Model-Prozess als Zeugin geladen war, und gegen Marion Christine Luscher – das muss die sein, die zur Freude des Verfassungsschutzes alle ICCJV-Treffen fein säuberlich in einem Ordner festgehalten hat. Auch sie wurde in Graz verurteilt, und needless to say, natürlich ging es jeweils um §246 StGB. Alle diese Urteile scheinen aus 2022 zu sein und sind teils schon rechtskräftig. Man könnte also sagen: 2022 ist das Jahr, in dem der ICCJV definitiv zu Grabe getragen wird – selbst wenn einzelne Verfahren noch bis ins kommende Jahr fortdauern sollten.
Gleich darauf verliest der VR auch noch Marcus Steiners Vorstrafen, nämlich diejenige aus Krems 2017 (“Causa Hollenbach”) und eine vom Bezirksgericht Fünfhaus von 2019, weil S in einem bestimmten Zeitraum ab 2013 seine Unterhaltspflicht verletzt habe. Das wird vermutlich das Verfahren gewesen sein, in dem sich S noch immer auf seine “diplomatische Immunität” berufen wollte.
Dann fragt der VR, ob es Anträge von der Staatsanwaltschaft gibt.
StA: Sie halte den Antrag auf Vernehmung eines Zeugen aufrecht (ich weiss gar nicht, ob sie überhaupt einen Namen genannt hat).
VR: Gibt es weitere Anträge?
H geht zum Richterpult und gibt dem VR ein Dokument.
VR: Der Drittangeklagte legt einen Artikel des Kurier vor betreffend Terrance O’Connors Auslieferung an die USA. “Was wollen Sie uns damit sagen?”
H: Dass damals bekannt war bzw. wurde, “dass diese Leute die Handlungen unter seinem Einfluss gesetzt haben”. Die “Sheriffs” seien ausschliesslich Terrance O’Connors Idee gewesen, O’Connor habe auch “die Haftbefehle gemacht”.
Der VR, seelenruhig: Wird als Anlage Römisch eins zum Akt genommen.
Hs Verteidigerin V3 meldet sich nun mit dem “Gutachten von Professor Lewisch, dass der ICCJV keine staatsfeindliche Verbindung ist”. Damit könne sich der Drittangeklagte auch nicht an einer staatsfeindlichen Verbindung beteiligt haben. V3 bringt das Gutachten dem Richter, und ich denke so: LOL, jetzt hat die dieses Gutachten aus dem Model-Prozess ausgegraben – hat sie denn nicht mitbekommen, wie sehr schon die Grazer Richter das in der Luft zerrissen haben?
Der VR blättert ein paar Augenblicke lang in dem Gutachten, das übrigens recht kurz aussieht. Währenddessen beantragt V3 die Einvernahme einer Karin K. als Zeugin “zum Beweis dafür, dass der ICC [
sic, nicht ICCJV] kein Fantasiegericht ist”. Sie geht zum VR und diktiert ihm die Adresse der gewünschten Zeugin; diese lebt wohl in den Niederlanden, könne aber per Video einvernommen werden.
[Ich versuche einmal, Sinn in diese seltsame Passage zu bringen. Bei der Einvernahme des S hatte die Staatsanwältin gefragt, ob S der Republik Österreich eine Anklage bei einem “anderen Fantasiegericht” angedroht habe. Von einer Anklage bei einem anderen Fantasiegericht habe ich damals nichts mitbekommen. Ein grosses Thema auf
iccjv.org war hingegen ab 2016
eine “Anklage” gegen die Republik Österreich, die der ICCJV beim internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingebracht haben wollte. Die Deppen schrieben dazu auf ihrer Website:
[…] dass der ICCJV zu der voran genannten Internationalen Klage und Internationalem Strafverfolgungsantrag sowie der Internationalen Schadensersatzklage nunmehr den vorläufigen Gesamtakt im Umfang von 17991 durchnummerierten Seiten, aufgeteilt auf 7 Einzelklagen, gegen die REPUBLIK ÖSTERREICH und ihre belangten Behörden und deren angezeigte Organe als Beweismittel dem ICC – International Criminal Court in Den Haag zur weiteren Bearbeitung übergeben hat
Köstlich, oder? Hervorhebung vom
Sonnenstaatland-Wiki, das ich in diesem Zusammenhang trotz der Nichtaktualität gern zitiere. Von der Facebookseite des ICCJV stammte meiner Erinnerung nach
dieses Foto, das Pappschachteln mit ICCJV-Logo zeigt, in denen – darauf liess die Angabe auf Facebook schliessen – besagte 17991 Seiten verpackt waren, um nach Den Haag geschickt zu werden. Ein Schelm, wer beim Anblick der Schachteln “Daniel Model” denkt oder sich fragt, ob dieses Foto vielleicht im Keller des Modelhofes, wo sich auch die berühmte “Teeküche” befindet, aufgenommen wurde.
Grund für die “Anklage” war übrigens die Razzia auf dem Walknerhof im Rahmen der “Causa Hollenbach”, denn die Deppen fühlten sich furchtbar ungerecht behandelt und ervölkermordet, nachdem sie von der Polizei vorübergehend in einen von der EU zertifizierten
Kindergarten gesperrt worden waren.
Diese “Anklage” scheint es also tatsächlich gegeben zu haben, und sogar Bäume mussten dafür einen sinnlosen Tod sterben. Eine kurzzeitige Überflutung der Altpapiersammlung in Den Haag ist nicht auszuschliessen. Inhaltlich gehört diese “Anklage” natürlich ins Reich der Phantasie, während der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag beileibe kein “Fantasiegerichtshof” ist. Dass er von der StA so bezeichnet wurde, ist mir ein Rätsel, wobei ich mich aber auch frage, warum gerade eine Karin K. aus den Niederlanden als Zeugin aussagen soll, dass es den ICC wirklich gibt. Es ist wohl kaum so, dass das die Beteiligten nicht wüssten. Oder war Karin K etwa die bemitleidenswerte Praktikantin, die damals die 17991 Seiten in Empfang nehmen und entsorgen musste…?
Wir werden es nie erfahren. So sad.
Übrigens: “Klagen” beim ICC einbringen zu wollen, ist eine gängige Deppenfantasie; der GCCL fantasiert zum Beispiel auch davon. Einmal mehr zeigt sich hier, wie krass überlegen der ICCJV dem GCCL ist, denn während der GCCL nur heisse Luft produziert, hat der ICCJV wohl ernsthaft unglaubliche 17991 Seiten nach Den Haag geschickt.]
Aber zurück in den Wiener Schwurgerichtssaal. Nachdem V3 ihren Antrag wegen Karin K. gestellt hat, kommt der VR noch einmal auf das Gutachten zurück und meint: Zwar gebe es den Grundsatz ‘
iura novit curia’, aber man könne es sich ja mal anschauen. Fasst dann die Angaben auf dem Deckblatt zusammen, “Gutachten von Professor Lewisch für Norbert Wess für das Verfahren gegen Dr. Daniel Model in Graz”, “ist glaub’ ich der Schweizer?” Die Richter ziehen sich nun zur Beratung zurück und erscheinen nach 5-10 Minuten wieder.
Der VR macht es kurz und lehnt die gestellten Anträge ab, den der StA wegen einer formellen Unzulänglichkeit und den der V3, weil die Zeugenaussage von Karin K. ein “unzulässiger Beweis” sei.
Dann erwähnt der VR, dass es ein psychiatrisches Gutachten zu S und E gebe. Er verliest kurz das Ergebnis: Weder S noch E leiden an einer psychischen Störung gemäss ICD-10 und weisen auch keine “geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades” auf. Damit sind beide zurechnungsfähig.
Anschliessend fasst der VR den Akt zusammen, indem er einzelne Aktenstücke ihren Namen oder Regesten nach aufzählt. Wie immer, wenn er vorliest, rattert er alles ziemlich zackig herunter. Insgesamt hört es sich wie die Kriminalgeschichte des ICCJV seit “Hollenbach” aus der Perspektive der Strafverfolgungsbehörden an. Da gibt es Anträge auf Überwachung, Anlassberichte des Verfassungsschutzes zu diversen Ereignissen, Anordnungen zu Observationen, Festnahmen und Hausdurchsuchungen, Vernehmungen in Graz, Verhängung von U-Haft, ein Schreiben von E, dass er sich von Matschiner und einer anderen Person distanziere, usw. usf.
Es ist 13:40 und eine zwanzigminütige Pause wird gewährt. Spätestens jetzt ist es vorhersehbar, dass diese Verhandlung inklusive Urteil keine weiteren Tage in Anspruch nehmen wird.
Ich beschliesse, mir ein wenig die Beine zu vertreten. Neben mir, mit ein paar leeren Stühlen dazwischen, sitzt immer noch die andere Vielschreiberin, und im Vorbeigehen spreche ich sie nun doch an, weil ich einfach neugierig bin, ob sie das aus einem bestimmten Grund macht. Auf meine Frage hin meint sie, sie interessiere sich einfach für das Thema Staatsverweigerer. Die Notizen mache sie eigentlich nur für sich selbst. Wir kommen daraufhin ins Gespräch, da ich ja aus einem ganz ähnlichen Grund hier bin; und als ich erwähne, ich sei aus der Schweiz angereist, fragt sie mich prompt, ob ich “die vom Model-Prozess” sei. Huch! Das Sonnenstaatland kennt sie aber lustigerweise nicht. Dann muss wohl irgendeine österreichische Zeitung mich im Zusammenhang mit dem Model-Prozess erwähnt haben. Aus der Printausgabe des Kurier hat die Frau jedenfalls auch den genauen Prozesstermin von heute erfahren, sowas steht da offenbar im Anzeigenteil. Gut zu wissen! Nächstes Mal brauche ich keinen Kundschafter zum Gericht zu schicken, falls es denn ein nächstes Mal gibt.
Pünktlich um 14:00 wird die Verhandlung fortgesetzt. Der VR wendet sich an den im Publikum sitzenden Hipster, der sich vor der Verhandlung zu Marcus Steiner und dessen Verteidiger gesellt hatte, und fragt ihn, ob er sich äussern wolle.
Der Angesprochene entpuppt sich als Steiners Bewährungshelfer. Ihm sei es sehr wichtig, anzumerken, dass S sich auf die Betreuung eingelassen habe. Er habe mit S zu ergründen versucht, woher “diese Thematik” stamme, damit meint er den ICCJV, und ist ähnlich wie der Verteidiger der Meinung, es könne sich um ein “kompensatorisches” Verhalten handeln, das der Selbsterhöhung gedient habe. Ausserdem bescheinigt er S eine “Störung im Redefluss”. (Im Model-Prozess schien mir das Problem bei Steiners Äusserungen eher inhaltlicher Natur zu sein, aber gut, insgesamt habe ich S zu wenig reden gehört, um zu beurteilen, ob ich dem Bewährungshelfer da zustimme.)
Der VR fragt, ob eine weiterführende Bewährungshilfe sinnvoll sei, was der Bewährungshelfer bejaht. Eine normale Therapie würde seiner Ansicht nach reichen.
Nun verliest der VR die Hauptfragen an die Geschworenen, und da dies anscheinend nur einer rituellen Vorschrift entspricht – die Geschworenen können sich den Fragetext anschliessend noch in Ruhe ansehen – rattert der VR die Fragen herunter wie ein Maschinengewehr. Und trotzdem dauert die Verlesung jeder einzelnen Frage gefühlt Minuten. Jede der insgesamt vier Fragen beginnt mit “Ist XY schuldig, …”, und es folgt ein einzelner, kilometerlanger Fragesatz, der grammatisch um die Tatbestandsformulierung des §246 Abs. 2 StGB herumkonstruiert und dazu mit Unmengen an mehr oder weniger sinnvollen Details über den ICCJV befrachtet ist. So werden nicht nur Tatzeitraum und -orte erwähnt, sondern etwa auch tonnenweise Organe des ICCJV wie die Vereine
IIA,
ISA etc. sowie die Fantasietitel aufgezählt, die es beim Deppengericht gab, beispielsweise “Clerk of the Court”, und zwar stets in den Varianten “National” und “Regional”. Lustigerweise wurde der Titel, den Daniel Model hatte, nämlich “National Justice of the Peace”, bei der Aufzählung vergessen, denn es wird nur “Regional Justice of the Peace” aufgezählt. Zu den Mitgliederzahlen wird angegeben, dass dem ICCJV international mindestens 146, in Österreich mindestens 20 Deppen angehört hätten. Seltsamerweise wurden beim Model-Prozess deutlich höhere Zahlen genannt.
Für jeden Angeklagten wird diese Frage separat verlesen und für H noch eine weitere Frage, die sich auf den Besitz des verbotenen Schlagrings bezieht.
Nun erteilt der VR der Staatsanwältin das Wort für ihr Schlussplädoyer.
StA: Der ICCJV ist eine staatsfeindliche Verbindung im Sinne von §246 StGB, das wurde schon in diversen Urteilen festgestellt. Beim Erst- und Zweitangeklagten sind nur Tätigkeiten angeklagt, die sie nach “Hollenbach” begangen haben, nicht die Gründung des ICCJV. Die Geschworenen können sich nachher unter ON 300 noch zahlreiche Beschlüsse anschauen.
Der Drittangeklagte hatte bei der Hausdurchsuchung ein Dokument an der Tür hängen, worauf stand, dass er diplomatische Immunität besitze und dass daher keine Hausdurchsuchungen bei ihm gemacht werden dürften. H habe gewusst, dass der Erstangeklagte “auf Diplomatenparkplätzen parkt” usw., deshalb handle es sich bei seinen Angaben um Schutzbehauptungen.
Die StA erinnert an den langen Tatzeitraum und an die Vorstrafen der Angeklagten wegen der “Causa Hollenbach”. Ein reines Tatsachengeständnis reiche nicht als Milderungsgrund. Die Verfahrensdauer sei zwar lang, der Grund dafür sei allerdings, dass die Angeklagten alle Rechtsmittel ausgeschöpft und so die Hauptverhandlung hinausgezögert hätten.
Beim Drittangeklagten komme erschwerend die Kombination aus staatsfeindlicher Verbindung und Verstoss gegen das Waffengesetz hinzu. H habe aber keine Rechtsmittel ergriffen, daher könne die lange Verfahrensdauer sich bei ihm mildernd auswirken.
Es folgen die Schlussplädoyers der Verteidiger V1, V2 und V3.
V1: Eigentlich gehe es in diesem Verfahren nur um die Vorfälle nach der Haftentlassung des S, trotzdem sei aber viel über “Hollenbach” gesprochen worden. Sein Mandant sei geständig, und zwar mehr als tatsachengeständig; er habe gesagt, dass das Ganze ein Schwachsinn gewesen sei. Schwachsinnige Anträge [er scheint hier auf die “Diplomatenpässe” anzuspielen] würden jeden Tag gestellt. Die gezeigte handschriftliche Wunschliste erwecke den Eindruck eines “Brieferl, das man am 23.12. dem Weihnachtsmann schickt”. V1 stellt die Frage: Wäre es möglich gewesen, ein Gericht zu gründen? Er hege da seine Zweifel. S versuche, in ein normales Leben zu kommen, eine Strafe sei zum jetztigen Zeitpunkt nicht sinnvoll. “Das Haftübel hat mein Mandant ausreichend verspürt”, er zeige Besserungsansätze.
V2: Der Anklagezeitraum erstrecke sich vom 30.06.2017 bis zu einem von mir nicht genau notierten Datum 2018, wahrscheinlich 2. Oktober, da dann die Razzia mit den Festnahmen stattfand. Es gebe “zwei Beteiligungshandlungen” an der staatsfeindlichen Verbindung, nämlich 1. die Abgabe des Briefes beim Aussenministerium und 2. die “Beantragung” beim “22. Bezirk”, so formuliert V2 es und meint damit vermutlich den Gang zur UNO. Beides sei eigentlich nur “Schwachsinn”. E zeige sich geständig, dass er die IT zur Verfügung gestellt und sich an Handlungen des S beteiligt habe. “Heute reut es ihn, es tut ihm leid, was er sich in den letzten acht Jahren angetan hat.” Beim ICCJV gehe es eigentlich um “Überhöhung”, das mit der Steuerfreiheit und den Diplomatenpässen sei “gar nicht umsetzbar”. Die U-Haft habe seinen Mandanten “gebrochen”, das sei familiär sehr schwer gewesen, nun sei er “auf dem Weg zurück und bedarf keiner weiteren Strafhaft”. Empachers Einsprache gegen die Anklageschrift sei erfolgreich gewesen, der OGH habe das Verfahren nach Wien geholt; E hätte ursprünglich in Graz angeklagt werden sollen. Daher könne man E keine Verschleppungstaktik vorwerfen. Vielmehr sei er es müde, Eingaben zu schreiben, und wolle mit der Sache abschliessen. Er, V2, teile die Rechtsauffassung von V1, dass es nicht klar sei, ob der ICCJV überhaupt strafrechtlich relevant sei, da er eher ins “Reich des Fantastischen” gehöre und “nicht ernst zu nehmen” sei.
[Deshalb sitzen wir also heute in Vienna. Da sieht man es wieder: Während Wien unzweifelhaft die Hauptstadt Österreichs ist, ist Graz ebenso unzweifelhaft die Hauptstadt der zwangsrückabgewickelten Deppenprojekte. Alle bislang berühmt gewordenen staatsfeindlichen Verbindungen der österreichischen Staatsverweigerer-Szene wurden von der Staatsanwaltschaft Graz bzw. unter deren Federführung verfolgt. Was Rang und Namen hat unter den Deppen, hat die Justizanstalt Graz-Jakomini von innen gesehen…]
V3: Zitiert zunächst den Vorwurf nach §246 StGB und kommt dann auf das Gutachten “vom angesehenen Herrn Professor” zurück, der den ICCJV nicht als staatsfeindlich sieht. Klar, wir sind in Österreich, da muss Beweis durch Ansehen und Professorentitel doch möglich sein.
V3 stellt dann die Frage: Was wusste H? Wie ergibt sich bei ihm die staatsfeindliche Zielsetzung? Es habe sich nicht herausgestellt, dass es die Intention des Drittangeklagten war, sich an einer staatsfeindlichen Verbindung zu beteiligen. Zum Thema Verweigerung der Aussage meint sie: “Ja und?” Das sei sein gutes Recht. Und zur verbotenen Waffe bemerkt sie: Nur weil er die besessen habe, sei er noch lange nicht Mitglied einer staatsfeindlichen Verbindung. Die in seiner Wohnung beschlagnahmten Gegenstände seien zum Teil gar nicht seine.
Zum entzückenden Gesprächsprotokoll vom abgehörten Telefonat meint sie: Da gehe es um einen Antrag für einen Diplomatenpass, “was ist da verboten? Ich kann auch Diplomatenpässe beantragen”. Auch das Nichterscheinen bei einem Verfahren sei nicht unter Strafe gestellt. Zusammenfassend: Der ICCJV sei keine staatsfeindliche, auf Erschütterung der Gerichtsbarkeit abzielende Verbindung.
VR: Die Angeklagten haben nun das letzte Wort.
S verzichtet zunächst auf die Möglichkeit, noch etwas zu sagen.
E: Er wolle nur einen bis zwei Sätze sagen: Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, würde aber gerne. Es tut mir leid, was passiert ist. Ich habe an der Homepage gearbeitet und sonst “fast nichts”.
H: Dazu, dass bei mir Dokumente an der Tür gehangen sind: Ich habe drei Wohnungen, war aber oft unterwegs, eine Wohnung war teils an Steiner vermietet. Deshalb wurden da Sachen von ihm gefunden. Ich war wegen der Strafverfolgung bezüglich ICCJV als Sicherheitsberater “nicht mehr tragbar”, deshalb habe ich das Glück am Schopf gepackt und geheiratet und habe vier Kinder.
S hat es sich anders überlegt und möchte doch noch etwas sagen. Mit tränenerstickter Stimme gibt er zu bedenken, er habe “sehr viel im Leben durchg’macht”, er habe “Drillinge allein erzogen” und wolle den Kontakt mit seinen Kindern, diese seien “sehr gut ausgebildet”. Er wolle sein Leben in den Griff kriegen und bittet die Geschworenen um “Nachsicht”.
Damit ist alles gesagt und die Geschworenen können über die Fragen beraten. Für diejenigen “Zuseher”, die bis zur Urteilsverkündung bleiben wollen, bedeutet dies eine grosse Pause von unbestimmter Länge. Eigentlich kann man als hartnäckiger “Zuseher” nur in der Nähe des Gerichts bleiben und hoffen, dass man es mitbekommt, wenn die Prozessbeteiligten wieder eintrudeln.
V1, der Verteidiger von Marcus Steiner, scheint mit einer hinreichend langen Pause zu rechnen, dass er sich weiter weg begibt, jedenfalls sehe ich ihn schon seinen Motorradhelm in die Hand nehmen.
Ich gehe erst mal etwas trinken – es ist weit über 30° heiss – und verbringe die darauffolgende Zeit mit Rumtigern in der Seitenstrasse, in welcher der Eingang des Landesgerichts für Strafsachen liegt. Meinem etwas überbesorgten Sicherheitsberater in der Schweiz, der in Österreich überall lauernde Staatsverweigerer vermutet, hätten sich wahrscheinlich die Zehennägel aufgerollt bei diesem Anblick. Egal. Als ich mir schon ernsthaft Gedanken mache, bis wann ich mir das Rumgetigere noch antun würde, erblicke ich plötzlich von weitem einen Anzugträger – ja, er trägt den kompletten Anzug auch draussen in der Hitze – mit einem Motorradhelm in der Hand. Es ist Steiners Verteidiger V1, der offenbar vom Gericht benachrichtigt wurde. Auch ein kleines Grüppchen “Zuseher” vom Vormittag hat sich wieder vor dem Eingang des Gerichts versammelt, und mit V1 gehen alle wieder ins Gebäude hinein.
Im Innern, wo die Warterei noch länger andauert, stelle ich fest, dass es sich bei dem “Zuseher”-Grüppchen wohl um Jus-Studenten handelt. Auch die Angeklagten sind wieder eingetroffen, und die andere Vielschreiberin aus dem Publikum war clever und ist während der ganzen Wartezeit im kühlen Gebäude geblieben.
Die Verteidiger sind schon eine Weile im Schwurgerichtssaal für irgendeine Besprechung, als plötzlich V1 in die Vorhalle kommt und zu den erstbesten Anwesenden sagt, die Angeklagten sollen jetzt auch hereinkommen. Die andere Vielschreiberin reagiert spontan und eilt hinaus, um Marcus Steiner zu holen, der die Vorhalle gerade verlassen hat. Sie habe ihn beim Pizzaessen angetroffen, erzählt sie mir.
Endlich wird der Saal auch für die “Zuseher” geöffnet. Die Urteilsverkündung beginnt damit, dass der Sprecher der Geschworenen das Abstimmungsresultat für jede Frage verliest, und dafür muss jede einzelne der ellenlangen Hauptfragen erneut vorgelesen werden. Im Gegensatz zum Vorsitzenden Richter liest der Geschworene die Fragen allerdings seeeeehr laaaaangsaaaaaam.
Das Ergebnis: Jede Frage erhielt acht Ja- und null Nein-Stimmen, die Geschworenen haben die Angeklagten somit in allen Punkten klar für schuldig befunden.
Der VR verkündet: S, E und auch H sind schuldig im Sinne der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Graz, und werden wie folgt bestraft: S erhält 11 Monate Zusatzstrafe, E 14 Monate und H auch 11 Monate. Allen wird zudem der Ersatz der Kosten des Strafverfahrens auferlegt. Die U-Haft wird angerechnet.
Ausserdem werden alle sichergestellten Gegenstände mit ICCJV- und IIA-Bezug eingezogen, bei H zusätzlich der Schlagring. Der VR verliest eine Liste, die aber leider nur aus den Nummern besteht, die diesen Gegenständen von der Polizei zugeordnet wurden.
Der VR fährt fort mit der Urteilsbegründung, die aus dem lapidaren Satz besteht, das Urteil sei “nicht weiter zu begründen”. Ein bisschen habe ich ja den Verdacht, dass der VR auch Feierabend machen möchte und generell, dass er in dieser Verhandlung nicht unnötig viel Zeit hat verbringen wollen. Das Strafmass begründet er aber: Bei S sei das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus strafschärfend ins Gewicht gefallen sowie der lange Tatzeitraum, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, der rasche Rückfall nach der Haftentlassung, die Deliktsqualifikation. Die lange Verfahrensdauer habe sich hingegen strafmildernd ausgewirkt und allen Angeklagten einen Abzug von jeweils vier Monaten gebracht.
VR: Haben Sie das verstanden?
S: Es ging ein bisschen schnell.
Der VR wiederholt: Zusatzstrafe 11 Monate für S, 14 Monate für E, 11 für H. Eingezogen würden alle Unterlagen mit ICCJV-Bezug [also alles, worauf rote Daumenabdrücke sind], ausserdem ICCJV-Devotionalien wie Jacken, Stempel, Presseausweise und dergleichen.
Und ich denke so: Verdammt, wo muss ich einbrechen, um einen echten ICCJV-Sheriff-Stern zu ergattern?
Der VR weist die Angeklagten auf die Möglichkeit der Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil hin. Die Angeklagten verlassen mit ihren Verteidigern kurz den Saal, um zu beraten, ob sie auf Rechtsmittel verzichten oder eine dreitägige Bedenkfrist haben wollen.
Alle drei Angeklagten entscheiden sich für die Bedenkfrist.
VR: “Gut, dann ist die Verhandlung geschlossen.”
Es ist jetzt 18:33, und ich denke: Welch kurzes und unspektakuläres Ende für mein Lieblingsfantasiegericht, wenn man sich den fulminanten Anfang, nämlich die “Causa Hollenbach”, und auch die späteren Ereignisse um den Modelhof, die 17991 Seiten bedrucktes Altpapier und die gross angelegten Razzien von 2018 vor Augen führt. Denn auch wenn zahlreiche weitere Angeklagte separat verurteilt wurden, so ist es doch dieser Prozess gegen die höchste Führungsspitze des ICCJV, der zumindest aus meiner Sicht symbolisch das
~ENDE~
dieser Organisation und ihrer wechselvollen Geschichte markiert.
Klar, es kann theoretisch noch zu weiteren Verhandlungen kommen, wenn die Angeklagten Rechtsmittel einlegen.
Nach einem langen, heissen Tag des Gerichtstourismus fühle ich mich legementiert, zur Abkühlung noch in die schöne, blaue, Neue Donau zu hüpfen, und gehe meiner Wege. Mein nächster Prozessbericht aus Österreich wird dann voraussichtlich von Carl-Peter Hofmann handeln. Ach ja, dem habe ich aus Wien natürlich eine Grusskarte geschickt. Er gehört ja auch zu denen, welche die Justizanstalt Graz-Jakomini von innen sehen, da wird er sich über diesen kleinen Farbtupfer im grauen Häfn-Alltag gefreut haben.